Daran beteiligt waren Personen, die mehr oder weniger einen Bezug zum Laden und einen Einblick in
die HC-Szene haben, sich damit aber nicht unbedingt identifizieren. Die Kernfrage, um die es sich in
der Diskussion dreht, war: Was ist eigentlich verwerflich daran, Biohazard im C.I. spielen zu lassen?
a.: Also, was ich am Biohazard-Konzert verwerflich finde, ist z. B, daß Even, Bassist und
Sänger von Biohazard, war Roadie bei TYPE O NEGATIVE und der Peter Steel von TYPE O NEGATIVE ist
für mich extrem rechtsradikal. Mal abgesehen vom Kommerzvorwurf. Biohazard macht meiner Meinung nach bloß das Konzert hier, um seine
Popularität zu steigern, vor allem in Hardcore-Kreisen. Ich glaube an den Ruf des Ladens, an den Status bei
Bands z. B. aus den USA wie GORILLA BISCUITS, UP-FRONT. Aber BIOHAZARD hier zu bringen, das ist zu hart. Dieses Konzert schadet mehr, als es nützt. Der
Laden macht ja auch keine finanziellen Vorteile, aber es wird einen Imageverlust geben, den das CONNE
ISLAND nicht wieder wettmachen kann.
b.: Der Vorwurf gegenüber TYPE O NEGATIVE gäbe Stoff für eine andere Diskussion.
Ich weiß aber eins ganz genau, TYPE O NEGATIVE sind keine Faschos und sind auch nicht im
deutschen Sinne rechtsradikal.
a.: Glaubst Du nicht, daß wenn jemand solche Sachen erzählt, wie "die Neger in Afrika
müßten alle sterilisiert werden, dann gäbe es keine Überbevölkerung mehr",
daß die rechtsradikal sind, vergleichbar mit Äußerungen und Tatsachen aus dem dritten Reich?
b.: Das ist als Fakt erst mal richtig, es handelt sich mit Sicherheit um Rassismen. Es gibt
dabei aber ein Problem und das sind die Lebensumstände, in denen so etwas zustande kommt, andere
Verhältnisse als die hier. Eine Band einfach als rechtsradikal abzustempeln, ohne den Kontext abzuchecken, in dem sich die Band bewegt,
ist eine fatale Geschichte.
a.: Zurück zum Laden und zu BIOHAZARD. Ich gönne Bands den Ruhm, die sich jahrelang
die Finger wundgeschrubbt haben und die können dann auch hier spielen. Das entspricht dem
Anspruch vom C.I.. Mir geht's speziell um den Fall BIOHAZARD und die haben für mich die Grenze erreicht.
b.: Die Grenzziehung, wie sie vor 10 Jahren im Hardcore war, ist doch einfach nicht mehr da,
wenn man mit dem Anspruch antritt und ganz straight gegen die Gesellschaft kämpft. Man hat seine
Szene, seine Moralvorstellung, die man nach außen trägt und die sind ja sehr symphatisch. Nun ist aber die Frage an jeden Einzelnen, wie er dazu
gekommen ist, daß er sich in die heutige HC-Szene integriert fühlt. So könnte ich mir
unter anderen Voraussetzungen auch vorstellen, daß die ÄRZTE hier gespielt hätten.
c.: Nee, das ist der Punkt, wo ich nicht mehr mitgehen kann. Also die ÄRZTE sind eine
Einsteigerband gewesen, zumindest in der Zeit, in der ich angefangen habe, Musik zu hören. Das
heißt aber noch lange nicht, solche Bands hier spielen zu lassen. Obwohl die ÄRZTE Geschichte sind und sicherlich auch einen Einstieg gewährleistet
haben, was vielleicht auch bei BIOHAZARD der Fall sein könnte, da kenne ich mich nicht so aus.
