16.06.2022
Jahresbericht 2021
Tätigkeitsbericht
2021 war für das soziokulturelle Zentrum Conne
Island ein Jahr zwischen aufregender Initiative und lähmendem Stillstand
wie kaum ein anderes zuvor. Auf der einen Seite gab es das 30. Jubiläum
des Conne Island zu feiern. Dies bot Anlass für ein umfangreiches
Buchprojekt, zwei LP-Veröffentlichungen mit internationalen
Künstler:innen, eine innovative Veranstaltungsreihe zum Thema Utopien
und vieles mehr. Auf der anderen Seite steckte die Kulturlandschaft nach
wie vor inmitten der Corona-Krise, in deren Folge das Conne Island fast
sechs Monate des Jahres für Nutzer:innen und Besucher:innen geschlossen
bleiben musste.
Auch wenn Routinen im Pandemie-Alltag entstanden sind, war die
Tätigkeit des Vereins im vergangenen Jahr dauerhaft von Belastung und
Anspannung durch die geltenden Beschränkungen geprägt. Mangelnde soziale
Interaktion, finanzielle Unsicherheit durch ausgefallene
Veranstaltungen, psychische Belastungen der haupt- und ehrenamtlichen
Mitarbeiter:innen sowie fehlende Perspektiven für alle Bereiche bildeten
die problematische Grundlage der eigenen Arbeit. Symptomatisch stehen
dabei die vielen Stellenwechsel im Hauptamt sowie der Rückgang an
ehrenamtlichem Engagement. Unter Berücksichtigung dieser
herausfordernden Bedingungen lässt sich das Jahr 2021 dennoch als ein
durchaus erfolgreiches beschreiben, wenn auch einige Projekte und
Vorhaben nicht umgesetzt werden konnten.
Die Vereinsarbeit fokussierte im vergangenen Jahr stärker auf Formate
der politischen und kulturellen Bildung bzw. kostenlosen Veranstaltungen
um Bereich Sport, Kunst und Technik. Konzert- und Klubveranstaltungen im
Bereich der Jugend- , Pop- und Subkulturen machten dennoch einen
Großteil des Veranstaltungsprogramms aus. Im Vergleich zu den Vorjahren
wurden verstärkt junge Künstler:innen mit einem „frischeren Sound”
gebucht. Nicht zuletzt spiegelt sich darin auch ein Generationenwechsel
im Conne Island wider, welcher sich in den vergangenen Jahren nicht nur
im Booking vollzogen hat. Dieser Wandel, auf personeller wir auf
inhaltlicher Ebene, zeichnet das Conne Island seit vielen Jahren aus und
sorgt dafür, dass die Angebote und Veranstaltungen an der Zeit und an
den Zielgruppen bleiben. Dennoch wurde er durch die Pandemie-Situation
merklich beschleunigt. Spürbar wurde dies etwa bei neu zu
strukturierenden Arbeitsabläufen oder jahrelang geltende Standards,
welche neu verhandelt werden mussten. Der wichtigste Grundsatz der
Vereinsarbeit war nach wie vor die niedrigschwellige
Partizipationsmöglichkeit für alle Interessierten. Der Prozess der
kollektiven Entscheidungen musste im vergangenen Jahr für die meiste
Zeit in Onlinekonferenzen verlagert werden. Diese „Basisdemokratie am
Bildschirm” stellte den Verein vor große Herausforderungen und hat in
der Tendenz leider zu einem rückläufigen Engagement geführt.
Kultur – Viel mehr als
Klub und Konzerte
Die Koburger Straße 3 ist nach wie vor ein wichtiger Treffpunkt für
Menschen verschiedener Altersgruppen und ein zentraler Anlaufpunkt für
kulturell und politisch interessierte aus Leipzig und darüber hinaus.
Neben den diversen Veranstaltungen vor Ort wurde dies im vergangenen
Jahr durch außergewöhnliche Formate deutlich. Mit zwei Sampler Projekten
– der Benefiz Doppel-LP „Strength thru Unity” und der Dreifach-LP „30
YRS” zum 30. Jubiläum des des Conne Island – konnten Bands und
Künstler:innen dem Publikum „direkt nach Hause” gebracht werden. Die
große Bereitschaft der Künstler:innen, ihre Songs dem Conne Island zur
Verfügung zu stellen, belegt, welche enorme Bedeutung das Conne Island
als Live-Spielstätte für junge wie renommierte Bands hat. Die Bandbreite
der vertretenen Genres von Punk, Hardcore und Metal über Hip Hop, Pop
und Indie bis zu Techno und Ambient spiegelt die Facettenvielfalt des
Conne Island sehr gut wieder. Außerdem entstand das viel beachtete Buch
„Auf dem Klo habe ich noch nie einen Schwan gesehen. Erinnerungen aus 30
Jahren Conne Island”, welches die (sub-)kulturelle sowie die politische
Bedeutung des Ortes beschreibt. Die bundesweiten Rezensionen und
Reaktionen auf das Buch haben einmal mehr die überregionale Bekanntheit
des Conne Island verdeutlicht.
