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das Erste, 0.9k

Solidarität ist die Zärtlichkeit
der Völker...


Hannes-Guevara, 10.1k Das Volk keine emanzipatorische Kategorie und die Unterordnung in ein Volk doof ist, sei vorausgesetzt. Also kann es sich bei der völkischen Zärtlichkeit wohl auch nicht um eine zu begrüßende Schmuseeinheit handeln. Erhöhte Vorsicht sei bei jenem linken Wunsch nach Zärtlichkeit also angebracht. Das der Antiimperialismus ein teils berechtigtes Kind seiner Zeit ist, sei unumstritten. Die Hoffnung, dass eine Befreiung von den Kolonialherren eine antikapitalistische sei, war nicht ganz unsinnig. Allerdings sollte jene Hoffnung nun endlich angesichts der geschehenen Entwicklungen begraben werden und der Antiimperialismus endlich seinen Kinderschuhen entwachsen. Was ist denn mit der Selbstbestimmung ehemaliger Kolonien? Pakistan und Indien stehen sich bis auf die Zähne bewaffnet unversöhnlich gegenüber. Einige südamerikanische Länder haben sich zeitweilig zu stabilen kapitalistischen Demokratien mausern können, um jetzt als erste Länder von der weltweiten Rezension kalt erwischt zu werden, afrikanische Länder haben nie den Anschluss an den Weltmarkt geschafft, Hongkong und Singapur haben so viele Knäste wie hohe Bauten, in Indonesien werden Chinesen gejagt und in vielen arabischen Ländern herrschen islamische Gesetzgebungen und verschiedenste Männercliquen. Im Süden also nichts neues, sondern kapitalistisches Elend und faschistische Ausprägungen kapitalistischer Vergesellschaftung.
Nun könnten ein paar besonders schlaue Antiimperialisten behaupten: „Die Länder werden zwar nicht mehr politisch, aber immer noch wirtschaftlich unterdrückt“. Jein. Wie sollte es anders sein in einer weltweiten bürgerlichen Gesellschaft? Der Antiimperialist könnte antworten: „Die Imperialisten sind am Elend Schuld“. Jein. Wenn man nicht mehr von bürgerlichen Subjekten sprechen dürfte, könnte man statt dessen sagen: Es gibt derzeit ca. sechs Milliarden aktive Imperialisten auf der Welt. Alle zusammen bilden die bürgerliche Weltgesellschaft, verfolgen ihre ökonomischen und politischen Interessen im Rahmen bürgerlicher Strickmuster und erwirken damit alle zusammen die Unterdrückung namens „politische Ökonomie“. Wie das Ganze dann funktioniert, kann man meines Erachtens bestens bei Marx und der kritischen Theorie nachlesen. Das Wichtige an der kritischen Theorie ist, dass sie die Erfahrungen aus Auschwitz mit hat einfließen lassen können.
Doch zurück zu den zärtlichen Völkern. Ein gewichtiges Symbol antiimperialistischer Solidarität ist Cuba. Die einzigen Referenzen, die Cuba dabei hat, ist das Embargo der USA und der Begriff Sozialismus, der Cuba anheftet. Alles andere ist Mythos. Fangen wir an beim heroischen Befreiungskampf der Truppen um Fidel und Che. Ende 1956 setzten Fidel und Co. mit rund achtzig Männern nach Kuba über, aber die Landung geriet zum Desaster; kaum ein Dutzend Männer überlebte den Zusammenstoß mit den Batista-Truppen. Und dennoch eroberte Castro nur zwei Jahre später die Macht. Warum? Insgesamt starben 20.000 Cubaner im Kampf gegen die Batista-Truppen. Die Kämpfer um Fidel waren innerhalb dieses Kampfes eine – zugespitzt gesagt – vernachlässigenswerte Größe. Im Chaos des Sieges über Batista ergriffen sie die Gunst der Stunde und ergriffen die Macht und erzählten dann rum, dass man außerhalb der Städte als Guerilla kämpfen müsse (sic!, 19.000 der 20.000 Kämpfer waren in den Städten Cubas gestorben). Der Mythos, den Castro und Guevara mit eigenem Zutun entwickelt hatten, wurde exportiert – mit katastrophalen Folgen. Der sogenannte kubanische Weg wurde in ganz Lateinamerika als einzig gangbare Form des revolutionären Kampfes propagiert. Tausende lateinamerikanische Jugendliche wurden mit dem Versprechen in den tödlichen Kampf geführt, alles, was sie bräuchten, um Regierungen zu stürzen und die soziale Unterdrückung zu beenden, sei Mut und ein paar Gewehre.
O.K., vielleicht hat Fidel dann wenigstens eine gute Politik gemacht. Mal schauen: In seiner ersten Rede nach der Revolution – vom Balkon in Santiago de Cuba – sagte er: „Unsere Revolution ist weder kapitalistisch noch kommunistisch! [...] Unsere Revolution ist nicht rot, sondern olivgrün. Sie trägt die Farbe der Rebellenarmee aus der Sierra Maestra.“ Nun gut, das könnten sozialistische Startschwierigkeiten gewesen sein. Vielleicht sagt Fidel Castro ja mal was Besseres 1963? „Schluss mit den Theoretikern der Revolution! Schluss mit diesen marxistischen Theoretikern! Der Marxist-Leninist, der immerzu Theorien entwickelt, liegt der Gesellschaft nur auf der Tasche.“ Shit. Eventuell finden wir ja in Castros Jugend die Wurzeln des cubanischen Sozialismus. „In eine spanische Landbesitzerfamilie hineingeboren, begann sich Castro als Jesuitenschüler für Politik zu interessieren. Er geriet unter den Einfluß spanischer Priester, die den Franco-Faschismus unterstützten. Er las sämtliche Werke von Jose Antonio Primo de Rivera, dem Gründer der spanischen Falange, und fühlte sich, wie seine damaligen Klassenkameraden bezeugen, stark zum Faschismus hingezogen. In den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren beteiligte sich Castro an den Aktionen bewaffneter Studentengruppen, welche die Universität von Havanna kontrollierten. Die Ideologie dieser Banden war sowohl nationalistisch als auch ausdrücklich antikommunistisch.“ (aus einer Internetbiographie)
