home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[80][<<][>>]

Quo vadis, Conne Island? (IV)

Auch dieses Jahr verbrachte die Conne Island Crew wieder ein gemeinsames Arbeitswochenende.
Hier die Zusammenfassung.

Das Conne Island ist ein Zentrum von und für Linke, Jugend-, Pop- und Subkulturen.
So lautet die neue Definition des Conne-Island-Selbstverständnisses, das intensiv zu diskutieren, es nun bereits zum dritten Mal die Möglichkeit gab. Hier die Zusammenfassung des gemeinsamen Arbeitswochenendes in Kretzschau vom 6.-8. Juli 2001.
Der Freitag-Abend bietet traditionell den Einstieg in die Diskussionen des Wochenendes. Thematisiert werden neben der Motivation der BetreiberInnen auch der Ist-Zustand des Ladens.
Bei der älteren Generation hält der Motivationsverlust auf Grund der langen Zeit am Laden an. Er stellt sich allerdings nicht so übergreifend wie die letzten beiden Jahre dar, da die in jüngster Zeit Dazugestoßenen großen Idealismus verbreiten, der auch auf die Alten ansteckend wirkt. Hingegen wächst der Kreis der ehemaligen MitarbeiterInnen, die am Laden nichts mehr machen, ihm aber wohlwollend gegenüber stehen und nach außen verteidigen. Mit Erleichterung wurde zur Kenntnis genommen, dass die Neue-Leute-Diskussion der letzten beiden Arbeitswochenenden gefruchtet hat. Auf der Ebene der ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, nicht jedoch bei den Festangestellten, hat sich ein Generationswechsel vollzogen.
Konstatiert wurde ebenfalls die veränderte Funktion des Ladens als sozial bindendes und homogenes Umfeld, wie es noch bis Mitte der neunziger Jahre und darüber hinaus existierte. Das führt dann zu solch ernüchternden Momenten wie am „Zehn Jahre Conne Island“-Wochenende, als ladenintern die Feierstimmung nicht so recht aufkommen wollte, weil der Rückgriff auf ein übergeordnetes zehnjähriges Erleben nicht funktionierte. Diese Entwicklung wird zwar auch begrüßt, da sich damit das in Szenekreisen als elitär empfundene Erscheinungsbild der BetreiberInnen auflöst, andererseits wird den Jungen vorgeworfen, dass ihr politisches Selbstverständnis, das ja früher maßgeblich bestimmend für die Ladenidentifikation und damit die Präsentation nach außen war, oftmals zu wünschen übrig lasse. „Hat der Laden mit dem Verlust seines ‘elitären Gruppenverständnisses’ seine konfrontative Haltung gegenüber der Szene eingebüßt?“, war eine der Fragen, die diese Entwicklung in Hinblick auf das Verhältnis Conne Island und Connewitz weiterführten.
Das Fehlen einer Stringenz in Form eines Identifikationsfaktors führt zu einem Attraktivitätsverlust, der sich, verstärkt durch die kulturelle Beliebigkeit bzw. den Verlust der Definitionsmacht über Pop, z. B. darin äußert, dass im direkten Vergleich Roter Stern – Conne Island, die Fußballer das Rennen machen. In welcher Form solch ein einendes Moment zurückgewonnen bzw. neuerarbeitet werden kann, blieb offen. Sicher ist nur, das die Essenz nicht alleinig aus dem kulturellen Sektor gewonnen werden kann, da damit der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet werden würde. Der dadurch vorprogrammierte Bezug zum Politischen liegt zwar auf der Hand, ist der „Kulturfraktion“ am Laden angesichts der „Leere nach Antifa“ bzw. dem aktuellen Streit in der Leipziger Linken nur schwer als Perspektive zu vermitteln.

Kultur-politische Ausrichtung der am Laden veranstalteten Sparten
Der Trend der letzten Jahre hat sich bestätigt: Die kulturindustrielle Dynamik, kulturelle Beliebigkeit und der Verlust der Definitionsmacht über das einst subversive Modell Pop hinterlassen eine Lücke, an der die Attraktivität des Ladens derzeit gehörig leidet. Der Blick auf einige der Sparten bestätigt diese Einschätzung: Hardcore als einst traditionsreichster Bezug ist tot und lebt nur noch durch das Festhalten an alten Szenegrößen bzw. durch die Verbindung mit Rock’n’Roll. Diese Verbindung kulturell und personell zu fördern sowie auf dem alten Unity-Gedanken zu beharren, scheint angesichts fehlenden Nachwuches sinnvoller, als gegen die eigentliche Tendenz eine tote und sektiererische Szene zu unterstützen.
Beim Hip Hop als einer der affirmativ kapitalistischen Jugendbewegungen, wird der Einfluß der Kulturindustrie augenscheinlich: Das in Kretzschau vorgeschlagene Ansinnen, der musikalisch auf hohem Niveau servierten Tendenz der Verblödung und Beliebigkeit deutschen Hip Hops mit Hilfe europäischer Künstler den Spiegel vorzuhalten, wird an der Regelhaftigkeit des Marktes (zu teuer) und dem Desinteresse der Szene scheitern.(1)