Aber überhaupt zu sagen, daß Bands hier spielen können, weil sie einen Einstieg gewährleisten, das verwässert den ganzen Anspruch
des Projektes. Die sind vielleicht gut als Einsteigerband, aber dafür hat sie auch die Industrie
und damit ziehen sie die Kids. Aber wenn Du die dann hier spielen läßt, ist die Grenze nicht mehr klar. Wo hört was auf und wo fängt
gerade hier im C.I. etwas Anderes an. Wenn BIOHAZARD im C.I. spielen, dann gibt es einfach nichts mehr
Anderes, als nur noch Industrie.
b.: Aber genau das ist doch die Frage, funktionieren die Subkulturen noch, wie sie vor 10 Jahren
funktioniert haben?
a.: Aber der Anspruch der Nichtcommerzialität sollte noch derselbe sein. Das bedeutet doch,
daß wir den Leuten Subkulturen vermitteln und nicht in den Commerz immer tiefer rutschen. Wenn
Du BIOHAZARD spielen läßt, damit der Laden gut macht und das Geld in die Projekte fließt, wie Skaterbahnen, Cafe oder als Ausgleich für
Konzerte, wo Miese gemacht werden. Dann würde ich sagen, okay! Aber den letzten Grund hat sich
der Laden ja selber genommen, in dem er bei den verhandelten Konditionen nichts gut macht. Schon gar nicht zählt für mich der Grund, BIOHAZARD
kann man im C.I. für 15,- DM sehen und im Easy Auensee müßte man 30,- DM bezahlen.
Wenn die Leute schon soviel Commerz wollen, dann sollen die auch dafür bezahlen. Hardcore ist tot, das stimmt, aber für Leute, die HC als etwas
ansehen was aus Ami-Land kommt. Wenn ich HC als eigenständige Kultur sehe von Leuten, die sich
als HC fühlen, dann kann ich genauso gut zu vielen deutschen Bands gehen wie z. B. EGO TRIP. Solche Bands führen die Hardcore-Szene weiter, die HC-
Szene, die ich auch will. Sowas gehört ins C.I., ein Projekt, das ja von Leuten gemacht wird,
die ein alternatives Lebensgefühl haben, für Leute die dies ebenfalls beanspruchen. Wenn ich hierhergehe, dann muß ich schon, denke ich, einen
Anspruch haben und dann ist der Laden hier und das Zoro das Richtige. Aber wenn dann nur große
Sachen gemacht werden und dann noch BIOHAZARD, dann sehe ich das als Problem, weil dann ist der Imageverlust groß.
c.: Das ist ein Problem für so einen Laden, wenn er nicht mehr eine Alternative zu dem
geben kann, was die Kids z. B. von ihren Eltern vorgegeben bekommen. Kids suchen Alternativen und wenn
Du die nicht anbietest, dann werden sie vielleicht Faschos, die behaupten ja nie wie ihre Eltern oder normale Bürger sein zu wollen. Wenn linke Subkultur
nicht mehr Alternative sein kann, dann ist der politische Anspruch verloren gegangen.
b.: Die Frage ist halt immer die nach neuen Wegen. Funktionieren die Grenzen noch so, wie Ihr
sie ansetzt oder nicht mehr. Unser Laden hat ein alternatives Image und das macht auch vor dem
Selbstfindungsprozeß eines Kid nicht halt, wenn diese zu BIOHAZARD hierherkommen.
c.: Du mußt doch aber das gesamte Umfeld sehen. Du kannst Dich nicht hinstellen und sagen,
der Laden ist alternativ, es gibt überall Leute, die sagen, er war mal ein alternativer Laden,
ist es aber nicht mehr.
b.: Naja, aber welche Konsequenzen kann denn der Konzertbesucher hier rausziehen, wenn er das
erste Mal zum BIOHAZARD-Konzert hierherkommt. Dann kommt er vielleicht auch zu anderen Konzerten und
der Laden vermittelt ja schon vom Äußeren her einen ganz anderen Eindruck als z. B. Easy Schorre oder so.
c.: Der ursprüngliche Punkt ist doch der, daß die Kids hierherkommen, weil sie
BIOHAZARD von MTV kennen, aber nicht weil sie den Einstieg schaffen wollen, sondern weil sie eine MTV-
Band sehen wollen.