Letzter Versuch: Vielleicht hatte Castro ein angenehmes soziales Wirtschaftsprogramm? Als erstes muss gesagt werden, dass Cuba irgendwann dann doch sozialistisch wurde. Die Amis waren sauer wegen der Enteignung amerikanischer Grund- und Fabrikbesitzer und haben schließlich ihr Embargo gestartet. Fidel Castro wollte zwar noch versuchen, die Amis von wirtschaftlicher Zusammenarbeit zu überzeugen, aber die blieben – was sich ziemlich schnell als saudämlich herausstellen sollte – bockig. Die Sowjetunion hat die Gunst der Stunde genutzt und Cuba versprochen, x-millionen Tonnen Zucker jährlich abzukaufen (übrigens zu einem übelst hohen Preis, der den Weltmarktpreis x-fach überstieg). Cuba war ein idealer Ort. Als Waffenstützpunkt direkt neben den USA und als sozialistischer Multiplikator in der Nähe lateinamerikanischer Länderein. Für die sowjetischen Expansionsbestrebungen ein ideales Fleckchen Erde.
Beschauen wir also mal ein Beispiel cubanischer Wirtschaftsgeschichte. Nehmen wir mal die sogenannte „Rectificatión“ unter die Lupe, ein auf Che Guevara zurückgehendes Wirtschaftsprogramm, welches erst 1986 als Alternative zur sowjetischen „Perestroika“ aus den Archiven gekramt wurde. Was beinhaltet die „Rectificatión“? Das kapitalistische Wertgesetz sollte durch die Schaffung eines „neuen Menschen“ („el hombre nuevo“) außer Kraft gesetzt werden. Jener Mensch sollte durch Erziehung und Moral produziert werden. Schlussendlich sollte dabei eine Volkswirtschaft herauskommen, die wie eine einzige Fabrik funktioniert. Nichts neues also auch in Cuba: Schaffung einer durchgeplanten verwalteten Welt, in der mächtig gerackert werden soll. Erfreulich ist es dann zu wissen, dass ein Jahr nach dem Start dieses Wirtschaftsprogramms die Quote „Abwesenheit vom Arbeitsplatz“ um zehn Prozent gestiegen war. Das weckt die Hoffnung, dass auch der cubanische Sozialismus es nicht geschafft hat, jeglichen Rest menschlicher Autonomie durchzustreichen. Nun will dieser Text nicht suggerieren, anstatt einer Planwirtschaft müsse in Cuba freie Marktwirtschaft her. Dieser Text will bloß vor Solidarität mit den Feinden der Emanzipation warnen.
Ein anderer Feind der Emanzipation ist das Regime der Baath-Partei im Irak. Nun sollen gewisse Ähnlichkeiten von Cuba und Irak nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschehnisse im Irak hundertmal schlimmer als in Cuba sind; aber ein paar Vergleiche müssen erlaubt sein. Auch die Baath-Partei hatte zumindest in den Anfängen im Irak (1963) sozialistische Töne angeschlagen. Was sie nicht daran hinderte, Kommunisten und andere Gegner ihrer Ideologie zu Hundertausenden zu eliminieren und zu Millionen zu vertreiben. In Cuba hingegen wurden die Gegner nicht eliminiert, sondern zu Zehntausenden eingesperrt, was dazu führte, dass die Insel, was die Anzahl politischer Gefangener betrifft, lange Zeit an der Spitze der Welt stand. Unter den politischen Gefangenen waren – wen wundert es noch? – auch Tausende Kommunisten. Desweiteren wollten und wollen beide Staaten klassenlose Gesellschaften sein. In Cuba sollen alle zur großen Fabrik („Rectificatión“, s.o.) dazugehören, im Irak gibt es keine sozialen Unterschiede, da alle am gemeinsamen „arabischen Unternehmen“ („Ishtirakija“) teilhaben. Die größte Gemeinsamkeit ist wohl der Antiamerikanismus, der nur wenige rationale Gründe hat (Embargo), aber ideologisch um so gefestigter ist.
Diese Gemeinsamkeiten machen wohl auch verständlich, warum Fidel Castro zuletzt seinem „Bruder“ Saddam Hussein in einer Botschaft seine „Solidarität“ schwur und bekundete, weiterhin „die barbarische Politik der Vereinigten Staaten gegenüber dem befreundeten irakischen Volk“ zu brandmarken.
Hoffentlich ist dem Antiimperialisten klar geworden, dass Solidarität mit Cuba nichts als falsche Freunde beschert. Demjenigen, der in Saddam Hussein weiter den postkolonialen Befreier entdecken will, sei gesagt, dass die Lektüre dieses Heftes ihm keine Freude machen wird.

Hannes

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last modified: 28.3.2007