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Kultur-Report, 1.7k

Die Seiten der Wichtigsten


„Eine horizontale Betrachtung relevanter Musik-Sparten soll hier, getreu der Intention des CEE IEH, eine Zustandsbeschreibung darbieten, wie sie aus dem Spannungsfeld von Populär- und Subkultur ablesbar wird. Der schmale Pfad zwischen Beliebigkeit und introvertiertem Purismus macht dabei nicht in jedem Fall die goldene Mitte aus.“ (CEE IEH #24)





Oi!/PUNK

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Bulle 2, 18.5k

Bulle 3, 18.1k
Beständig und gut! Ich weiß, wie frech das ist, beide Richtungen in einen Topf zu schmeißen. Ich mache es trotzdem und rühre zusätzlich noch kräftig um! Oi! hat sich verändert, viele Bands, die sich noch vor Jahren Oi! groß auf ihre Banner geschrieben haben, nennen ihre Musik jetzt Streetpunk. Vielleicht sind sie jetzt massenkompatibler. Die Oi!-Bands mit politischen Texten haben sich erhalten, auch wenn sich Oi! und Politik immer noch wie Oxymoron anhört (nachschlagen!). Reine Punkermucke gibt es freilich immer noch und wird es auch weiterhin geben. Größerer Beliebtheit erfreuen sich Pönkröckerbands wie The Real McKenzies und Dropkick Murphys, welche schon vor Jahren versucht haben, die Gitarre/Schlagzeug/Bass-Eintönigkeit aufzusprengen.

HIP HOP/R&B/SOUL

Mehr als zehn Jahre nach den ersten nennenswerten Produktionen hierzulande geht es mit Hip Hop immer mehr den Bach herunter. Langweilige Sprüche, eingebettet in wenig neuen Samples, Scratches und Cuts von den nachkommenden jüngeren Acts, die zum größten Teil mit Major-Anbindung daherkommen, präsentieren die Szene. Warum sollen sie sich auch einen Kopf machen? Ein Festival jagt das nächste und man übertrifft sich in Besucherzahlen und Gagen. Dagegen habe ich ja auch nichts einzuwenden, so läuft es halt im Kapitalismus. Eine Subkultur wird von der Industrie aufgesogen, bestimmte Elemente werden übernommen, andere abgestoßen. Von der anfänglich emanzipierten hiesigen Subkultur Hip Hop ist leider nicht mehr viel zu erkennen. Das vor Jahren von einem der führenden Mediensender für nationale Popmusik, VIVA 2, geförderte Konzept der Popmusik-Nationalisierung ist auch im Hip Hop im weitesten Sinne umgesetzt. Und schnell ist Hip Hop auch nicht mehr, oder besser: nur bedingt Sprachrohr der sozial Deklassierten. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die wenigen Heads sich von den durch hiesige Medien erzeugten künstlichen Superstars abwenden und sich wieder Tracks und Acts aus UK, Frankreich und USA zuwenden. Aber es gab auch im letzten Jahr einige positive Lichtblicke, in erster Linie von der alten Schule. Linguisten wie Torch, D-Flame, Jan Delay und Xavier Naidoo beleuchten mit Themen wie „Blauer Samt“, „Brothers Keepers“, „Kanak Attak“ die Szene von einer opportunistischen Seite. Gut, daß es sie noch gibt, die Frage ist nur, wie weit und wie die Raps und Lyrics der Herren Zugang beim jüngeren Publikum finden. Die Entwicklung ist momentan nicht umkehrbar, die Frage ist: Wie lange hält man Stand als Fremder in der eigenen Szene?
Trotz aller Kritik gilt auch hier, wer kämpft, kann verlieren, wer nicht, der hat schon. Und wen das alles nicht interessiert, dem sind im geschichtlichen Zusammenhang mit Hip Hop die letzten R&B- und Soul-Veröffentlichungen an das Herz gelegt. Was in den 70ern und 80ern Veröffentlichungen von Aretha Franklin, Chaka Khan, Sister Sledge und den vielen anderen Motowns und Atlantics war, sind heute die Tunes einer Erykah Badu, Jill Scott, D’Angelo und Angie Stone, achja: und Sade sollte mit genannt werden.

HARDCORE

Wichtige Vertreter der Musikrichtung meinen, Hardcore sei tot. Dies ist nicht so! Hardcore hat sich nur aufs Wesentliche verlagert. Zum einen gibt es massenkompatible Bands wie Sick of it all, bei deren Konzerten Menschen kommen, die von der politischen Seite des HC nie etwas gehört zu haben scheinen. Zum anderen gibt es Bands, welche nur ein ausgewähltes Publikum ansprechen (z.B. 59 Times the Pain). Das es Kampagnen wie „Good night white Pride“ geben muss, zeigt wie weit es schon gekommen ist.

