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Wir dokumentieren im Folgenden eine Ankündigung einer Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Schlacht von Stalingrad:
dokumentation, 1.1k

Veranstaltungsankündigung:
"Stalingrad – Der Anfang vom Ende der Barbarei".


Die Veranstaltung schließt sich – anlässlich des 60jährigen Jubiläums des Sieges der Roten Armee über die deutsche Wehrmacht in Stalingrad – an die Festlichkeiten des Bündnisses 31.01.43 zur deutschen Niederlage und der damit beginnenden Niederschlagung des Nationalsozialismus an. Die Veranstaltung wird zum einen die Schlacht um Stalingrad historisch einordnen, indem sie die "historische Mission" (Oberkommando der Wehrmacht) der 6. Armee – den Feldzug gegen den "Bolschewismus" und das "Judentum" – aufgreift und die Frage aufwirft, was die Deutschen überhaupt "nach Stalingrad getrieben hat" (Der Spiegel 51/02).
Dabei wird Kurt Pätzold (Historiker) auf den (Vernichtungs-)Antisemitismus, den "Generalplan Ost" und die Verbrechen der Wehrmacht eingehen und Stalingrad nicht als Tragödie begreifen, sondern die historische Bedeutung als Wendepunkt im 2. Weltkrieges herausarbeiten.
Veranstaltung: Stalingrad - Der Anfang vom Ende der Barbarei, 14.4k
Der Sieg der Roten Armee in Stalingrad war der Beginn der Niederschlagung des Nationalsozialismus und somit alles andere als eine Tragödie, sondern der erste Akt zu deren Beendigung.
Obwohl die Alliierten noch über zwei Jahre brauchen sollten, bis Deutschland endgültig besiegt und damit auch die Mordmaschinerie zum Stillstand gebracht wurde, garantierte der Sieg in Stalingrad für Millionen Menschen das Überleben. Dementsprechend wurde der Sieg der Roten Armee gegen die 6. Armee auch von unzähligen Menschen in den von Deutschen besetzten Gebieten herbeigesehnt, da dieser offensichtlich einen entscheidenden Einfluss auf den weiteren Kriegsverlauf haben würde.
Die Erinnerung an Stalingrad beschäftigt sich hierzulande jedoch weder mit den sowjetischen Opfern der Schlacht, noch mit den Millionen Menschen, die durch die Deutschen bis dato schon vernichtet worden waren und es auch bis zur endgültigen Niederschlagung '45 noch werden sollten. Stattdessen wird den Wehrmachtssoldaten gedacht, die bis zum Zeitpunkt ihrer Kapitulation Teil des deutschen Vernichtungskrieges im Osten waren. Der Funktion dieser spezifisch deutschen Erinnerungskultur wird Joachim Rohloff (Publizist) seine Aufmerksamkeit widmen.
Die Erinnerung an Stalingrad erfolgt seit der Wiedervereinigung und den Auseinandersetzungen Anfang/Mitte der 90er Jahre in einem neuen Kontext – den Normalisierungsbemühungen und der vollständigen Einbindung in die militärische Außenpolitik. Durch die kathartische Wirkung der Wehrmachtsausstellung und den darauf folgenden – mit Auschwitz legitimierten – ersten deutschen Angriffskrieg seit '45 in Jugoslawien muss auch der deutsche Stalingrad-Opferdiskurs im Kontext dieser "neuen deutschen Unbefangenheit" betrachtet werden. Zwar ist der deutsche Opferdiskurs eine Konstante in der Erinnerungskultur seit '45 (Opfer der Versailler Verträge, Opfer der eigenen Führung etc.), allerdings zeigen die aktuellen Beispiele (Günther Grass’ Novelle "Im Krebsgang" über den Untergang des Flüchtlingsschiffes "Wilhelm Gustloff", die Sonderausgabe des Spiegels zur Vertreibung der Deutschen und das Buch von Joerg Friedrich über den alliierten Bombenkrieg), dass Deutschland nicht mehr länger gewillt ist, eine Sonderrolle aufgrund seiner Geschichte einzunehmen. Deutsche Verbrechen werden mittlerweile (noch) als Satzanhängsel in der Kritik an von anderen den Deutschen zugefügten "Verbrechen" genannt. Die Empörung über die Benes- und Bierut-Dekrete entlädt ebenso moralische Verantwortung auf die Opfer des deutschen Ostfeldzuges, wie dies für die Empörung Friedrichs über den alliierten Bombenkrieg gilt, der nicht mehr als kriegsnotwendige und vor allem auch nachvollziehbare Reaktion im Zuge des Krieges auf die deutschen Flächenbombardements auf London und die fast vollständige Vernichtung Coventrys wahrgenommen wird. Gleichzeitig wird "Verantwortung" für die spezifisch deutsche Tat Auschwitz in der Gestalt übernommen, dass selbiges heute in alle Teile der Welt projiziert wird und dann dort mittels deutscher Intervention verhindert werden soll.

Erinnert wird also nicht den Opfern des antisemitischen Vernichtungsprojektes und des barbarischen Vorgehens der deutschen Wehrmacht während ihres Russlandfeldzuges, sondern ebenjenen TäterInnen, denen nicht einmal die Frage zugemutet wird, was sie überhaupt in Stalingrad zu suchen hatten.

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last modified: 28.3.2007