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Presserat spricht Missbilligung gegen Leipziger Volkszeitung Online aus
Der Deutsche Presserat hat die voyeuristische Berichterstattung der Leipziger Volkszeitung zur Vergewaltigung bei dem Konzert der Band Hgicht.T am 27.12.2019 missbilligt. Den LVZ-Artikel zum Prozessauftakt hat das Conne Island am 11.09.2020 in einer Stellungnahme kritisiert (https://www.conne-island.de/news/231.html). Drei Privatpersonen (aus dem Umfeld des Conne Islands) haben beim Deutschen Presserat Beschwerde eingelegt. Grundsätzlich ist es nur Privatpersonen möglich, diesen Beschwerdeweg beim Presserat zu gehen.
Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats ist der Beschwerde nachgegangen und hat diese überprüft. Dazu wurde auch die Chefredaktion der LVZ befragt, welche die Beschwerde zunächst zurückwies. Die Chefredaktion stufte die Berichterstattung als presseethisch richtig ein, gab aber an, eine der Passagen, die auch Gegenstand der Beschwerde sind, nach der Veröffentlichung noch einmal gekürzt zu haben.
Der Beschwerdeausschuss hat einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Ziffer 11 des Pressekodex festgestellt, da über die Betroffene in einer über das öffentliche Informationsinteresse hinausgehende Art und Weise berichtet wurde und erkennt eine unangemessene, sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid an. Der Ausschuss sprach eine Missbilligung aus und empfahl der LVZ, diese entsprechend des § 15 der Beschwerdeordnung abzudrucken.
Das Beispiel zeigt, dass eine Beschwerde beim Presserat die verantwortlichen Personen in die Pflicht nehmen kann, ihre Berichterstattung zu rechtfertigen, beziehungsweise zu hinterfragen. Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass durch vermehrte Berichterstattung die Häufigkeit von sexualisierter Gewalt an Frauen sichtbar wird. Die Berichterstattung muss aber sensibel, anonymisiert und ohne die unnötige Verherrlichung von Gewalt und Leid erfolgen, um die betroffenen Personen nicht noch zusätzlich zu belasten. Wenn über Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe mehr als nur die notwendigen Informationen und Sachlichkeit hinaus berichtet werden, liegt der Fokus nicht auf der Sanktionierung und Verhinderung weiterer Übergriffe, stattdessen werden gesellschaftliche Strukturen und Mythen der Ursächlichkeit von Gewalt gegen Frauen reproduziert.
Es gilt auch allgemein, die oft stereotypen, klischeehaften und schablonenartigen, längst
überholten Narrative in der Berichterstattung zu erkennen, auf sie aufmerksam zu machen, einen Reflektionsprozess anzuregen und ein diskursives Umdenken einzuleiten. Zu oft werden in der Berichterstattung — beispielsweise zum Femizid im Leipziger Auwald im April 2020 — Schwerpunkte gesetzt, die das Problem der strukturellen Gewalt an Frauen in den Hintergrund treten lassen oder Zusammenhänge konstruiert, welche die Schwere der Tat auf eine vermeintliche Normalität oder gar eine Mitschuld der Frau konstruieren. Wir fordern einen redaktionsinternen Reflexionsprozess für eine Berichterstattung, der die Systematik von Gewalt an Frauen nicht reproduziert.
Wir danken für die Einreichung der Beschwerden und möchten dazu ermutigen, den Schritt im Interesse einer angemessenen qualitativen Berichterstattung immer in Betracht zu ziehen.