Neue Struktur bzw. Neubesetzung der Geschäftsführung
Im Mittelpunkt der Kretzschau-Fahrt stand neben der Überprüfung des Laden-Selbstverständnisses die Frage nach der möglichen Neubesetzung von Feststellen. Wurden diese Neubesetzungen im Vorfeld von vielen mit Bangen begleitet, offenbarte sich dies jedoch als nicht so folgenschwer wie vielfach angenommen. Die rein technischen Aufgaben solcher Funktionen wie Ämterverkehr, Repräsentation nach außen sowie Mitarbeit in kommunalen Gremien sind jederzeit, sofern nicht ohnehin schon delegiert, durch andere möglich. Von größerer Bedeutung ist hingegen die zwischen den einzelnen Fraktionen des Ladens vermittelnde Position, einschließlich des perspektivischen Blicks auf die Geschicke des Ladens. Der aktuelle Stand ist nun folgender: Der von der Mehrzahl unterstützte Vorschlag, jüngere Personen zu finden, die zudem noch eine Art Scharnierfunktion zwischen den am Laden arbeitenden Gruppen einnehmen, wurde angenommen und wird nach der Sommerpause im Plenum diskutiert werden. Zur Seite gestellt wird diesen bereits angefragten Personen ein „BeraterInnenstab“, der sich aus dem noch neu zu bestimmenden Vorstand zusammensetzen wird.
Viel wird zukünftig davon abhängen, inwieweit die entstehenden Freiräume, wie etwa ein weniger dominiertes Montagsplenum oder ein neu zu gestaltender CEE IEH-Newsflyer, genutzt und mit mehr Eigenpositionen gefüllt werden können. Die bisher nur von wenigen getragene Plenumskultur jedenfalls zeigte schon am Wochenende Zeichen von Besserung.
Bei dieser Diskussion wurde im übrigen noch ein ganz anderer Umstand sichtbar: Entgegen der Situation noch vor zehn Jahren, sehen sich die Jüngeren weniger in der Lage, sich voll und ganz der Ladenstruktur zu widmen. Um einiges größer ist mittlerweile der Leistungs- und Qualifikationsdruck, der den Leuten vermittelt, mit einer Festanstellung in einem Projekt á la Eiskeller verbaue man sich gesellschaftlich geforderte Karrierechancen.

Diskussion des politischen Selbstverständnisses
Der „Antifa-Sommer“ der Bundesregierung im vergangenen Jahr bzw. die daraufhin in der Antifa-Bewegung einsetzenden Diskussionen über Sinn und Unsinn gegenwärtigen antifaschistischen Engagements unter staatlicher Schützenhilfe gingen auch am Conne Island nicht spurlos vorüber.
Doch noch ein weiterer Punkt war ausschlaggebend dafür, die vor zwei Jahren entwickelte Definition über das Laden-Selbstverständnis auf ihre aktuelle Relevanz hin zu überprüfen. Gemeint sind die über ein Jahr lang geführten §129-Ermittlungen der staatlichen Behörden gegen die Connewitzer Szene – darunter auch das Conne Island. Die Trennung zwischen Kultur- und Politikfraktion ist weit fortgeschritten. So versteht sich ein Teil des Ladens auf direkte Nachfrage nicht explizit als links, von der Forderung nach einem linksradikalem Bekenntnis ganz zu schweigen. Ausweg aus diesem Zwiespalt war deshalb bisher die schriftlich fixierte Minimalposition „Antinazikonsens“, welche nun, nicht nur Dank der Entwicklungen auf „höchster Ebene“, folgerichtig gekippt ist.
Die neue Definition, auf die sich in der Kretzschau-Diskussion geeinigt werden konnte, hält diese Entwicklung folgendermaßen fest: Das Conne Island ist ein Zentrum von und für Linke, Jugend-, Pop- und Subkulturen.
Denjenigen, den dieses Verständnis als „Schritt zurück“ aufstößt, sei entgegengehalten, dass dies gegenwärtig die ehrlichste Positionierung ist, die man abgeben kann bzw. dass niemand wünscht, am gegenwärtigen Standard, der einerseits z. B. zahlreichen politischen Initiativen am Laden Raum bietet, andererseits das kulturelle Angebot am Laden politischen Maßstäben unterzieht, zu rütteln. Einhellig wurde erklärt, dass Korrekturen nach vorne gewünscht sind, diese sich jedoch an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen orientieren. In diesem Sinne ist verstärkt darauf zu achten, wo sich zukünftig Protestpotentiale auftun; denkbar ist hier etwa die Herausbildung einer neuen Jugendbewegung im Zuge der um sich greifenden Globalisierungsproteste.
Philipp

Fußnoten:
(1) Bei Interesse an weiteren Einschätzungen zu den einzelnen Musikrichtungen sei an dieser Stelle auf die „Seiten der Wichtigsten“ in der Sommer-Ausgabe des Newsflyer verwiesen.



home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[80][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007