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Zweite Erklärung des Conne Island
zum Streit mit dem Werk II

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protest, 27.8k Am Anfang eine notwendige kurze Darstellung der vorangegangenen Ereignisse:
Anfang Mai fand im Werk II das Festival „Neue Beiträge zur Deutschen Popkultur“ statt. Der Titel der Veranstaltung wurde vom Conne Island im Vorfeld und auch während des Festivals kritisiert. So wurden beispielsweise mit Hilfe von verteilten Flugblättern die Argumente gegen den Veranstaltungstitel dem Publikum bekannt gemacht und aus dem selben Grund hing man vor dem Eingang des Werk II ein Transparent mit dem Motto der Protestaktionen „Pop ist universell – nicht national“ auf. Verliefen die Protestaktionen zunächst reibungslos, teilweise gar in Absprache mit den Veranstaltern des Festivals, kam es im Laufe der Veranstaltung doch zu einem Eklat. Der Geschäftsführer des Werk II beschimpfte und beleidigte Personen aus dem MitarbeiterInnenkreis des Conne Island, unter anderem einige, die als Privatpersonen pauschal in die Gastronomie des Festivals eingebunden waren. Diese bezeichnete er u.a. als „Huren“. Unmittelbar in Folge dieser gespannten Situation wurde der Werk II-Geschäftsführer vom Vereinsvorsitzenden des Conne Island, der ebenfalls als Privatperson und Pauschalkraft am Ort des Geschehens weilte, zur Rede gestellt und aufgefordert, seine Äußerungen zu erklären, was dieser unterließ und stattdessen die Beleidigungen wiederholte. Der emotional und lautstark geführte Wortwechsel wurde durch das Auftauchen der neuen kommerziellen Werk II-Security beendet. Am nächsten Abend sprach das Werk II dem besagtem Vertreter des Conne Island ein zweimonatiges Hausverbot aus. Begründet wurde dieser Schritt mit einer angeblichen Handgreiflichkeit und körperlichen Bedrohung gegenüber dem Werk II-Geschäftsführer vom Vorabend.
Noch während der sich an die Verkündung der Maßnahme anschließenden Gesprächs, kam zum Vorschein, daß der angeblich in Gewalt ausartende Streit nur offiziell als Begründung angeführt wurde, eigentlich aber das Hausverbot generell aus der aufgeheizten Stimmung und den Auseinandersetzungen mit anderen KritikerInnen des Festival-Titels resultierte. Die Auseinandersetzung zwischen dem Werk II-Geschäftsführer und der Conne Island-Person verlief ohne jegliche körperliche Gewalt und konnte nur bei starker subjektiver Phantasie als Handgreiflichkeit interpretiert werden. An der Stellvertreter-Verurteilung änderte diese Faktenlage nichts. Allerdings wurde schon in diesem Gespräch ein baldiges Überdenken der Entscheidung – innerhalb von zwei Wochen – seitens des Werk II in Aussicht gestellt.
Für den betroffenen Conne Island-Vertreter bedeutete die verhängte Sanktion einen gewichtigen sozialen Einschnitt. Auch die Verantwortlichen des Werk II wußten, daß das Hausverbot einem Arbeitsverbot gleichkommt, da die betreffende Person seinen Lebensunterhalt als Gastronomie-Pauschalkraft bei Werk II-Veranstaltungen bestritt. Mit dem Hausverbot wurde dem für die Gatsronomie bei Werk II-Veranstaltungen zuständigen Kneipenkollektiv, welches nicht direkt in das Kulturprojekt intergriert ist, verboten, den Conne Island-Vertreter weiterhin einzusetzen.
Aufgrund dieser Tatsachen konnte die Strafe nicht nur persönlich, sondern, da ja mit ihr auch ein Protagonist der Kritik am Festival getroffen wurde, auch symbolisch als Provokation und Rachereaktion besonders gegenüber dem Conne Island aufgefasst werden. Trotzdem entschloß sich die Privatperson als auch das Conne Island nach eingehender Beratung, nicht überstürzt zu reagieren und die ohnehin schon irrational aufgeladene Situation mit ebenso scharfen Gegenreaktionen zu eskalieren, weil man einen Schaden für die gesamte Connewitzer Alternativ-Szene fürchtete. Und wie heißt es so schön, wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.