2021 begrenzte sich der Zeitraum, in dem Präsenz-Veranstaltungen in
eingeschränktem Maß möglich waren, auf Mitte Mai bis Anfang November.
Das entspricht etwas weniger als der Hälfte des Jahres und einem
kürzeren Zeitraum als im ersten Pandemie-Jahr 2020. Insgesamt fanden im
letzten Jahr 177 Veranstaltungen statt, darunter fielen Konzerte,
Klubveranstaltungen, Lesungen, Kinovorstellungen, Workshops, Seminare,
Kongresse, Diskussions-, Informations- und Sportveranstaltungen. Davon
waren 27 Veranstaltungen online, welche fast ausschließlich in der
ersten Jahreshälfte stattfanden. Im erneuten (Kultur-)Lockdown ab
November 2021 ließen sich kaum noch Künstler:innen oder Referent:innen
für digitale Formate begeistern. Außerdem mussten 55 Veranstaltungen,
vor allem Konzerte und Vorträge bzw. Lesungen, ausfallen oder verschoben
werden. Damit entspricht zumindest die Anzahl der geplanten
Veranstaltungen etwa der Anzahl aus den Vorjahren. Unter
Berücksichtigung der Umstände kann sich die Zahl der stattgefundenen
Veranstaltungen sehen lassen. Zu betonen ist, dass die Planung und
Durchführung einer Veranstaltung unter den sich häufig ändernden
Hygienebedingungen deutlichen Mehraufwand bedeutete. Dazu kommt die
Unsicherheit der Witterungsbedingungen für die vielen ins Freie
verlegten Veranstaltungen und der sensible Umgang mit dem
Sicherheitsgefühl der Gäste und Mitarbeiter:innen.
Als größtes Highlight im Bereich der experimentellen Musik in 2021
ist die TWO PLAY TO PLAY – ein Kooperationsprojekt zwischen dem
Gewandhaus Leipzig und dem Conne Island – zu erwähnen. Bereits Ende 2020
haben sich die Künstler:innen Kiki Hitomi, Volker Hemken und Disrupt in
ersten Arbeitstreffen kennengelernt um gemeinsam ein Werk zwischen
klassischer und elektronischer Musik entwickelt. Das Projekt versteht
sich als ein Ort für Experimente, Gespräche, Proben und neue Blickwinkel
und mündete nach drei öffentlichen Proben in einer Uraufführung am
28.05.21 im Conne Island. Leider mussten fast alle Veranstaltungen des
Projektes online stattfinden, nur die Aufführung konnte im Juli im
Gewandhaus vor Publikum nachgeholt werden.
Als zweites außergewöhnliches Veranstaltungsformat wurde im Mai das
CONNE E-LAND vorgestellt. Ein digitaler Raum, in dem die Gäste als
Avatare das digital nachgebaute Conne Island erkunden konnten und dabei
mit fremden oder befreundeten Menschen videochatten oder per Livestream
DJ´s und Bands anschauen konnten. Dies war ein weiterer Versuch,
Klubkultur auch unter Pandemie-Bedingungen erlebbar zu machen. Als
bereits etabliertes digitales Format ging der CONNE ISO STREAM bis Juni
2021 in seine 22. Auflage. Bereits im Vorjahr gestartet, präsentierte
die ehrenamtliche Crew die musikalische Vielfältigkeit des Conne Island
im Flair des ehrwürdigen Veranstaltungssaals. Zweiwöchentlich bekamen
Leipziger Künstler:innen die Möglichkeit, sich und ihre Musik zu
präsentieren. Außerdem wurde regelmäßig ein Spendenaufruf gestartet, um
die Arbeit von durch die Pandemie betroffenen Initiativen oder Vereinen
zu unterstützen.
