home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[69][<<][>>]

Österreich 2000

museum, 22.5k Im Februar erschien die renommierte Fotozeitschrift „Camera Austria“ nicht in der gewohnten Aufmachung, sondern in schwarz. Einzige Abwechslung blieb die lose Abfolge von matten und glänzenden schwarzen Seiten, auf die jeweils die Zeile „Öserrreich 2000“ gedruckt war. Die Redaktion hatte den Künstler Jörg Schlick gebeten, die Ausgabe zu gestalten, quasi als multiple Kunstedition mit der gewohnten Auflage. Für eine Zeitschrift, die zwar für kritische, aber doch kanonisierte Kunstprojekte steht, ein recht radikaler Schritt. Die geneigten Leserinnen und Leser erwarteten eher Anmerkungen geringerer Radikalität, denn ein solch eindeutiges Statement zu den österreichischen Zuständen. Wieder einmal sind die MacherInnen ihrer Klientel voraus.
Na ja, symbolische Politik eben, wenn auch nicht die schlechteste, aber es bleibt symbolische Politik, deren Kosten höher sind (keine Anzeigeneinnahmen, mögliche Abonnement-Kündigungen) als die erhoffte Wirkung. Die Bedingungen der Kunstproduktion unter einer schwarzblauen Regierung werden im rein diskursiven Feld reflektiert und abstrahiert, aber außerhalb davon bietet sich keinerlei Interventionsmöglichkeit. Angesichts der Neuverordnung im Postwesen, nach der es die verbilligten Tarife für die Versendung von Zeitungen und Zeitschriften nicht mehr gibt handelt es sich vielleicht doch weniger um Hellsichtigkeit als eine Form des vorrauseilenden Gehorsams, sind doch gerade die auflagenschwachen Zirkulare die Opfer solcher Gesetzesänderungen.
Das Hauptaugenmerk, sucht man die kritische Öffentlichkeit in Österreich, richtet sich automatisch auf die Kulturszene, da andere Millieus etwa das patriotische Wien, das das größte Potential auf den donnerstäglichen Demonstrationen stellt, sich nicht allzufern von der Regierung, die es zu bekämpfen vorgibt, verortet, einfach das bessere, das echte Österreich repräsentieren will. Ebenso wie versprengte trotzkistische Grüppchen haben sie keinen Begriff von Rassismus, geschweige denn sind sie geneigt, die jetztige Situation irgendwie in Verbindung mit der Vergangenheit ihres Landes zu bringen. Die, die wiederum genau das versuchen, sind so minoritär, daß sie nicht einmal auf den zahlreichen Widerstandsforen im Internet zu finden sind, sondern eher in den einschlägigen (natürlich genauso randständigen) Zeitschriften der antinationalen Linken in Deutschland.
„Von hier aus gesehen, hat das System der österreichischen Kulturförderung in den letzten 15 Jahren immer wieder Freiräume für unorthodoxe Projekte gelassen. Im Vergleich zu der weitgehend am repräsentativen Nutzen und an einem eng ausgelegten staatlichen Auftrag orientierten deutschen staatlichen Kulturpolitik benahm sich die österreichische oft anarchische, auch im guten Sinne durchgeknallter. Viele österreichische Kunstinstitutionen waren offener für subkulturelle Einflüsse und unterschiedliche Formen minoritärer Politik. Was Sachkenntnis und politische Weitsicht angeht, übertrafen sie ihre Pendants in Deutschland bei weitem.“ (Zitat aus „Vom Rechtspopulismus zum Rechtspragmatismus“, Diedrich Diederichsen, Christoph Gurk u.a. in Camera Austria). Die Kulturszene weiß was sie zu verlieren hat, ist allerdings zurückgeworfen auf einen bürgerlichen Antifaschismus mit dem sie ihren Widerstand rechtfertigt, um ihr Einundalles die „Freiheit der Kunst“ zu verteidigen. Im Protest gegen Haider sich noch positiv auf Begriffe wie „Widerstand“ und „Freiheit“ zu beziehen, hat schon fast etwas affirmatives, hat die FPÖ es doch geschafft, durch häufigen Gebrauch solche Vokabeln für sich zu vereinnahmen und von ihrer ursprünglich emanzipatorischen Bedeutung abzukoppeln. Der Künstler Franz West ist einer der wenigen im Kunstbereich, der genau in diese Kerbe schlug: an der Außenfassade der Wiener Sezession war auf einem Plakat zu lesen: „der Kunst ihre freiheitliche, der Zeit ihre Kunst“. Alle Künstler der Plakataktion bestritten selbst die Finanzierung, um sich die Steuermißbrauchshetze nicht gefallen lassen zu müssen. Denn mit dem Haiderschen Wort, daß man die Hand, die einen füttere, nicht beissen solle, ist klar, wohin die Reise geht: Abstinenz von politischer Kritik oder Gelderkürzung, repressive Toleranz eben.
Paul

home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[69][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007