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Gluck gehabt

Zivilierungsversuche im Nachkriegsdeutschland?
– Ein cooler Sampler gibt Auskunft.:
review-corner, 2.7k
, 0.0k
Platten-Cover, 19.8k

„Ich such mir meinen Bräutigam alleine aus“ (Helen Shapiro: 1966) – auch in Sachen Feminismus leisteten die Amis Aufklärungsarbeit.

[„1000 Nadelstiche –
Amerikaner und Briten singen deutsch“]

, 0.0k

Schon vor ein paar Tagen auf den Markt geworfen, erreichte diese CD meinen Player erst jetzt und hat mich so sehr amüsiert, dass dieses Stück es wert war, hier besprochen zu werden. In den 60er und 70er Jahren versuchten die grossen Plattenfirmen, ihre im angloamerikanischen Raum erfolgreichen Produkte für den etwas schwierigen Markt des prosperierenden Nachkriegswestdeutschlands anzupasssen. War wohl nicht ganz einfach, dieses Unterfangen, da die Konsumenten eher deutschsprachiges bevorzugten. Der Rock’n’Roll war was für Halbstarke und populäre Musik weltweit noch keine universell goutierbare Austauschform; die Ausdifferenzierung der Jugendkulturen steckte in den Kinderschuhen. Was war da einfacher, als bewährte Hits auch in deutsch einsingen zu lassen – und von solchen Zumutungen blieb kaum ein Star dieser Zeit verschont, ob Elvis oder die Beatles, Roy Orbison oder The Supremes: alle durften sich in diversen Studios radebrechender Weise an mehr oder weniger gelungenen Texten versuchen. Die Spannbreite reichte da von der versuchten 1:1 Übersetzung bei Marvin Gayes „How sweet it is“ („Wie schön das ist“) bis zu richtig guten Lyrics wie bei Johnny Cashs „I walk the Line“ („Wer kennt den Weg“) über alle Arten kruder und damit höchst amüsanter Wortsetzerei. Ein Gluck möchte man sagen, dass Vinyl ein geduldiges Material ist – die Umlaute stellten eh das grösste Problem dar. Und ein weiters Gluck war es, dass diesen Versuchen kein grösserer kommerzieller Erfolg beschieden war, oder kann sich jemand eine gängige Eurotrashnummer mit verständlichen Textbausteinen vorstellen, ohne daß sich die Zehennägel nach oben biegen? Und sowas würde es geben, wenn diese Singles nicht wie Blei in den Regalen gelegen hätten und heutzutage nur noch dem abseitigen Vergnügen von Plattensammlern dienen würden. Wie ich dazu komme, eine CD wegen ihrer explizit deutschen Texte zu besprechen, werden sich Leute fragen – hatten wir nicht mal was dagegen? Ganz einfach: Es sind hier die Originale versammelt und nicht die Fälschungen.
Erschienen ist diese Compilation übrigens bei BearFamilyRecords zusammen mit einem liebevoll ausgestatteten Begleitbuch.

Kay


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last modified: 28.3.2007