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das letzte, 1.8k
Helmut Kohl, die fleischgewordene Wahrheit des bürgerlichen Parlamentarismus, hat die Herausgabe seiner Stasi-Akte per Gerichts-Beschluß verhindern können. Die Kommunistenjägerin Marianne Birthler, ihreszeichens Chefin der Gauck-Behörde, wird von der taz befragt:
„Kohl hat immer argumentiert, die Stasi habe Informationen nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln gesammelt. Deshalb dürften die Akten nicht veröffentlicht werden.“
Birthler: „Das Argument sticht deshalb nicht, weil fast alle Informationen in den Akten nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln gesammelt wurden. Wenn Kohls Argument ein Leitgedanke gewesen wäre, hätte man das Gesetz so nicht verabschieden dürfen.“
Wenn das
„Argument sticht“,
juckt nicht nur der Hafer, sondern auch die
„rechtsstaatlichen Mittel“.
Der
„Leitgedanke (...), die Stasi habe Informationen nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln gesammelt“
und
„deshalb dürften die Akten (...) veröffentlicht werden“,
ist die Voraussetzung dafür, das
„Gesetz so“
zu
„verabschieden“.

Frank Steffel, CDU-Spitzenkandidat für die Berliner OBM-Wahlen, bemerkt auf die Frage, warum seine offizielle Nominierung so „amerikanisch inszeniert“ (taz) war:
„Früher hat die Berliner CDU die Schöneberger Sängerknaben die ‘Berliner Luft’ singen lassen. Jetzt spielen wir eben Jennifer Lopez. Das Ganze muß ja auch zu dem Kandidaten passen, der sich präsentiert.“
Wie jetzt? Kommt Steffel aus’m amerikanischen Ghetto? Heißt Steffel eigentlich Jennifer und ist eine Frau? Und warum hat er dann damit nicht dem Wowereit die Show gestohlen? Das wäre doch auch gut so gewesen.
Oder ist er ein R&B-Typ? Oder Hispanic?
Ach so, weil bei der CDU gerade alles drunter und drüber geht, muß
„das Ganze (...) ja auch zu dem Kandidaten passen, der sich präsentiert.“
“Jennifer Lopez”
paßt da natürlich sowas von überhaupt, weil sie überhaupt nicht paßt. Und das ist auch gut so.

Aber der Steffel hat auch seine liebe Not. Letztens, am Berliner Alex war’s, da mußte er vor dem „Gesindel“ (O-Ton Steffel) zusammen mit seinen Parteifreunden Merkel, Merz und Stoiber unter hageldichten Kugeln des Feindes den ungeordneten Rückzug antreten. Diesen Anlaß nutzt der Bild-Hobbypsychologe Franz Josef Wagner, um an den gesunden Menschenverstand des seit den 80ern nach und nach wieder Mensch gewordenen Joseph Fischer zu appellieren:
„Herr Minister, Sie werden sich fragen, warum ich Ihnen (...) schreibe. Selbstverständlich hat Ihre 68er-Protestbewegung nichts mit der Gewalt der Autonomen von Göteborg oder der Eierwerfer-Brigade vom Alex zu tun. Und weil das so ist, habe ich eine Idee. Wie wäre es, wenn sie während des Berlin-Wahlkampfs Informationsstände (ein Sonnenschirm, ein Tisch, Sie dahinter) in den gewaltbereiten Bezirken Kreuzberg, Hohenschönhausen etc... aufbauen. Das kostet Sie ein Stündchen Ihres wichtigen Lebens. Sie würden diesen Typen erklären, wie Sie die Gewalt aus Ihrem Kopf kriegten und wie Sie ein Guter wurden. Sie könnten sagen, dass Polizisten verprügeln, Autos anzünden, Eier werfen, ja, Eier werfen, kein Weg sind.“
Auch ich möchte dem Minister schreiben: Lieber
„Herr Minister, Sie werden sich fragen, warum ich Ihnen schreibe. Selbstverständlich hat Ihre 68er Protestbewegung (...) mit der Gewalt der Autonomen von Göteborg oder der Eierwerfer-Brigade vom Alex zu tun. Und weil das so ist, habe ich eine Idee. Wie wäre es, wenn sie während des Berlin-Wahlkampfs Informationsstände (ein Sonnenschirm, ein Tisch, Sie dahinter) in den gewaltbereiten Bezirken Kreuzberg”,
Friedrichshain
„etc ... aufbauen. Das kostet Sie ein Stündchen Ihres wichtigen Lebens. Sie würden diesen Typen erklären, wie sie Gewalt aus Ihrem Kopf kriegten und wie sie“
kein
„Guter wurden. Sie könnten sagen, dass Polizisten verprügeln, Autos anzünden, Eier werfen, ja, Eier werfen, kein Weg sind.“
Ja doch,
„in den gewaltbereiten Bezirken (...), ja, (...) in den gewaltbereiten Bezirken“.

