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Vom An- und Abschalten
Warum das Conne Island auch bei der Fußball-WM der Frauen daran festhält, keine Deutschlandspiele zu zeigen
Im Conne Island gibt es viele Fans des Fußballs, einige spielen schon immer, manche gehen unregelmäßig in eine Halle mit Kunstrasen, um sich dort auszutoben, andere gucken eher hochklassigeres Gekicke auf dem Flatscreen. Seit 2006 werden zusätzlich Großereignisse wie WM oder EM auf dem Freisitz ins ganz große Licht gerückt. Präsentiert wird hier fast ausschließlich Männersport, Frauenfußball hat auch im Conne Island eher eine Exotenrolle inne. "Wow, die spielt beim Roten Stern" oder "Wirklich, Du hattest schon 2007 Tickets für ein Frauen-Länderspiel" sind gängige Kommentare. Nach der Anfrage durch einige wenige Interessierte hat sich das Conne Island-Plenum recht schnell dafür entschieden, die Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen zu zeigen. Diskutiert wurde dafür um so länger um eine Frage: Mit oder ohne Deutschlandspiele? Die Nationalhype-Schmerzgrenze wird bei einigen PlenumsteilnehmerInnen bereits von Kindern mit schwarz-rot-goldenen Schweißbändern überschritten, andere fühlen sich erst von einem Fahnenmeer auf dem Freisitz gestört.
Da zur Fußball-WM der Männer 2006 auf dem Hof des Conne Island einige Personen ihrem Ärger und verletzten Stolz ob der Niederlage der deutschen gegen die italienische Nationalmannschaft auf sehr unsportliche Weise Luft machen mussten und somit deutlich wurde, dass auch der Eiskeller nicht gegen nationalistische Ausbrüche immun ist, wurde vom Plenum für die darauf folgende Europameisterschaft der Männer beschlossen1, keine Spiele mit Beteiligung der deutschen Mannschaft mehr zu zeigen. So gelang es dann auch, sich zumindest im Eiskeller fast alle ekelhaften Auswüchse des neuen "weltoffenen" Deutschland vom Hals zu halten und auf die diversen anderen Freisitze der Stadt zu verbannen.
An diesem Beschluss wurde bei der WM 20102 und wird auch in diesem Jahr festgehalten, weil die Personen, die überzeugt waren, dass ein ähnliches Ausufern des Deutschland-Taumels wie 2006 bei einer WM der Frauen nicht zu erwarten ist, nicht alle Leute im Plenum überzeugen konnten. Es wurde sich also präventiv gegen ein Experiment mit ungewissem Ausgang entschieden. In Anbetracht der bisherigen Erfolge des deutschen Teams ist abzusehen, dass es vermutlich bis ins Finale präsent sein wird.
Spätestens nach den ersten gewonnen Spielen könnte sich der gewohnte Deutschland-Taumel in all seinem Rassismus und seiner Geschichtsvergessenheit Bahn brechen. Über das Potential einer WM der Frauen, erneute nationalistische Ausfälle der deutschen Mehrheitsgesellschaft hervorzurufen, kann tatsächlich nur spekuliert werden. Anzunehmen, dass sich die Deutschen eine Chance zur enthemmten Vaterlands-Zelebrierung entgehen ließen, nur weil sie sich noch nie vorher für Frauensport interessierten, ist dennoch blauäugig. Selbst der Papst, die Handball-WM oder der Schlager-Grandprix sind wichtig genug, um sich darüber glücklich heulend in den Armen zu liegen. Wer einen Grund sucht, die Heimat abzufeiern, wird ihn auch finden. Und weil auch der Tatort eine Folge der nahenden WM widmet, weiß jetzt endlich auch das deutsche Hinterland über das nahende Event bescheid. Zur angemessenen Einstimmung auf das Wir-Gefühl kursieren bereits einige Hymnen, die nicht mit Textpassagen wie "schwarz, rot, gold", "unser Land" oder "stolz auf Deutschland" geizen und reichlich Öl ins nationale Feuer gießen.
Im Conne Island gilt weiterhin: Fußball statt Deutschland!
Conne Island-Plenum, 20.06.2011
Anmerkungen
1 Text zur EM 2008: http://www.conne-island.de/nf/fussball_em.html
2 Text zur WM 2010: http://www.conne-island.de/nf/177/3.html
Siehe auch: http://www.conne-island.de/news/92.html (Termine der Spiele, die auf dem Conne Island-Freisitz gezeigt werden)