Da jedoch schon während der Protestaktionen und erst recht nach der Eskalation der Ereignisse die wildesten Gerüchte sowohl in der Szene als auch im Leipziger Kulturamt kursierten, sah sich das Conne Island gezwungen, wenigstens mit einer öffentlichen Stellungnahme die Ereignisse darzustellen und so wieder auf eine sachliche Ebene jenseits von Beleidigungen und Gerüchten zu heben. Die nach Meinung des Conne Island-Plenums sehr höflich formulierte Erklärung enthielt neben der Forderung nach Aufhebung des überzogenen und in der Sache ungerechtfertigten Hausverbots auch die Aufforderung an den Werk II-Geschäftsführer, die gemachten Beleidigungen zurückzunehmen. Das Schreiben gab aber auch einer Entschuldigung Ausdruck, für den Fall, daß das Verhalten des Conne Island-Mitarbeiters, aus welchen Gründen auch immer, wirklich als tätlicher Angriff wahrgenommen wurde. Darüber hinaus machte der „Offene Brief“ ein betontes Gesprächsangebot an das Werk II und signalisierte prinzipielle Kooperationsbereitschaft. Dem Grund ihres Entstehens entprechend wurde die Erklärung im Conne Island-News Flyer und im „KlaroFix“ veröffentlicht, desweiteren ging sie an das Kulturamt Leipzig. Diese Veröffentlichungspraxis entspricht auch im Allgemeinen der normalen Arbeitsweise des Conne Island. Als Bestandteil einer Alternativ-Szene und darüberhinaus einer kulturell und politisch interessierten Öffentlichkeit, sieht sich das Projekt seit seinem Bestehen dazu verpflichtet, grundsätzliche Entscheidungen, Probleme und Stellungnahmen transparent zu machen.
Soweit zu den bisherigen Geschehnissen. Nun, über einen Monat nach den beschriebenen Ereignissen, gibt es den ersten schriftlichen Versuch einer Stellungnahme des Werk II. Leider offenbarte er sich als eine auf Papier gedruckte Frechheit. Dem Vorstand und der Geschäftsführung des größten Connewitzer Kulturprojekts ist die entstandene Situation, nachdem sie sich wochenlang um eine Antwort und ein Wahrnehmung des Gesprächsangebots drückten, sage und schreibe drei Aussagesätze wert. Einziger Inhalt des Schreibens ist die Mitteilung, daß sich das Werk II nicht in der Lage sieht, mit dem Conne Island kommunizieren zu können, weil die Stellungnahme des Conne Island, besonders „... deren Übersendung im Amts- und Medienverteiler und deren Veröffentlichung im Conne Island Newsflyer #67 und Klarofix #6 einer weiteren zeitnahen Kommunikation jegliche Grundlage entzogen“ hätte. Außerdem kämen die „... gemachten Aussagen (...) einer (...) erwünschten sachlichen Auseinandersetzung zuvor, und ließen darüberhinaus keine ernsthaften Bemühungen erkennen, sich wahrhaftig und konstruktiv mit dem entstandenen Eklat auseinanderzusetzen.“ Es folgen keine Argumente, keine Begründung, keine sachliche Gegendarstellung. Das Conne Island kann diese Art und Weise der Reaktion nicht nachvollziehen, geschweige denn verstehen und gut heißen.
Was soll mit diesem inhaltslosen Vierzehnzeiler bezweckt werden? Ist es als Provokation gedacht oder reagieren die Verantwortlichen des Werk II – immer noch unfähig mit Kritik umzugehen – wie ein bockiges Kind und bringen deshalb keine stichhaltigeren Erklärungen für ihr Handeln heraus?
Ebenso unverständlich ist die Tatsache, daß sich der Werk II-Geschäftsführer privat bei allen Leuten entschuldigte, die aus dem Conne Island-Umfeld kommen, im Gastronomiekollektiv bei Werk II-Veranstaltungen beschäftigt sind und welche er am besagten Abend beleidigt hatte. Auch gegenüber dem Conne Island-Vereinsvorsitzenden wurde die Entschuldigung ausgesprochen. In der offiziellen Reaktion ist aber davon mit keinem Wort die Rede, geschweige denn wird der daraus logisch folgende Schritt der Aufhebung des Hausverbots angekündigt. Zur Stellvertreterverurteilung gesellt sich also noch eine gutes Stück Doppelmoral.