Analog losgehen konnte es 2021 erst im Frühsommer und dann wie im
vorherigen Jahr verstärkt mit Open Air Veranstaltungen auf dem
Freigelände des Conne Island. Aufgrund der Reisebeschränkungen und der
verringerten Kapazitäten konnte jedoch nicht auf das ursprünglich
geplante Booking zurückgegriffen werden. Fast alle Auftritte von
internationalen Künstler:innen mussten um ein weiteres Jahr verschoben
werden. Mit SOPHIA KENNEDY, AKNE KID JOE, LEBANON HANOVER, MAULGRUPPE
und ILGEN NUR konnten ein paar musikalische Highlights zwischen Punk,
Pop und Wave gesetzt werden.
Die größte und aufwendigste Veranstaltung im letzten Jahr war der
dreitägige ELECTRIC WEEKENDER im August. Zum größten Teil fand dieser
auf der neu eingerichteten Open Air Fläche statt und machte musikalisch
wie ästhetisch deutlich, dass das Conne Island weiterhin zu den
bedeutendsten Orten für elektronische Musik in Leipzig zählt. Für alle
Engagierten war dieses Wochenende ein großer Motivationsschub, auch
unter widrigen Bedingungen liebevolle und ansprechende Veranstaltungen
zu organisieren.
Den quantitativ größten Anteil der Veranstaltungen in 2021 bildeten
Lesungen, Vorträge, Seminare, Filmvorführungen und Diskussionen zu
historischen, politischen oder gesellschaftlichen Themen. Auch in diesem
Bereich mussten zahlreiche Veranstaltungen ausfallen oder verschoben
werden, da es den Autor:innen und Referent:innen nicht möglich war nach
Leipzig zu reisen. Die folgenden Beispiele spiegeln ein Querschnitt der
stattgefundenen Veranstaltungen wider.
Als gemeinsame Jubiläumsveranstaltung wurde im August auf dem
Freisitz des Conne Island 25 Jahre
Verbrecher Verlag und 30
Jahre Conne Island gefeiert. Die beiden Verleger:innen Kristine Listau
und Jörg Sundermeyer gaben im Gespräch einen Einblick in die Welt der
Verlagsarbeit und reflektierten über die eigene Verlagsgeschichte.
Anschließend lasen Esther Becker aus „Wie die Gorillas” und Jovana
Reisinger aus „Spitzenreiterinnen”, den Neuerscheinungen der beiden
Autorinnen. Bereits im Juli stellte Dimitrij Kapitelman an selber Stelle
seinen neuen Roman „Eine Formalie in Kiew” vor und wurde auf einer
liebevoll geschmückten Bühne empfangen.
Gemeinsam mit der
Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig
wurde die Übersetzung von „Dem Tod davon gelaufen. Wie neun junge Frauen
dem Konzentrationslager entkamen” im Oktober vorgestellt. Die
abenteuerliche Geschichte der gelungenen Flucht vor den Nazis schrieb
Suzanne Maudet bereits 1945/46 auf, wiederentdeckt und übersetzt wurde
sie jedoch erst vor wenigen Jahren von Ingrid Scherf, welche das Buch
vorstellte.
Als viertes Beispiel sollen zwei Veranstaltungen im Vorfeld des 10.
Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU erwähnt werden. Zum einen war
dies ein Gespräch mir Caro Keller über die Arbeit von
NSU-Watch, deren Dokumentation „Aufklären und Einmischen” sowie
die gesellschaftlichen Bedingungen, welche den NSU hervorgebracht haben.
Zum anderen war dies ein Vortrag von Hannah Zimmermann zu
genderspezifischen Aspekten des NSU-Komplex. Beide Veranstaltungen waren
Teil des Rahmenprogramms der Demonstration „gestern heute morgen”
anlässlich des genanten Jahrestages am 06.11.2021 in Zwickau.
In enger Zusammenarbeit mit der
Cinémathèque Leipzig fand
auch 2021 das
2cl Sommerkino statt. Das Kino im Freien erfreute
sich nach wie vor großer Beliebtheit, so waren ein großer Teil der 29
Vorführungen restlos besetzt. Mit Beiträgen zur
Jüdischen
Woche, dem Film SCHNEE VON GESTERN und zum
GEGENkino, mit
HAM ON RYE konnten auch inhaltliche Akzent gesetzt werden.
