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30.08.2021

Seminarreihe "Kritik und Eigensinn"

Eigensinn und Kritik. Seminarreihe zum ungelebten Leben

„Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt.“ Und es geht immer weiter: „Das Existieren im Spätkapitalismus ist ein dauernder Initiationsritus. Jeder muß zeigen, daß er sich ohne Rest mit der Macht identifiziert, von der er geschlagen wird.“ (Horkheimer & Adorno „Dialektik der Aufklärung“)

„So nicht“: In einer Seminarreihe werden wir diskutieren, wie Eigensinn und Kritik ausgetrieben werden – auf allen Ebenen, mit allen Mitteln.

Das eigensinnige Kind. Tagesseminar am 18.9.2021

"Es war einmal ein Kind, das war immer eigensinnig und that nicht, was seine Mutter von ihm haben wollte ..." So beginnt das kürzeste Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm. Es ist zugleich eines der schrecklichsten. Denn es handelt nicht davon, wie ein Unglücklicher, eine Zurückgesetzte gegen alle Widerstände ihr Glück machen, in die Welt ziehen, den Prinzen oder die Prinzessin kriegen, reich werden und bis heute glücklich leben, wenn sie nicht gestorben sind. Niemand zieht hier aus und kriegt irgendwas. Das Kind wird begraben und mit ihm sein Eigensinn. Ende der Geschichte. Oder? 

Ausgehend von diesem Märchen möchten Wolfram Ette und Karin Nungeßer gemeinsam mit Euch/Ihnen erkunden, was Eigensinn ist und welche Konsequenzen es hat, wenn er gebrochen wird. Das kann in vielerlei Weisen geschehen: von der Vernachlässigung elementarer Bedürfnisse nach Nähe und Gesehenwerden über brutale Gewalt oder ein System der Überwachung bis zum Missbrauch, der vorgibt, den wahren Bedürfnissen des Kindes zu entsprechen. Leitend in alldem ist für uns der Gedanke: Das eigensinnige Kind ist bis heute nicht gestorben; in vielen Rollen, Verkleidungen, Rüstungen lebt es unter uns weiter und prägt die Gesellschaft, in der wir leben. 

Wolfram Ette ist Literaturwissenschaftler und Publizist. Zuletzt: "Das eigensinnige Kind. Über unterdrückten Widerstand und die Formen ungelebten Lebens – ein gesellschaftspolitischer Essay" (2019); "Der Ausnahmezustand ist der Normalzustand, nur wahrer. Texte zu Corona" (2021, zusammen mit Anne D. Peiter).

Karin Nungeßer ist Literatur- und Theaterwissenschaftlerin und lebt als Lektorin, Journalistin und freie Redakteurin in Berlin und Brandenburg.

Teilnahme ist aufgrund der aktuellen Lage nur in begrenzter Zahl möglich, Anmeldungen für die Veranstaltung über die E-Mail-Adresse kritikundeigensinn@conne-island.de

Theorie – Krise – Kritik. Kritische Theorie und totale Herrschaft. Tagesseminar am 25.9.2021

In Abgrenzung zur „traditionellen Theorie“ wollte „kritische Theorie“ mehr als nur abbilden, was der Fall ist. Daher war sie negativ auf die bestehende Gesellschaft bezogen und begründet auf dem „Interesse an vernünftigen Zuständen“ (Horkheimer „traditionelle und kritische Theorie“). Durch die eigene Verstrickung wurde Gesellschaftstheorie so zur Gesellschaftskritik, wodurch sich Theorie, als Erkenntnisstruktur, und Kritik, als Prüfen, Unterscheiden, Urteilen, zusammenschließen. Damit stand sie immer auch quer zum Wissenschaftsbetrieb.

Diese bedingte Außenstellung ist seit langem vorbei. Gunnar Hindrichs spricht im Zusammenhang mit der Anerkennungstheorie (Honneth) und der Theorie des kommunikativen Handelns (Habermas) von einer Integration der kritischen Theorie in die Wissenschaften. Darin aber zerfällt die kritische Theorie einerseits in die Kritik der Macht und Lebensformen und die Theorien der Anerkennung, des kommunikativen Handelns und der Stimmgabel-Theorie aus Jena. Kritische Theorie wird so positiv und verkommt zu neuen Formen der traditionellen Theorie und traditioneller Kritik. Mit Hindrichs wollen wir Passagen aus „zur kritischen Theorie“ über das Verhältnis von traditioneller Theorie und kritischer Theorie und das der kritischen Theorie zu „Erlösung“ und „totaler Herrschaft“ diskutieren.

Gunnar Hindrichs lehrt an der philosophischen Fakultät der Universität Basel. Neben Schriften zur Subjektivität und der Musikphilosophie erschien in den letzten Jahren ein Buch von ihm zur „Philosophie der Revolution“; 2020 veröffentlichte er einen Aufsatzband „zur kritischen Theorie“.

Teilnahme ist aufgrund der aktuellen Lage nur in begrenzter Zahl möglich, Anmeldungen für die Veranstaltung über die E-Mail-Adresse kritikundeigensinn@conne-island.de

Theorie als Kritik. Tagesseminar am 23.10.2021

Kritik ist heute gefragt, als kritische Haltung ist sie mehr als erwünscht. Unaufgeregt und konstruktiv, so soll sie sein, die Kritik; als Haltung darf sie ans Revers – in der Akademie in die Vita. Doch lässt sich Kritik von ihrem Gegenstand lösen, sich abseits, getrennt von ihm postulieren und als Haltung anpreisen? Lässt sie sich als Lehre, gar als Klassiker – die „Kritische Theorie“ – lehren?

Wie viel das mit dem „Denken der Kritischen Theorie“ zu tun hat, wollen wir im Rekurs auf Protokolle aus Adorno-Seminaren diskutieren. Dafür sprechen wir mit Dirk Braunstein, der die Seminarprotokolle in den letzten Jahren editiert und selbst Texte zu „Theorie als Kritik“ geschrieben hat.

Dirk Braunstein ist Mitarbeiter des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt und Publizist. Neben Artikeln in Zeitschriften wie Konkret und Jungle World veröffentlichte er in den letzten Jahren den Aufsatzband „Wahrheit und Katastrophe. Texte zu Adorno“. Vor 10 Jahren promovierte er mit einer Arbeit zu „Adornos Kritik der politischen Ökonomie“. 2021 erschienen die von ihm herausgegebenen Seminarprotokolle der Frankfurter Adorno-Seminare.

Teilnahme ist aufgrund der aktuellen Lage nur in begrenzter Zahl möglich, Anmeldungen für die Veranstaltung über die E-Mail-Adresse kritikundeigensinn@conne-island.de

30.08.2021
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