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das Erste, 1.3k Das Ende der linken
Fahnenstange ist
erreicht!
Christoph Daum und Uli Hoeneß. Es war ein Streit zwischen dem alten und dem neuen Deutschland. Ein Streit um das saubere deutsche Nationalgeschäft Fußball als Ausdruck des schaffenden Kapitalismus – vom Zaune gebrochen mit dem Vorwurf der schmutzigen verdorbenen Raffgier. Und er hat Strahlemann Daum beinahe den Persilschein gebracht, den das deutsche Fußballvolk sehen wollte. Es hatte sich entschieden und zeigte sich tolerant und westwärts gewandt. Gerade auch, weil das gebliebene Restrisiko, auch der Schnee von gestern, also das Koks hätte, sein können, das Daum vielleicht, vielleicht auch nicht, gezogen hat. Ganz am Ende aber machte ihm das alte Deutschland, verkörpert im DFB, doch noch einen Strich durch die Rechnung.
Die Restzweifel die bleiben und Daum trotzdem immanent zur Ehre gereichen, sind Ausdruck eines Zivilisationsschubes deutscher Fußballanhänger und ihrer Medien. Festzuhalten bleibt: Ein potentieller Kokser wäre beinahe Nationaltrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft geworden. Wer hätte das je für möglich gehalten. Auch die Bonner Fußballnation wäre mit dem Abtritt von Tante Käthe und dem Dienstantritt von Daum endgültig die Berliner. Das ist zwar noch lange kein Grund, von nun ab auf Deutschland zu halten, aber ein mittlerer Quantensprung bei der Mehrheit der deutschen Fans ist es allemal.
Ist es also ein gutes Deutschland, das da blüht, wie es sich die PDS – einmal mehr – auf ihrem Cottbusser Bundesparteitag herbeiwünschte? Fügt sich nun nach 10 Jahren alles zum Guten? Wer die Abwesenheit der Linken bei den diesjährigen zentralen Jubiläumseinheitsfeiern in Dresden am 3. Oktober überhaupt zur Kenntnis nahm, kann die Frage auch bejahen. Es scheint so, als hätten die ewigen Nörgler von Links sich gesellschaftlich endgültig selbst aufgegeben. Auch ihre verbliebenen medialen Flagschiffe wie konkret oder jungle World sind im Sinken begriffen. Und Macher wie Leserschaft scheinen es selbst nicht mal zu merken. Peu a peu erlischt flächendeckend das Interesse an einer radikalen Linken, der scheinbar niemand mehr ernstlich etwas zutraut. Zum Jubiläum von Superdeutschland gab es maximal in der Jungle World einen Resthauch von Bestandsaufnahme nach zehn Jahren Niedergang der deutschen Linken. Es erschienen selten trostlose und öde Jubiläumsausgaben, die gar keine sein sollten. Hat sie wirklich ihre historische Legitimitation verloren oder gibt es noch ein Interesse an ihr? Und vor allem, wer sind die, die es tatsächlich besitzen? Der Niedergang der deutschen Linken ist zu gleichen Teilen selbst- wie fremdverschuldet. Darüber ist nun wirklich massig geschrieben und gesprochen worden. Schließlich und schlußendlich war er so richtig wie er notwendig war.
Ralf, 15.1k Doch wo stehen sie heute, diese verbliebenen oder nachgewachsenen vereinzelten Häuflein linken Elends?
Sie geben das Bild eines Trümmerhaufens ab, das Kritiker in den mehr als gelüfteteten Reihen inzwischen zu einer kultivierten Kampfsportform, dem Schattenboxen gegen imaginäre linke Gegner animiert hat: Der Schatten des eigenen Geschriebsels wird zum Objekt der Kritikerbegierde auserkoren.
Erschwerend hinzu kommt, daß die Verrückten in den linken Reihen leider nur proportional geschwunden sind. Es gibt sie also aber immer noch. Doch ständig mit der Waffe der Kritik auf Verrückte einzudreschen ist eine Diskriminierung. Tatsächlich wäre es ratsam, gerade mit einigen autonomen Sozialcliquen eine Form von Artenschutzabkommen zu treffen – zumal jene mehr als nur vom Aussterben bedroht sind.
So ein Abkommen zu treffen, setzt aber eine Verständigung voraus, die erstmal klar haben muß, daß z.B zukünftiger Antifaschismus in der Berliner Republik aller Wahrscheinlichkeit nach einer von – wenn man so will – Rechts besetzter sein wird, der der Linken endgültig entfleucht zu sein scheint.
Es ist schon ein Jammer, da haben antinationale und antideutsche Linke berechtigt und mehr als erfolgreich jahrelang die Linke gesmasht, bis wirklich so gut wie alles in Scherben zerfiel, haben so z.B. die imperialistische Großmacht USA wider besserem linken Wissen für ihren Angriffskrieg gegen den Irak gelobt, weil der Raketen auf Israel abfeuern wollte, und haben damit anläßlich des Golfkrieges den linken antiimperialistischen Allerwelts-Grundkonsens außer kraft gesetzt oder haben den Oberbefehlshaber der Royal Air Force, Sir Arthur Harris, für die Bombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg ausdrücklich gelobt.
All dies, um der deutschen Linken klarzumachen, welche Versäumnisse und Fehler sie sich hat zu Schulden kommen lassen.