Das breite, wenn auch eingeschränkte Gesamtprogramm 2021 ließ sich
nur durch eine Vielzahl von Kooperationspartner:innen wie Verlagen,
Vereinen, Stiftungen, Agenturen, Klub- und Kultureinrichtungen sowie
engagierten Crews und Einzelpersonen realisieren.
Projekte und Angebote
Die offenen Angebote der politischen und kulturellen Bildung für
Kinder, Jugendliche und Erwachsene waren auch 2021 fester Bestandteil
der Arbeit des Conne Island. Das waren der Dj-Proberaum, der Infoladen
(Bibliothek und Archiv) mit Seminarräumen, der Skatepark, die
Graffitifame sowie diverse andere Sport- und Freizeitangebote. Diese
Angebote wie auch alle anderen Projekte waren stark von den
Corona-Schutzmaßnahmen betroffen. Durch die sich häufig ändernden
Regelungen und Beschränkungen musste der Zugang zu den Angeboten und
Projekten immer wieder neu angepasst und kommuniziert werden. Außerdem
mussten viele Termine verschoben und neu geplant werden.
Wie bereits im vergangenen Jahr kamen überdurchschnittlich viele
Nutzungsanfragen für alle Räume des Conne Island als Folge der
Pandemie-Situation. Es bestand nach wie vor ein Mangel an großen
Räumlichkeiten, in denen sich Menschen unter Hygiene- und
Abstandsregelungen treffen können. So gab es diverse Anfragen für Band-
und Theaterproben, Tagungen, Seminare und Plena. Auch wenn es nicht
möglich war, allen Anfragen gerecht zu werden, konnten doch einigen
Initiativen und Institutionen die Räume zur Verfügung gestellt werden.
Es nutzen unter anderem die* Rosa-Luxemburg-Stiftung*
Sachsen,
MachtLos e.V. und die feministische
Bibliothek
MONAliesA die Räume des Conne Island für
Versammlungen und Workshops. Mit dem
Tierrechtskongress Anfang
Oktober 2021 wurde von der Gruppe
Vegan in Leipzig ein
dreitägiger Kongress mit Vorträgen, Workshops, Filmvorführung und
abschließender Party auf die Beine gestellt. Ein für die Gruppe
erstmaliges Projekt, welches dank der guten Infrastruktur vor Ort und
vielen Erfahrungen der Mitarbeiter:innen des Conne Island zu einem
rundum erfolgreichen Projekt wurde. Die Gegebenheiten des Conne Island
ermöglichten auch Non-Profit-Initiativen umfangreiche Veranstaltungen
auf einem hohen technischen Standard. Nicht selten entstanden aus diesen
Nutzungen zukünftige Kooperationen, von denen das Conne Island auch
profitieren kann.
Aus den Erfahrungen des Vorjahres konnten 2021 die Überschneidung der
vielfältigen Nutzung des Conne Island Freigeländes deutlich besser
koordiniert werden. Mit Sommerkino, Skatepark, Biergarten, Open Air
Seminarfläche und Kultur- bzw. Bildungsveranstaltungen war das
Freigelände dicht genutzt, durch bessere Kommunikation und Planung
konnten alle Nutzer:innen nahezu konfliktfrei ihren Interessen nach
gehen.
Die kostenlosen Angebote und Veranstaltungen ermöglichten auch
Jugendlichen und Erwachsenen mit geringen finanziellen Mitteln die
Teilhabe an Kultur, Bildung, sportlicher Betätigung sowie
gesellschaftlichem Diskurs. Außerdem dienten sie als Türöffner für die
Partizipation an den bereitgestellten Strukturen und als Anstoß für die
individuelle Entfaltung und Verwirklichung. Auch unter den widrigen
Bedingungen des vergangenen Jahres war es den Betreiber:innen des Conne
Island wichtig, diese Angebote zu machen und Menschen einen Einstieg in
ihr politisches oder kulturelles Engagement zu bieten.
30 Jahre Conne Island
Für das 30. Jubiläum des eigenen Hauses wurden bereits mit langem
Vorlauf verschiedene Projekte und Veranstaltungen geplant. Da schon vor
Beginn des Jahres absehbar war, dass Konzerte und Klubveranstaltungen
nicht in dem Maße möglich sein würden, wie sie dem Anlass angemessen
wären, wurden andere Formate und Projekte verfolgt. Entstanden ist zum
einen der umfangreiche „30YRS CI” Sampler mit 39 Stücken verschiedenster
Künstler:innen. Neben bekannten Bands wie TOCOTRONIC, PARKWAY DRIVE oder
den TOTEN HOSEN finden sich auf den drei Platten auch viele lokale
Künstler:innen. Musikalisch bildet der Sampler das breite Spektrum aus
30 Jahren Conne Island ab und enthält ein dickes Booklet mit vielen
persönlichen Bezügen zwischen Bands und dem Conne Island.