b.: Die Frage ist doch die, was bringst du in der heutigen Zeit in die bestehenden
Jugenbewegungen ein. Und es gibt ja nun mal auch starke Tendenzen zum Rechtsradikalismus, setzt du da
die introversierte Radikalität rein, wie bei Punk oder HC oder sagst du, wir machen Zugeständnisse, was vielleicht für Euch Verwässerung von Grenzen w
äre, und geben die Kids nicht auf und holen sie in solche Zusammenhänge, in denen sich das C
.I. z. B. befindet. Und ein geringer Prozentsatz wird darüber irgendetwas verstehen.
a.: 1 oder 2 % wird ja vielleicht dann zu anderen Konzerten kommen, aber das war ja schon mal da
, z. B. bei BATTERY waren ja auch viele Kids da. Das hat mir Hoffnung gegeben.
b.: Genau beim BATTERY-Konzert ist aber folgendes zu beobachten gewesen. Da sind ein Haufen
Leute mit Kreuz auf der Hand rumgesprungen, die aber dies sicherlich nur irgendwo schon mal gesehen
haben, die Straight Edge in der heutigen Zeit gar nicht mehr so leben können. Das ist für mich Aushöhlung pur.
a.: Darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten, die standen ja teilweise mit ´nem Bier
in der Hand rum.
b.: Was setzt Du aber dieser Aushöhlung entgegen. Unser Ansatz ist doch, so eine Band wie
BIOHAZARD in solche Zusammenhänge wie C.I. zu stopfen, wo sie eigentlich hingehören und sich
sozusagen nach unseren Spielregeln richten müssen
c.: Solche Bands gehören da eben nicht rein.
a.: Wo ich noch eine große Gefahr sehe, ist, daß das gesamte politische Spektrum
nach rechts gerückt ist, so daß solche Bands, wie die BÖHSEN ONKELZ auf einmal als die
Guten dastehen und auf Antifa-Konzerten auftreten können. Ich glaube, es ist der falsche Weg alles in die Mitte zu rücken, um damit mehr Kids zu
kriegen.
b.: Inzwischen ist doch die Grauzone auch in der HC-Szene ziemlich verschwommen. Ich bin fü
r eine Grenze, die BIOHAZARD einschließt und die BÖHSEN ONKELZ außen vor lä&
szlig;t. Es gibt einfach eine Grauzone, die du nicht aufgeben kannst. Es gibt z. B. hier in Leipzig eindeutig Belege dafür, daß Leute die Fascho-
Scheiße aufgegeben haben, weil sie mit der Kultur und dem Anspruch des Ladens konfrontiert
wurden. Natürlich werden das keine Linken, aber es hat doch trotzdem Priorität davor unbedingt 100 % HC zu sein.
c.: Aber ich denke, daß die Möglichkeit Leute rauszuziehen nur dann besteht, wenn du
wirklich eine Alternative bist und ich sehe die Gefahr, daß der Laden dies im HC-Bereich nicht
mehr ist. Die ist ja etwas Anderes, wie z. B. beim Hip-Hop. Da ist es nicht schlimm, wenn man bei einem Major-Label unter Vertrag ist. Beim HC war das vor 3
Jahren noch undenkbar, mittlerweile hat sich dies auch geändert.
b.: Für mich ist einfach das Problem, daß die HC-Szene in der Hinterhand ist, daß
sie über alles was an Neuerung und Fortschritt, der ja nicht unbedingt 100 %-ig positiv
sein muß, aber auf keinen Fall negativ besetzt ist, wie z.B. als CD's auf den Markt kommen oder die internen Streitereien wegen der nationalistischen
Vorwürfe gegenüber AGNOSTIC FRONT. So etwas macht die HC-Szene kaputt. Das ist das Problem:
Kannst du mit der Zeit gehen, wird die Szene bestehen bleiben, kannst du es nicht, geht die Szene kaputt.