DRUM&BASS/JUNGLE

Viel wurde geredet die letzten Jahre, über Sein oder Nicht-Sein von Drum&Bass. Nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wurde unter anderem auch im Conne Island (siehe auch CEE IEH #78 „Nicht nur auf’m Zettel: The Next Level“). Heute funktionieren die Partys mit lokalen wie weltweiten DJ’s bestens. In London City – Drum&Bass Hit-Schmiede – wird ein neuer wicked Tune nach dem anderen gebastelt. Artists wie Marcus Intalex, DJ Flight, Tee Bee, Kosheen, DJ Marky und alte Protagonisten wie Storm, Doc Scott, Lemon D, usw. sprechen ihre eigene Sprache. Das gute dabei ist, dass trotz des großen Hype in den USA so einige Artists mit ihren Dubplates zu fairen Konditionen nach wir vor den exklusiven Weg in das Conne Island nicht scheuen. Das liegt zum größten Teil daran, dass Leipzig nicht nur nach Einschätzung der zahlreichen Gäste aus dem Mutterland England zu den Breakbeat-Metropolen gehört. Schade ist, dass der alte Oldschool Jungle/Breakbeat-Stuff nur selten den Weg auf die 1210 findet. Infolge dessen, finde ich es nach wie vor gut, wenn, ähnlich wie bei den Friday-Club Veranstaltungen, verschiedene musikalische Genres (Hip Hop/Dancehall) an den Start kommen – somit können über die Veranstaltungen unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden. Dabei geht man einem Schubladendenken aus dem Weg; dieses hat eh noch nie funktioniert. Fazit: Trotz diverser Konflikte in der lokalen Breakbeat-Szene – die nie ausbleiben werden – bleibt zum Thema Drum&Bass nur zu sagen: Weiter so! Wer weitere Infos zum Thema benötigt, der besuche folgende Internet-Seiten: www.breaks.org und www.rollingsounds.de

ROCK’N’ROLL

Die Entwicklung von Musik mit R’n’R-Attitude ging rasend schnell vonstatten. Und da meine ich nicht nur Rockabilly, auch im Psycho ging einiges. Im eigentlichen R’n’R-Geschehen tat sich soviel dagegen nicht. Die Bands, die heute aufspielen, gab es vor Jahren schon, nur dass ihnen heute wesentlich mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Das eigentlich schlimme ist nicht, dass die Musik und der Stil der 50er Jahre neuerdings wieder nachgeahmt werden, sondern dass der Stil beliebig wird. Hier ein Beispiel: Bei H&M kann mensch Collegejacken und Hemden kaufen, die noch vor zwei Jahren die Geheimtips in 2nd-Hand Läden waren. Dieses Populärwerden ist aber nur bei Äußerlichkeiten zu bemerken. Innerhalb der Musikszene kam zu der konstanten R’n’R-Szene Publikum dazu, welches sich zum großen Teil aus Oi!/Punkrock-Kreisen rekrutierte. Psychos haben Flats und das soll auch so bleiben. Im übrigen: Wo kommen die ganzen Nietengürtel her?

CRUST/GRIND

Ich weiss gar nicht, ob es hier überhaupt noch so etwas wie eine Szene gibt, die den Untergang der klassischen AJZs überlebt hätte? Jedenfalls ist das Ganze ohne Relevanz und stört keinen mehr und wird im friedlichen Kommunenleben auch nicht gestört. Einige verschwörungstheoretische Ansätze sind zu erkennen, wenn sich’s in Richtung Kapitalismuskritik bewegt.

NOISEPOP/POP/HAMBURGER SCHULE

Wo ist Hamburg? Vielmehr ist in der Berliner Republik immer mehr von Berlin die Rede – und von Data Pop. Meint einstmals wohl im Norden geprägten Pop aus hiesigem Lande in hiesiger Sprache, plus Hinzunahme diverser elektronischer Klangerzeugnisse, die nun da vor sich hin frickeln. Und der Boom mit der achtziger Revival-Maschine mag wohl erst jetzt wirklich zum Tragen kommen. Außerdem ist eine alte Wiederentdeckung der längst bekannten Indie-Ästhetik in großen Music Companies zu entdecken. Denn mittlerweile ist dem Gelde nichts mehr zu schräg oder gar zu anstrengend, und so kommt es hin und wieder vor, einstige Lieblinge und noch mehr deren Immitatoren im TV bewundern zu dürfen. Beruhigendes findet sich dennoch auf dem FELDe beim BLUMen pflücken – ach ja, da lag ja Hamburg.

FASCHOROCK, „NONKONFORME LIEDERMACHER“

Mehr Marktsegment mit Millionenumsätzen denn Subkultur, an Gefährlichkeit nicht zu unterschätzen, da die hier vermittelten Werte irgendwann in der Mitte der Gesellschaft ankommen werden, aus so gut wie jedem Bonehead wird mal ein Familienvater. Desweiteren spielen Konzerte eine erhebliche Rolle im Zusammenhalt der Szene. Das musikalische und textliche Niveau bewegt sich bei den meisten Interpreten zum Glück auf niedrigstem Niveau. Die Verbindungen in Richtung Neofolk und Metal wurden schon desöfteren aufgezeigt sind aber für Uneingeweihte im einzelnen nicht zu durchschauen.