Zum anderen entstand mit „Auf dem Klo habe ich noch nie einen Schwan
gesehen. Erzählungen aus 30 Jahren Conne Island” ein Jubiläumsbuch,
welches persönliche und biografische Erzählungen von aktiven und
ehemaligen Protagonist:innen aus den letzten drei Jahrzehnten
enthält.
Als drittes großes Projekt fand die Veranstaltungsreihe „Vom Anderen.
Zur Möglichkeit und Unmöglichkeit von Utopien im 21. Jahrhundert” statt.
Das eigene Jubiläum wurde dabei zum Anlass genommen, utopisches Denken
in den Fokus des eigenen Alltags zu stellen. Mit einer Kunstausstellung,
einem Science-Fiction Sleepover, interaktiven Vorträgen und Workshops
sowie einer großen feministischen Gala waren alle sieben Veranstaltungen
der Reihe etwas Einzigartiges.
Leider konnte aufgrund der Pandemie-Situation nur im kleinen Rahmen
gefeiert werden. Mit einem Sommerfest auf dem Freigelände konnte
zumindest für die ehrenamtliche und hauptamtliche Crew des Hauses ein
festlicher Anlass geschaffen werden.
SK8 Island
Der aufwendige Umbau des Skateparks zu einer Beton-Bowl erweist sich
weiterhin als großer Erfolg. Der große Zuspruch aus der Leipziger
Skateszene hält ungebrochen an. Organisiert wird der Skatebetrieb samt
Werkstatt, Musik- und Lichtanlage sowie Workshops und Baueinsätzen von
einer Crew aus aktiven Skater:innen auf ehrenamtlicher Basis. Diese Crew
war auch im vergangenen Jahr trotz Einschränkungen aktiv und hielt den
Skatepark baulich in Stand. Außerdem wurden Teile des Parks erweitert
und mobile Skate-Elemente gebaut, um auch außerhalb der großen
Beton-Bowl Tricks üben zu können. Durch des Ehrenamtsförderprogramm der
Sächsischen Aufbaubank (SAB) erfuhr das umfangreiche Engagement
der aktiven Skater:innen in 2021 eine kleine Wertschätzung.
Flying
Wheels – Girls Empowerment & Wheelchair Skating
Dank der Projektförderung des
Amt für Jugend und Familie
konnte auch 2021 ein umfangreiches Workshop-Programm für Kinder und
Jugendliche in den Sommermonaten realisiert werden. Als erster Teil des
Projekts fand am 31.07.2021 der Wheelchairskating-Workshop mit Lisa
Schmidt und David Lebuser, dem ersten professionellen Chairskater
Deutschlands, statt. Ziel des Workshops war es, Kindern, Jugendlichen
und Erwachsenen, welche im Rollstuhl sitzen, einen Zugang in die
Skateszene sowie in das Conne Island zu eröffnen.
Die Zielgruppe des zweiten Projektteils waren Mädchen und junge
Frauen von 6 bis 27 Jahren. So fanden im Rahmen des Ferienpasses
(Sommerferien 2021) insgesamt neun Skateboard Workshops für die
Altersgruppe 6 bis 12 Jahre statt, sowie im August und September zwei
Workshops für die Altersgruppe 12 bis 27. Die Nachfrage nach
Skateboard-Workshops für Mädchen und Frauen war auch im letzten Jahr
deutlich höher, als das Projekt abdecken konnte. Als dritten Teil konnte
das Projekt im vergangenen Jahr um einen zweitägigen DJ-Workshop ergänzt
werden.
G-Edit DJ-Proberaum
Nach wie vor eines der wichtigsten Projekte des Conne Island ist der
Dj-Proberaum. Ziel war es auch 2021, die Präsentation und Repräsentation
von Künstlerinnen in der regionalen und überregionalen Musik- und
Clubkultur zu stärken. In einem kollegialen und solidarischen Umfeld
wurden die Bedingungen für FLINTA (Frauen, Lesben, Inter, Non-binary,
Trans und Agender) geschaffen, in welchen sie auflegen, Musik-Produktion
und den Umgang im Clubbusiness erlernen konnten. Empowerment und
Nachwuchsförderung von FLINTA sind die großen Ziel des Projektes.