a.: Ich will aber keine halbe Szene haben, die irgendwo steht, mit der ich mir zusammen MTV
anschauen kann, dann soll es die Szene nicht mehr geben. Wenn ich mir den Stempel aufdrücke eine
alternative Szene mit gewissen Ansprüchen zu sein, dann sollte es auch eine sein. Natürlich ist es hier anders wie z. B. in Amerika. Hier sind die
Bands ja viel stärker politisch beeinflußt, aber das sollte auch so sein. Ich will eine
Szene, die für sich spricht, ihren Ansprüchen gerecht wird und viele leben das.
b.: Meiner Meinung nach kann die HC-Szene mit der Grenzziehung, mit ihren Szenedefinitionen
heute nicht mehr bestehen, weil sie einfach viel zu wenig Spielraum läßt. Auch die
Ausdifferenzierung innerhalb der Szene ist zu engstirnig. Nach meinem Verständnis von HC ist es z. B. kein Problem BIOHAZARD als HC zu bezeichnen. Ich gehe halt in
vielen Sachen vom Hip-Hop-Verständnis aus und denke, daß da viele Sachen passieren, die
viel zeitgemäßer sind. In der Hip-Hop-Szene
haben kommerziell ausgerichtete Acts genauso die Möglichkeit sich mit Hip-Hop zu behaften wie z.
B. ANARCHIST ACADEMY als radikales Gegenbeispiel. Die dissen sich zwar auch untereinander und sagen
"Ihr seid Scheiße", beziehen sich aber immer auf den Respekt, der in den Wurzeln begründet ist und das passiert in der HC-Szene nicht.
c.: Du mußt ja auch sehen, was die Wurzeln vom HC sind und da ist Punk mit seinem
unkommerziellen Ansatz. Das kannst Du nicht einfach aufgeben und bei BIOHAZARD ist das eben nicht mehr
der Fall.
b.: Und da ist doch BIOHAZARD eine Erweiterung des HC, man muß auf die Zeit reagieren,
sonst bleibt man auf der Strecke.
c.: Im HC gibt es doch Veränderungen, die aus der Szene selber kommen.
b.: Aber sind die ausreichend?
c.: Aber das muß doch szeneintern geklärt werden. Die funktioniert über Labels,
Fanzines, also über das Network, was existiert und eben über alternative Läden. Und ich
sehe beim C.I. die Gefahr, daß es sich da rausdrückt. Es steht nicht mehr drin in diesem Zusammenhang und ist damit für HC unrelevant.
a.: Ich glaube, daß der Anspruch des Ladens ein alternativer Laden zu sein, HC mit
einschließt und ein Bestandteil davon ist. Und dieser müßte dann, ich will nicht
sagen korrekt, weil dieser Begriff mißverstanden und überbewertet wurde in letzter Zeit, aber doch irgendwie Korrektheit erfahren. Eine gewisse Vermarktung
z.B. Platten und T-Shirts okay, weil dadurch drückt die ja auch deinen Standpunkt aus, aber wenn
ich mich dann an solche Medien wie MTV verkaufe, da muß ich als Laden schon überlegen, ob ich sowas noch abziehen kann.
c.: BIOHAZARD fehlen ja auch die Wurzeln, die z. B. das C.I. auch hat und die hängen stark
mit HC zusammen.
b.: Der Laden ist nur gewachsen durch die HC-Szene. Das steht unweigerlich fest und dann war
irgendwann die Frage, wohin entwickelt sich der Laden in seiner kulturellen Ausrichtung. Das heißt
also auch, andere Musikrichtungen hier gleichwertig mit reinzubringen. Wenn der Laden alles Umsetzen würde, was Ihr fordert, dann ging dies nicht. Ich
weiß, daß es ein Problem ist, die Transparenz des Ladens aufzuzeigen. Ein Ergebnis dieser
Diskussion ist z. B. der News Flyer. Wenn wir nur noch als Veranstalter auftreten und der Rahmen, in dem das hier alles geschieht nicht mehr nachvollziebar
ist, dann habt Ihr recht, aber es gibt ja die Option von uns, darauf zu achten, daß das was hier
passiert in einem Einklang steht und Inhalte vermittelt werden.
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