NU JAZZ/NU SKOOL BREAKS/2 STEP

Zumeist am Housetempo angelehnte, gut tanzbare und teils vertrackte Sparte der Clubmusik. Wer sich jener breakreichen Variante des Plattendrehens verschrieben hat, wird es schwer haben, für die alljährlichen Umzüge und Partys der elektronischen Musik gebucht zu werden. Gerade weil es dem üblichen stumpfen Nightlife-Style Publikum eher schwer fällt dazu zu schwitzen. Somit kann jenen Formen eine gewisse Eigenwilligkeit und Intelligenz durchaus zugesprochen werden – auch wenn sie ohne Zweifel nebst bekannter anderer „electronic listenings“ Einzug in so manch hippe Werbeagenturen gehalten haben. 2 step als Solches erfüllte nie die erhoffte Innovation des „neuen Dings“ und bestätigt sich nur noch aufgrund sehr weniger Ausnahme-Produzenten.

HEAVY/METAL/ROCK

Hier bedarf es, aufgrund der schauerlichen Beständigkeit jener allgemein männlichen und dazu reichlich unurbanen „Szene“, nur der Erwähnung des neuen Begriffes namens NU METAL, der in Gestalt junger hüpfender Typen mit aufgesetzter und gut zu vermarktender Wut im Bauch daherkommt. Limp Bizkit ist mittlerweile jedem Vorschulkind ein Begriff und führt endgültig den wohl nie da gewesenen revolutionären Gestus verzerrter Gitarren ad absurdum. Dies gilt für alle zumeist im Musik-TV entstehenden Auswüchse an Bands, die mit schlecht inszeniertem „Zurück zur handgemachten Musik“ im Meer der Beliebigkeit versinken. Gut gemeinte Versuche bleiben auf der Strecke wie Heavy Metal auf dem Lande.

SKA/NORTHERN SOUL

Ska vermischt sich wieder mehr mit Reggae und Northern Soul wird auch bei sonst tumben Leuten beliebter. Dr. Ring Ding hat ausgedient, nachdem er sich erdreistete mit einer Band, bei der ich mich weigere, ihren Namen zu nennen, „Ring of Fire“ von J. Cash nachzusingen (auch hier weigere ich mich, „covern“ zu schreiben). Ich würde sagen, dass es eine Vielzahl von Bands gibt, die jenseits des 2-tone versuchen, Dinge auszuprobieren.

DARKWAVE/NEOFOLK/INDUSTRIAL/EBM

Diese vier Musikspielarten haben erst einmal nicht viel miteinander zu tun und das sowohl aus der Entstehungsgeschichte als auch aus der Art der Musik an sich. Das Verbindende sind hier die Konsumenten, meist als Grufties bezeichnet, sehr schön zu betrachten beim alljährlichen „Grufttreffen“ in Leipzig. Eine gewisse Weltabgewandheit geht hier mit einer nur esoterisch zu nennenden Sehnsucht nach „mittelalterlichen“ Zeiten, Deutschtümelei (man lese dazu die Ankündigungen einschlägiger Events), diversen Verschwörungstheorien und dem Drang zu provokativem Auftreten eine merkwürdige Allianz ein. Stellenweise Verbindungen, speziell im Neofolk, zu neurechten bis offen nazistischen Kreisen und Gedanken lassen sich ebenso wenig verleugnen wie die Versuche eines Teils der Szene, genau dagegen vorzugehen. Im allgemeinen überwiegt ein sehr unkritischer Umgang mit diversem Runenkasperkram und Esoterika jeglicher Coleur.

REGGAE/DANCEHALL/RAGGA/DUB

Einer der boomenden Jugendkulturen, erfreulicherweise, in enger Verflechtung mit Hip Hop nur noch nicht ganz so mainstreamig. In den letzten Jahren entstanden sowohl lokal als auch überrregional eine grosse Anzahl von Soundsystems und um diese herum eine eigene Szene, die in ihrer Verfasstheit an die Anfänge der HC-Geschichte hierzulande erinnert – mit dem Unterschied, dass der Zugang zum Mainstream schon gegeben ist und eine als politisch zu wertende Aussage meist fehlt, aber bei welcher Subkultur gibt es die schon. Und falls die Aktivisten ihr Geschwätz über „Babylon“ etc. nicht allzu ernst nehmen, gerät wohl der Hip Hop in ernste Gefahr, seine Marktführerschaft in Sachen positiv zu bewertender Jugendkultur zu verlieren. Die Erfolge Gentlemans und Jan Delays, von Combos wie SEEED sprechen da eine deutliche Sprache.

DIGITAL HARDCORE

Es gibt ihn noch! Nach wie vor finden auch in diesem Genre einige, jedoch wenig gute Parties statt. Die wichtigsten Protagonisten sind – wie so oft – nach größeren Erfolgen aus Germany verschwunden und leben in den USA oder UK und konsumieren da ihre Form von Party. Ein Beispiel davon gab uns Panacea im Rahmen seiner Position Chrome Tour 2000 im Conne Island. Trotz allem bleibt es eine Nischenkultur mit musikalisch starken Tendenzen zum Jungle der Jahre 1992-1996. Mein Tip: Es ist anzunehmen, dass Jungle nach dem Rotationsprinzip Digital Hardcore ablösen wird.




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last modified: 28.3.2007