2021 startete ein Mentoring-Programm für Einsteiger:innen. Dabei
haben erfahrene DJ´s und Produzent:innen im Tandem mit neuen,
interessierten Person zusammengearbeitet und ihre Erfahrungen und
Fähigkeiten vermittelt. Klassische Workshops sind ein gutes Mittel, um
Wissen und Fähigkeiten weiterzugeben, jedoch ist der persönliche und
individuelle Austausch noch produktiver. Der Austausch ging dabei über
den Workshop und die gemeinsame Zeit im Proberaum hinaus. Die
Mentor:innen bleiben bei diesem Programm auch über die gemeinsame Zeit
im Proberaum als persönlicher Bezug erhalten. Die Bedeutung des
bescheidenen 10m²-Proberaumes für die Repräsentation von FLINTA auf der
Bühne des Conne Island kann nicht hoch genug bemessen werden.
„Wie der
Mythos nach Connewitz kam. Eine Spurensuche”
In gegenwärtigen Debatten über linke Gewalt wird zur Erklärung häufig
das Bild vom „Mythos Connewitz” bemüht. Nach konservativer Lesart steht
dieser für den Beginn einer Zeit, in der aus der alten Bundesrepublik
stammende Autonome die örtliche Besetzer:innen-Szene zu dominieren
begannen. Dabei wird unterschlagen, wie die fortwährenden Naziangriffe
Anfang der 1990er Jahre bei gleichzeitiger Abwesenheit einer im Umbau
befindlichen Polizei dazu führten, dass sich in der Connewitzer Szene
aus reinem Selbstschutz eine militante Fraktion durchsetzte.
Demgegenüber kommt die (über-)regionale Presse in schöner Regelmäßigkeit
auf den Mythos zu sprechen, der in ihrer Darstellung allein mit der
Entstehung des alternativen Viertels am Ende der DDR gleichgesetzt wird.
Auch die linke Szene tut sich schwer, den „Mythos Connewitz” auf eine
Weise zu hinterfragen, der den Anteil der Legende in dieser historischen
Erzählung offenlegt. An dieser Fragestellung knüpfte das Projekt mit
einer kontroversen Diskussionsveranstaltung sowie einem zweitägigen
Archiv-Workshop im Infoladen des Conne Island an. Der Workshop richtete
sich vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene, welche im Stadtteil
leben oder sich der Szene zugehörig fühlen. Als Grundlage für die
Diskussionsveranstaltung diente der vom
Roten Salon
veröffentlichte Text „The Great Connewitz Swindle. Anmerkungen zu einem
widerständigen Stadtteil.” Gefördert wurde das Projekt im Rahmen des
Themenjahrs „Leipzig – Stadt der sozialen Bewegungen 2021”.
Infoladen –
Bibliothek, Archiv und Kollektiv
Der Infoladen im Conne Island ist eines der bundesweit größten
Archive und Bibliotheken für Bücher, Broschüren, Zeitschriften, Plakate
und Videos von und über soziale, linke und alternative Bewegungen. Neben
den über 7.000 ausleihbaren Bänden sind es die etwa 60 abonnierten
Zeitschriften und die große Fülle an ‘Grauer Literatur’, welche das
Projekt auch in Zeiten der digitalen Verfügbarkeit von Wissen so
wertvoll machen.
Auch 2021 organisierte das ehrenamtliche Betreiber:innenkollektiv
neben dem Alltag (mit Ausleihe, Bestellung und Eingabe der Medien) auch
Lesungen, Seminare und Lesekreise. So luden sie etwa den Verleger Klaus
Bittermann der
Edition Tiamat ein, um mit ihm über seine 40
jährige Verlagsarbeit und die Werke von Hannah Arendt, Wolfgang Pohrt,
Fanny Müller, Harry Rowohlt oder Eike Geisel ins Gespräch zu kommen.