Und nun? Einige wollen partout nicht wahrhaben, daß die Punk- und Teeniezeit der vulgär-antideutschen Gesinnung nicht mehr angesagt sein kann, weil das weitere starre und bockige Festhalten an ihr einer linken Bankrotterklärung gleichkommt, deren Konsequenz quasi der endgültige Abfall vom linken Glauben sein wird. Einschläfernde Überwinterungsstimmung nenne ich das, die tatsächlich nur denen weiterhelfen wird, die eh schon ein Bein in der Tür zum Notausgang aus der Linken haben oder noch nie wirklich auch nur ein Bein in der Eingangstür zur Linken hatten.
Es ist schon ein Graus. Da wird eine typische Autonomenkampagne – ausser Spesen nichts gewesen – gegen eine paradigmatisierte Überwachungsgesellschaft losgetreten, deren Höhepunkt nicht nur eine schlechtere Demo am 14. Oktober diesen Jahres in Leipzig darstellte, sondern auch noch typisch linksautonome Arroganz mitlieferte, die in der waghalsigen Behauptung gipfelte, bisher hätten die Linken das Thema mit der Überwachung und so schlicht verpennt.
Eiverpipsch noch ä mal! Warum nur bilden sich bewegungsverliebte Kampagnennudeln immer wieder aufs Neue ein, das Rad mal so auf der Schnelle neu erfunden zu haben? Leude, isch weiß es nisch! Es ist mir so unbegreiflich wie die kultivierte linke Weigerung, weltweite Entwicklungen gerade deshalb zur Kenntnis nehmen zu müssen, weil die erstens nicht spurlos an Deutschland vorbeigehen können und zweitens eben nicht überall auf der Welt Deutschland ist. Ein Beispiel dafür: Die Überwachung und totale Kontrolle ist in Deutschland gerade auf Grund der deutschen Vergangenheit noch nicht allzuweit fortgeschritten. Deutschland ist, so betrachtet, eine unterentwickelte Überwachungsgesellschaft, die zwar mit großen Schritten voranschreitet, aber bei weitem noch nicht den Standard von England und den USA erreicht hat – zum Glück. Und, ist Deutschland deshalb in diesem Punkt besonders schlimm?
Die Organisatoren der Kampagne werden natürlich sagen, sie hätten die weltweiten Entwicklungen ausreichend berücksichtigt. Und ich aber sage, sie haben es nicht. Und zwar deshalb nicht, weil es ihr eigenes deutschzentriertes Ideologiegebäude zum Einsturz bringen würde. Und das wiederum kann ich verstehen, denn es geht nicht darum, es ad hoc einzureißen, sondern gerade darum, es auszubauen und notwenige Veränderungen vorzunehmen.
Ein weiteres Beispiel. Auf besagter Demo haben Palästinenser in zu erwartenden nationalistischen Tönen das brutale Vorgehen und Morden der israelischen Armee im Gazastreifen und Westjordanland beklagt und drastisch verurteilt. Ausserdem haben sie die Losung „PLO – Israel No!“ skandiert. Wie hysterisch daraufhin einige der anwesenden deutschen Linken reagierten, war bezeichnend. Sie rückten die Palästinenser in die Nähe deutscher Antisemiten, als wäre eine Parole wie „PLO – Israel No!“ so etwas wie das palästinensische Pendant zur Wannseekonferenz.
Zur Erinnerung: Erst die gute und gewissenhafte Analyse antideutscher Linker hat es (mit) vollbracht, daß die Linke die Singularität des völkischen deutschen modernen Antisemitismus differenziert begreifen kann. Erst die vehemente und konsequente Kritik des deutschen Antizionismus als Ausdruck spezifisch deutschem sekundären Antisemitismus (nach Auschwitz) hat klar gemacht, daß es keinen positiven linken Bezug auf den Antizionismus geben kann. Warum aber müssen dann exilierte Palästinenser in Deutschland ersatzweise als quasi neigungsdeutsche Antisemiten herhalten? Im Haus des Henkers nicht vom Strick reden zu wollen (Adorno), läßt sich denen, die nicht Nachfahren der Henker sind, schwerlich vorwerfen. Deutsche Linke haben ein erklärbares sozialpsychologisches Problem. Doch nur weil nun schon seit längerem klar ist, daß die „Befreiung des palästinensischen Volkes“ der letzte Scheiß ist, genauso eben wie das Lenin/Stalinsche Ideologie-Konstrukt von der „Selbstbestimmung der Völker“, ist es genauso daneben, die Vorzeichen einfach umzukehren – nach dem Motto: Palästinenser böse – Israel gut.
Es stimmt etwas bei vielen deutschen Linken nicht. Und daran sollten endlich überfällige Diskussionen entbrennen. Aber stop! Wie war das doch gleich mit dem Ende der deutschen Linken? Es ist zum Verzweifeln, die die darüber diskutieren könnten, gibt es kaum noch und wo sie dann diskutieren könnten, ist noch unklarer.
Nur weil ich’s nicht lassen kann: ich will mal an dieser Stelle gar nicht groß davon reden, welche Konsequenzen das Paradigma der überwachenden Kontrollgesellschaft (Gilles Deleuze) und der daran hängenden Transformation von Herrschaft für eine Diskussion über Veränderungen „des“ Patriarchats bedeuten...
Aber Schluß jetzt der Jammertour! Es gibt viel zu tun, das steht fest!
Ralf

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last modified: 28.3.2007