„Die Grenzcampkarawane 2001 Leipzig-Frankfurt“
zieht weiter und der Sultan hat Durst. Es kursiert ein Flyer zum Thema in der Leipziger Szene:
„Um das Anliegen des Grenzcamps auch über das Rhein-Main-Gebiet hinauszutragen und einer eventuellen Problemlokalisierung entgegenzutreten, haben sich einige Leute zusammengetan, um sich mit Fahrrädern, Lkw’s, Traktoren und Bauwagen von Leipzig auf den Weg nach Frankfurt zu machen.“
Die Lokalisierung eines Problems ist die Benennung desselben. Ihr
„entgegenzutreten“,
leider das Gegenteil davon. Warum man sich dennoch
„mit Fahrrädern, Lkw’s, Traktoren und Bauwagen von Leipzig nach Frankfurt“
auf den Weg macht wird weiter unten im Text von den Möchtegern-Nomaden doch noch verraten:
„Uns erscheint es wichtig, allen zu verdeutlichen, dass wir weder eine Organisation noch eine fest strukturierte Gruppe sind. In der Karawane gibt es keine Hierarchien. Verantwortliche und Ansprechpartner sind alle.“
Selbst die Steinzeitmenschen, so weiß man heute, verstanden unter Arbeitsteilung nicht, daß bei ihnen
„Verantwortliche und Ansprechpartner alle“
sind. Deshalb reicht die Utopie dieser
„Grenzcampkarawane“
von Opfern der Gesellschaft nicht einmal für die konkret gelebte Utopie des Steinzeitkommunismus. Wer hätte gedacht, daß es im Namen der Linken noch etwas schlimmeres geben kann als Pol Pot.
Das strenge Regime, das die
„Grenzcampkarawane 2001“
zusammenhält, ist so hassenswert wie die Volksgemeinschaft, denn sie funktioniert nach demselben Schema:
„Achtung“,
so heißt es abschließend,
„die Karawane ist keine Polit-Konsum-Veranstaltung. JedeR ist für das Gelingen mitverantworlich. Und Spass soll’s ja auch machen.“
Wer nicht
„mitverantwortlich“
zeichnet und stattdessen konsumiert, wird auch keinen
„Spass“
haben. Dieses Gesetz der ehrlichen schaffenden Gemeinschaft kam im Nationalsozialismus zur vollen Anwendung – das Gemeinschaftsgefühl wird’s schon richten.

Stormtrooper, 28.7k

Denken ist keine Sache des Gefühls, sondern des Kopfes. Diese simple Erkenntnis bleibt nicht wenigen Linken zeitlebens verborgen. Eine
„Zeitung gegen den G8-Gipfel in Genua“
namens
„Gipfelsturm“
und mit
„20 Seiten Herrschaftskritik“,
herausgegeben vom
„Libertären Genuabündnis“,
wurde vermutlich zu dem Zwecke hergestellt, die oben angeführte Erkenntnis zu widerlegen.
Ein Artikel mit der Überschrift
„Herrschaft demontieren – Triple Oppression als Theorie der Verwobenheit von Herrschaftsverhältnissen“,
bezeugt, daß man die Sache gut hinbekommen hat.
„Mittlerweile gehört die ‘Triple Oppression’-Theorie in großen Teilen der Bewegung hierzulande zu einer Art ‘Grundkonsens’. Dieser Ansatz geht, bildlich beschrieben, von einem netzförmigen Zusammenhang der Widersprüche aus. Kapitalismus hat zwar Zusammenhänge mit Rassismus und Sexismus (die Knotenpunkte des Netzes), und diese werden auch in Teilen von ihm bestärkt (erst durch die gegenseitige Stabilisierung eines Spinnennetzes wird es stabil), jedoch ist er nicht mehr die Grundlage, auf denen die anderen aufgebaut sind. Und ebenso verhält es sich auch mit Rassismus und dem Patriarchat.“
Daß sich plötzlich alles in Luft auflöst, quasi nichts
„mehr die Grundlage, auf denen die anderen aufgebaut sind“
abgeben kann, liegt wohl daran, daß das Theorie-Gebäude eher ein zugiger Bauwagen ist, an dem noch etliche Lücken zu stopfen sind. Doch das hat man längst erkannt:
„Heutzutage wird auch an vielen Stellen eine Kritik (...) geäußert. Denn für viele Menschen ist es nicht verständlich, wieso nicht auch weitere Herrschaftsformen, die sie als relevant betrachten, in dieses Modell mit einbezogen werden sollen. Je nach dem, mit welchen Widersprüchen mensch sich beschäftigt hat, von ihnen selber betroffen ist oder es einfach für notwendig gehalten wird, sie mit einzubeziehen, werden dann Formen wie Unterdrückung aufgrund des Alters (Ageism), Unterdrückung von Tieren (Spezieismus), Unterdrückung von sogenannten Behinderten etc. in die eigene Analyse mit einbezogen.“
Wenn man sich erst einmal im
„netzförmigen Zusammenhang der Widersprüche“
verfangen hat, zappelt man in den engen Maschen eines
„Spinnennetzes“.
„Je nach dem, mit welchen Widersprüchen mensch sich beschäftigt hat, von ihnen selber betroffen ist, oder es einfach für notwendig gehalten wird.“
Kritik an dieser gequirlten Emo-Scheiße kann nur die Rückkehr des Hautpwiderspruchsdenkens sein – dem Hautpwiderspruch von lohnendem Denken und kapitalem Gefühl.
Ralf


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last modified: 28.3.2007