Personalsituation
Die Belastungen durch die langen erzwungenen Schließzeiten, den
fehlenden sozialen Austausch, den Verlust von jeglicher
Planungssicherheit sowie der Wirkung der eigenen Arbeit machte den
festangestellten Mitarbeiter:innen im Verein sehr zu schaffen. Dazu kam
im letzten Jahr noch die finanzielle Unsicherheit, da für alle
festangestellten Mitarbeiter:innen das Jahr 2021 wieder in Kurzarbeit
begann. Insgesamt mussten für vier Monate mit reduzierter Arbeitszeit
und damit reduziertem Lohn umgegangen werden. Auch als Folge dieser
Belastungen entschieden sich mehrere Mitarbeiter:innen, ihre Anstellung
im Conne Island aufzugeben. Insgesamt gab es im letzten Jahr fünf
Stellenwechsel, von denen zwei langfristig geplant waren. Die neuen
Mitarbeiter:innen konnten sich rasch in ihre Aufgaben einfinden, dennoch
mussten Abläufe neu geregelt und viel Zeit in die eigene Organisation
investiert werden.
Die Bedingungen für alle freiberuflichen Mitarbeiter:innen stellte
sich wie bereits 2020 noch prekärer dar. Mit jeder verschobenen oder
ausgefallenen Veranstaltungen fielen ihre Möglichkeiten zu arbeiten weg.
Das betraf vor allem Beschäftigte in der Sound- und Lichttechnik, in der
Gastronomie sowie im Bereich Gästebetreuung/Security. Als Konsequenz aus
dieser Situation waren viele von ihnen gezwungen, sich Jobs oder
Anstellungen in anderen, weniger krisenanfälligen Branchen zu suchen.
Dies hatte wiederum für das Conne Island zur Folge, dass es immer
schwerer wurde Menschen zu finden, welche in den Phasen der
Wiedereröffnung als freiberufliche Mitarbeiter:innen zur Verfügung
standen. Der erneute (Kultur-)Lockdown im November nach einer sehr
kurzen Öffnungsphase verstärkte die beschriebene Dynamik noch einmal.
Der Verlust von erfahrenem Personal ist eine Realität, welche den
Arbeitsalltag weiter belastet.
Es bestanden 2021 im Verein 15 Festanstellungen, davon sechs volle
Stellen, neun Teilzeitstellen sowie zwei FSJ-Kultur-Beschäftigungen.
Außerdem waren 15 Personen auf der Basis eines Minijobs angestellt. Die
Tendenz, Stellen von Vollzeit auf Teilzeitmodell zu überführen, hat sich
auch 2021 fortgesetzt. Für einzelne Arbeitsbereiche war es nicht
möglich, geeignetes Personal zu finden, welches bereit ist in Vollzeit
zu arbeiten. Diese Entwicklung stößt innerhalb des Vereins auf großen
Zuspruch, muss in den nächsten Jahren jedoch mit einem entsprechendem
Lohnniveau untersetzt werden, um zukunftsfähig zu sein.
Ehrenamt im Wandel
Es gab keine Veranstaltung und kein Projekt oder Angebot, welches
2021 ohne ehrenamtliches Engagement stattgefunden hat. Das entspricht
der Normalität in 30 Jahren Conne Island und belegt eindringlich, dass
das Prinzip Partizipation nach wie vor ein erfolgreiches ist. Dennoch
gibt es einen deutlichen Rückgang an ehrenamtlich Engagierten, welcher
durch die Pandemie noch einmal verstärkt wurde. Verantwortung und
Entscheidungen werden immer häufiger von bezahltem Personal übernommen
und die Bedeutung von Ehrenamt im Verein nimmt deutlich ab. Auf diesen
strukturellen Wandel konnte im vergangenen Jahr kaum eingegangen
werden.
Finanzierung
Die Haushaltsplanung für das Jahr 2021 war eine echte
Herausforderung. Auch wenn die Erfahrungen aus dem Vorjahr nützlich
waren um die Pandemie-Situation besser einzuschätzen, bestand so gut wie
keine Planungssicherheit für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Stabilität und ein gewisses Maß an Sicherheit, ohne die der Verein die
Krise im vergangenen Jahr nicht überstanden hätte, verschaffte die
institutionelle Förderung durch das Leipziger Kulturamt. Sie allein
hätte den Verein jedoch nicht durch das zweite Krisenjahr gebracht.
Zusätzlich wurden verschiedene Hilfen und Förderungen beantragt sowie
Spenden eingeworben. Als drittes halfen die vor der Pandemie gebildeten
Rücklagen über das Jahr 2021. Bedauerlich ist, dass so die geplanten
Projekte auf absehbare Zeit nicht finanzierbar sind.