Aber warum? Als einzigster Anhaltspunkt zur Erklärung des unbegründeten Beleidigtseins des Werk II bleibt nur der Hinweis auf die Veröffentlichungspraxis des Conne Island. Wie bereits angedeutet, ist diese nicht nur der speziellen Situation geschuldet gewesen, sondern eine allgemeine Selbstverständlichkeit und so alt wie das Projekt selber. Mit allen wichtigen Entscheidungen wird ähnlich verfahren. Das Conne Island ist keine Geheimorganisation, kein Stammtisch und es ist auch kein kommerzielles Dienstleistungsunternehmen mit Betriebsgeheimnissen. Nicht nur als städtisch unterstütztes Projekt, sondern vor allem als Teil der Alternativszene kann man gar nicht anders, als Entscheidungen und Haltungen öffentlich zu machen.
Wenn das Werk II also mit der Argumentationsbemühung daherkommt, daß Conne Island-Plenum habe seine Meinung öffentlich gemacht, dann geht nicht nur der Angriff ins Leere, sondern er offenbart gleichzeitig die eigene Undurchsichtigkeit. Nicht nur beim gerade andauernden Streit um den Festival-Titel und dem was daraus gemacht wurde, versperrt sich das Werk II den banalsten Spielregeln, die ein Projekt, welches nicht nur für sich, sondern mit und für andere existiert, einhalten sollte. Dazu gehört es, daß man seinem Publikum und dem Umfeld des Projekts klar sagt, was, wie und weshalb etwas geschieht. Aber nein, unvermittelt und deswegen um so abstoßender ist nicht nur der jetzige Korb vom Werk II, sondern sind auch ganz andere Entscheidungen des Kulturvereins vom Kreuz in der Vergangenheit. So werden Werk II-Plakate von einer kommerziellen Firma geklebt, anstatt das Plakatieren als kulturelles Zeichen für Unabhängigkeit, Unkommerzialität und gegebenenfalls auch Protest selbst in die Hand zu nehmen. Plakate von anderen Projekten oder politischen Initiativen werden am Werk II neuerdings rigoros beseitigt. Ähnlich deutlich wird die symbolische Abgrenzung von bisherigen Szene-Selbstverständlichkeiten mit der Orderung einer Security-Firma. Wieder gab man ein Stück Eigenverantwortung ab, verzichtete auf die Unterstützung szeneeigener Leute, ganz zu schweigen von den Ahnungen, wie die Beschäftigten einer solchen Security es bewerten und dann handeln, wenn ein betrunkener Punk mal abdreht oder sozial benachteiligte, beispielsweise MigrantInnen zu anderen Konditionen Einlaß begehren. Sicher, es mag für diese Entscheidungen Gründe geben, von denen weiß aber niemand. Das Publikum und das Umfeld des Werk II muß mit den Ergebnissen und deren Folgen zurechtkommen und deshalb bleibt die Kluft zwischen Connewitzer Alternativ-Szene und Werk II nicht nur bestehen; sie wird mit solchen Entscheidungen wachsen.
Daß dies eigentlich nicht das Anliegen des Conne Island ist, wurde schon mit der ersten Erklärung betont. Das Werk II hat mit der Zurückweisung des Gesprächsangebots auch dieses prinzipielle Entgegenkommen ausgeschlagen.
Auch wenn die Provokation des Werk II uns natürlich trifft, möchten wir andererseits nicht genauso infantil unbedacht an der Eskalationschraube drehen. Wenn wir also an dieser Stelle nicht zum öffentlichen Protest gegen das Werk II aufrufen oder neue Forderungen aufstellen, ist dies unserer Meinung geschuldet, daß eine weitere Verschärfung der Kontroverse nur lachenden Dritten nützen würde und wir wissen, daß wir als Conne Island besonders in immer stärker werdenden konservativen Kreisen nicht den besten Stand haben. Auch sind wir zugegebenermaßen etwas ratlos, wie das Werk II nach soviel Entgegenkommen überhaupt mit adäquaten Mitteln aus seinem eigenen Saft herauszulocken ist und zum inhaltlichen Diskutieren gebracht werden kann. Dies bedeutet aber nicht, daß alle, die mit dem Werk II in Verbindung stehen, zum Publikum, zu den SympathiesantInnen gehören, und alle die zu diesem Konflikt und zu diesem Projekt einfach nur eine Meinung haben, sich nicht positionieren sollten. Ganz im Gegenteil, sie sollten, wenn sie es für sinnvoll erachten, diesem Schritt auch öffentlich Ausdruck verleihen. Wir würden uns selbstverständlich freuen, wenn es gelänge, über eine Einflußnahme auf das Werk II die jetztige Situation zu entschärfen. Daß wir deshalb auch weiterhin gesprächsbereit bleiben, muß eigentlich kaum mehr wiederholt werden.

Conne Island,
Leipzig, den 19.06.2000



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last modified: 28.3.2007