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Stellungnahme des Conne Islands zum Übergriff beim HGich.T-Konzert am 27.12.2019
Am 27. Dezember 2019 hat es im Conne Island einen schwerwiegenden sexuellen Übergriff gegeben. Wir beschreiben den Fall im Folgenden relativ konkret, um keinen Raum für Verharmlosungen zu bieten und Spekulationen zu unterbinden.
Beim Konzert des Musik- und Performance-Kollektivs HGich.T hat ein männliches Mitglied der Gruppe eine Besucherin vergewaltigt. Der Vorfall ereignete sich am Ende der Live-Show in einem schlecht einsehbaren Bereich der Bühne. Das Kollektiv hatte die betroffene Frau - wie einige andere Gäste - zuvor spontan in die Performance eingebunden. Im Anschluss drängte sie der Täter[1] zu sexuellen Handlungen. Kurz nach dem Übergriff wandte sich die Frau mit ihren FreundInnen an das Team des Conne Islands. Die Abendverantwortliche entschied gemeinsam mit ihnen und der Security des Ladens, das Konzert abzubrechen, den Saal zu räumen und die Polizei zu rufen. Gegen 2 Uhr nachts war die Kriminalpolizei vor Ort, sicherte Beweise und vernahm die Betroffene, den Täter und die ZeugInnen.
Der Übergriff hat uns erschüttert. Wir sind entsetzt und traurig, dass es dazu gekommen ist und stehen voll und ganz hinter der betroffenen Frau. Nach dem Vorfall haben wir die nächsten geplanten Veranstaltungen im Conne Island abgesagt. Außerdem wurde das Astra-Kulturhaus in Berlin, das das folgende HGich.T-Konzert am 28. Dezember ausgerichtet hat, über die Vergewaltigung informiert. Stattgefunden hat die Show trotzdem. Darüber hinaus haben wir mehrere außerordentliche Treffen einberufen, um darüber zu diskutieren, wie wir mit diesem Fall umgehen. Wir sind im Gespräch mit der Frau und haben ihr unsere Unterstützung zugesagt. Außerdem standen wir in Kontakt zu HGich.T. So gab es Gespräche am Abend selbst, am darauffolgenden Tag und nochmals zwei Tage später per Telefon. Insofern verwundert uns die Stellungnahme der Band, weder die Polizei noch das Conne Island hätten ihnen nähere Informationen zukommen lassen.
Zugleich kritisieren wir den Umgang des KünstlerInnen-Kollektivs mit dem Übergriff. HGich.T erklärten in einem ersten Statement vor ihrem Publikum in Berlin, dass es sich bei dem Täter nicht um einen festen Bestandteil der Band handle, sondern um eine „Person, der wir unser Vertrauen geschenkt haben“. Er tauchte allerdings auf Fotos verschiedener HGich.T-Konzerte auf. Die Bilder wurden nach dem Übergriff aus den Social Media Kanälen gelöscht. Auch uns wurde der Mann als Teil des Kollektivs vorgestellt. Während der kompletten Show war er auf der Bühne präsent. HGich.T teilten außerdem mit, man werde verstärkt darauf achten, dass ein solcher Vorfall nicht mehr geschehen könne und sei sich der eigenen Verantwortung bewusst. Wir meinen: Zur eigenen Verantwortung hätte gehört, mindestens die Show am nächsten Tag abzusagen. Nach einem derartigen Übergriff sofort wieder in den Party-Modus überzugehen und das Statement vor einem teilweise betrunkenen, gröhlenden Publikum vorzutragen, ist in unseren Augen unsensibel und zeugt von einem fehlenden Verständnis für die Tragweite des Geschehens.
Der Fall zeigt aber auch: Eine Szene – und dazu zählt das Conne Island –, die sich selbst als emanzipatorisch und antisexistisch begreift, ist keinesfalls immun gegen (bewusste oder unbewusste) machistische, frauenverachtende oder generell herabsetzende Einstellungen und Verhaltensweisen. Die aktuelle Vergewaltigung und andere Übergriffe im näheren und weiteren Umfeld machen auf drastische Weise deutlich, dass eine Selbstbeschreibung als feministisch mitunter nur als identitätsstiftendes Feigenblatt dient und sich nicht automatisch in ein Handeln übersetzt, das diesem Anspruch auch Rechnung trägt.
Sexuelle Grenzüberschreitungen werden nach wie vor häufig trivialisiert, entschuldigt oder schlimmstenfalls gar als Beweis der eigenen Dominanz gefeiert. Dazu gehört auch, dass die Glaubwürdigkeit der Betroffenen in Zweifel gezogen wird – etwa, weil sie Alkohol getrunken oder nicht resolut genug „Nein“ gesagt hätten oder weil sie in einer bestimmten Weise gekleidet gewesen seien. Viele Betroffene melden sexuelle Übergriffe deshalb erst gar nicht, da Verfahren häufig eingestellt werden und die Gefahr einer Retraumatisierung groß ist. Immerhin: Durch die intensivere Diskussion über Sexismus und die Verschärfung des Sexualstrafrechts trauen sich Betroffene inzwischen mitunter eher, solche Vorfälle anzusprechen. Ihre Position wurde damit gestärkt, das Ausmaß sexueller Gewalt wird sichtbarer.
Für uns bleibt die Frage, wie wir als Jugend- und Kulturzentrum, in dem wöchentlich Hunderte Menschen ein und aus gehen, weiter daran arbeiten können, sexuelle Übergriffe zu verhindern. Wir möchten eine Atmosphäre, in der man achtsam und rücksichtsvoll miteinander umgeht. Dafür wollen wir auch unser Publikum ermutigen Grenzüberschreitungen anzusprechen. Hinweisschilder, ein aufmerksames Team oder regelmäßige Diskussionen helfen allerdings nur bedingt. Wie können also zum Beispiel Partys aussehen, die Lust und Freiheit zelebrieren und trotzdem für alle sicher und angenehm sind? Was können wir tun, um unser Publikum, die KünstlerInnen, die bei uns auftreten, und nicht zuletzt uns selbst weiter zu sensibilisieren? Mit diesen Fragen wird sich das Conne Island auch künftig selbstkritisch beschäftigen.
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[1] Wir verzichten an dieser Stelle bewusst auf den in den Medien üblichen Begriff des „mutmaßlichen Täters“, der normalerweise so lang gebraucht wird, bis ein Tatverdächtiger rechtskräftig verurteilt wurde. Da es aber gerade bei Vergewaltigungen vor Gericht häufig nicht zu einer Verurteilung kommt, werden somit auch die Beschuldigten nicht als das tituliert, was sie sind: Täter. Im konkreten Fall gibt es für uns keinen Anlass, an den Aussagen der Betroffenen zu zweifeln. Wir sind absolut solidarisch mit ihr und stellen uns hinter ihre Darstellung des Ereignisses.