home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[81][<<][>>]

kultur-logo, 6.8k

, 0.0k

Schmaler Grat

, 0.0k

Die Darstellung linker Positionen und Inhalte ist auf eine ästhetische Vermittlung angewiesen(1) – sagt man. Mit „Keep it Real“, dem zweiten Teil lokal verwurzelter Drum & Bass-Repräsentation via Mixtape, versuchen die beiden Institutionen „Velocity Sounds“ und „Breaks.org“ die Meßlatte für die sogenannte Clubkultur möglichst hoch zu legen, gleichzeitig aber auch die Symbiose von Kultur und Politik zu bewältigen – und das just zu einem Zeitpunkt, an dem nicht wirklich noch jemand an einen Brückenschlag zu glauben scheint.

Drum & Bass per se eine politische Komponente zuzuschreiben ist quatsch. Richtig hingegen ist, daß es sich um die erste repräsentative britische Migrantensubkultur handelt(e), deren Einfluß und dessen Affinität auf pop-theoretische Diskurse und minderheitenpolitische Realitäten, zumindest bevor der mediale Overkill eintrat, erheblich war. Richtig ist auch, daß man Piratenradios, Kommunikationsguerilleros und unabhängigen Vertriebs-Netzwerken einen rebellischen Gestus nicht aberkennen kann. Ebenso wie die Position des Clubs als soziales Modell unter dem Aspekt elektronischer Musik und Freiraum sicherlich diskutabel wäre. Daß das Terrain für gesellschaftliche Auseinandersetzungen, schnelle Beschreibungen, Bilder und Stimmungen von Verhältnissen unter dem Label Drum & Bass punktuell möglich ist, dem wird hier keiner widersprechen. Ebenso unstrittig sollte allerdings auch sein, daß es um eine prägnante und vereinfachte Darstellung von Verhältnissen geht und nicht um eine abstrakte Analyse. Darüber hinaus handelt es sich auch einfach um Felder, deren Vehikelfunktion eine politische Praxis – oder Perspektivänderung nach sich ziehen kann.
Das in diesem Stile – und das mag für einige vielleicht unterstellt sein – auch „Velocity Sounds“ und „Breaks.org“ funktionieren wollen, sei an dieser Stelle einmal angenommen. Mit Kultur kann und muß Politik gemacht, zumindest geträumt(2) werden. Ob dem damit implizierten Glauben an das Gute nun eine zu große Portion Übermut, wahlweise Idealismus oder eine gefährliche Realitätsferne zu Grunde liegt, die den materialistischen Augenblick verkennt, entwickelt sich diesbezüglich zur Gretchenfrage. Könnte es doch möglich sein, daß die Kulturalisierung eher der Verschleierung sauberer materieller Verhältnisse dienlich ist, als einer oft beschworenen Dekonstruktion. Gleichzeitig Wachstumsfaktor und „revolutionäres“ Projekt zu sein, schließt sich ebenso aus, wie das weiterleben in tradierten Popexistenzen. Insofern bleibt eigentlich nur der abwechselnde Glaube an die Heilwirkung von Politik und Kultur unter gleichzeitiger Verteufelung derselben. Oder anders: „Wer daher Pop(Kultur) als Subversionsmodell konservieren will, bejaht auch den Erhalt seiner kapitalistischen Voraussetzungen.“(3)
In diesem Zwiespalt zu agieren macht keinen Spaß, bewegen sich die Akteure doch ausschließlich auf schmalem Grat. Den Wind bekommen „Velocity Sounds“ und „Breaks.org“ desöfteren ins Gesicht geblasen, was sich durch augenscheinliche Unsicherheit widerspiegelt. Vom angedachten Anreißen und Weitertragen politischer Diskurse ist außer dem Symbol des zerschlagenen Hakenkreuzes auf Covern und Websites nicht mehr viel übrig geblieben. Ob man sich damit als kulturindustrieller Modernisierungsfaktor abgefunden und abgewickelt hat und sich ausschließlich der Neu-Konstituierung der Leipziger Szene widmet oder einfach nur „schwächelt“, werden die nächsten „Statements“ zeigen. Viel Glück wäre zu wünschen, wenn nicht das ungute Gefühl des Scheiterns oben beschriebener Zusammenführung zurückbliebe.
Lars

Breaks.org und Velocity Sounds, 15.3k

Fußnoten

(1) Diederichsen, Diedrich, Der Boden der Freundlichkeit. Von der Unmöglichkeit Politik zu machen, ohne Kultur zu betreiben., in: Die Beute, Neue Folge 1.
(2) Vgl. „Ich träume weltweit“, in: Klarofix 9/00.
(3) 17oC „Zeitschrift für den Rest“, 11/95.

Aktuelle Veröffentlichung:
Velocity Sounds & Breaks.Org presents: Leipzig Breaks Organization Vol.2 „Keep It Real“
On Decks: Derrick, Remasuri, Merzo, CFM - On Mic: Phowa
04277 tapes #3


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[81][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007