Als größte Posten neben den Einnahmen aus dem wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb und der Institutionellen Förderung sind die Hilfen der
SAB,
Härtefälle Kultur und das
Kurzarbeitergeld (KUG)
zu erwähnen. Außerdem konnte der Anteil an Drittmitteln im Vergleich zu
den Vorjahren deutlich erhöht werden. Mit etwa 80.000,00€ entsprechen
sie etwa 10% der Gesamteinnahmen. Den größten Posten nimmt dabei die
Förderung des
Bundesprogramms NEUSTART KULTUR (Musikclubs) ein.
Neben privaten Spenden und Beiträgen der Fördermitgliedschaften sind
noch die Erlöse aus dem Benefiz-Sampler „Strength thru Unity”
hervorzuheben.
Die finanzielle Situation war das gesamte Jahr über sehr angespannt
und bestimmte zu einem erheblichen Teil auch die Entscheidungen über das
kulturelle Programm. „Liebhaber:innenkonzerte” oder experimentelle
Künstler:innen ließen sich nur mit einer Querfinanzierung umsetzen, um
keine weiteren Löcher in den Haushalt zu reißen.
Renovierung, Bau und
Barrierefreiheit
2021 konnten keine größeren Bau- oder Renovierungsmaßnahmen umgesetzt
werden. Die ursprünglich geplante Instandsetzung des „Klubs”, ein
kleines Seitengebäude, welches aktuell nur als behelfsmäßiges Lager
dient, sowie das bereits geplante und entworfene Eingangsschild an der
Zufahrt konnten wegen der aufgebrauchten Rücklagen nicht finanziert
werden.
Umgesetzt wurde die Erschließung der neuen Open-Air
Veranstaltungsfläche. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass der zentral
gelegene Freisitz mit zu vielen Nutzungen überlagert ist und es einer
Umgestaltung für Veranstaltungen bedarf. Dank viel Eigenleistung war es
möglich, die neue Fläche zum ELECTRIC WEEKENDER im August 2021
einzuweihen. Die hinter dem Skatebowl liegende Fläche eignet sich auch
aus Sicht des Schallschutzes deutlich besser für Veranstaltungen als der
vorher genutzte Freisitz. Für die kommende Jahre sind eine fest
installierte Bühne sowie Sitztribünen für diese Fläche geplant.
Eine Reihe von anderen Baumaßnahmen sind bereits in der Planung mit
dem Kulturamt, konnten jedoch 2021 nicht umgesetzt werden. Dazu zählt
die Asphaltierung der Zufahrt zum Skatebowl. Mit ihr wird das lange
angestrebte Ziel umgesetzt, den Skatebowl für Wheelchairskating besser
zugänglich zu machen. Ebenfalls noch in der Planung befindet sich die
Neugestaltung des Spielplatzes sowie die Umrüstung der Schließanlage auf
ein elektronisches System.
Perspektive
Ein wenig Hoffnung für das kommende Jahr geben die geplanten und
teilweise schon gestarteten Projekte und die Möglichkeit seit März 2022
wieder Konzerte und Klubabende veranstalten zu können. Auch die
Reaktionen von Nutzer:innen und Gästen sowie Mitarbeiter:innen sind
deutlich positiver als im Frühjahr 2021.
Für das kommende Jahr stehen gleich mehrere große Projekte in den
Startlöchern, welche auch auf die Fragen und Herausforderungen der
letzten Jahre reagieren. Mit einem durch den
Fonds Soziokultur
geförderten Projekt zur Profilentwicklung des Conne Island wird 2022 zur
Rolle des Ehrenamts und den daraus entstehenden Fragen an das
Selbstverständnis gearbeitet. Außerdem gibt es die Zusage für zwei
Projekte aus der Bundesförderung
NEUSTART KULTUR. Zum einen ist
dies ein Digitalisierungsprojekt des Infoladens und zum zweiten eine
Förderung für Konzerte junger und innovativer Künstler:innen. Damit
einher geht auch die dringend nötige Steigerung der Drittmittel, um
Projekte und Veranstaltungen unabhängiger von der Finanzierung durch
eigene Mittel zu machen.
Vorerst bleiben wird die Unsicherheit, ob es zu erneuten
Einschränkungen durch die Corona-Pandemie kommen wird. Außerdem müssen
die gravierenden Folgen der letzten beiden Jahre weiter aufgefangen
werden. Neben einer finanziellen Konsolidierung muss das neu
zusammengestellte Team weiter zusammenwachsen und eine Antwort auf den
Mangel an erfahrenem Personal in der Technik, Gastronomie und am Einlass
gefunden werden.
Projekt Verein e.V.
April 2022