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Timm, Angelika:

»Hammer, Zirkel, Davidstern.«

Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel

Bouvier Verlag, Bonn, 1997

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Bei der Betrachtung des Umgangs mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust in den deutschen Staaten nach der Aufteilung Deutschlands, stehen häufig Analysen über die Auseinandersetzung mit Holocaust und NS im Westen Deutschlands im Vordergrund. Doch auch die DDR muß sich im besonderen daran messen lassen, wie sie sich zu ihrer eigenen Vergangenheit verhalten hat und welche Konsequenzen daraus gezogen wurden und in wie weit ein Bruch mit Traditionen der Vergangenheit erfolgte. Für den West-Teil Deutschlands existiert ein relatives klares Bild. Der Bruch erfolgte nicht, ehemalige Nazis hatten schon kurz nach Ende des 2. Weltkriegs in der Bundesrepublik wieder Rang und Namen und auch die Traditionen innerhalb der westdeutschen Gesellschaft wurden lediglich durch die 68er-Bewegung ein Stück aufgewü
Doch wie verhielt sich die DDR zur Vergangenheit des Nationalsozialsozialismus und des Holocaust? Wie wurde sich in dem Staat der sich antifaschistisch und sozialistisch definierte mit dieser Vergangenheit auseinandergesetzt?
Angelika Timm beantwortet in ihrem Buch „Hammer, Zirkel, Davidstern: Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel“ zu mindest einige dieser Fragen am Beispiel des Verhältnisses der DDR zu Israel und Zionismus.
An den Anfang ihres Buches stellt sie das Ergebnis dessen, was sie beschreiben will – eine Erklärung der Volkskammer vom 12. April 1990, die folgendermaßen lautet: „Wir bitten die Juden in aller Welt um Verzeihung. Wir bitten das Volk in Israel um Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik gegenüber dem Staat Israel und für die Verfolgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem Land. [...] Wir erklären, uns um die Herstellung diplomatischer Beziehungen und um vielfältige Kontakte zum Staat Israel bemühen zu wollen.“(1) Diese Erklärung kann deshalb als Ergebnis einer Betrachtung verstanden werden, weil sie zeigt, daß Beziehungen mit diplomatischem Charakter zwischen der DDR und Israel nicht stattfanden. Verfolgt man die Vorgehensweise die Timm vorgibt weiter, wird auch klar, welche Verbindung zwischen den schlechten Beziehungen zu Israel und der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust existierte. Denn gerade die verantwortungslose und ablehnende Auseinandersetzung der DDR mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust waren eine Ursache für die schlechten Beziehungen der DDR zu Israel. Grundlegend dafür sind 2 Ursachen: Zum einen, da die DDR auf der ML-Ideologie basierte, verkürzte sich ihre Faschismusanalyse auf die Dimitroffs, mit der die DDR den deutschen Faschismus lediglich noch als Ausdruck der „offene[n] terroristische[n] Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“(2) verstand.
Deshalb war im DDR-Verständnis auch kein Platz mehr für die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Holocaust, da davon ausgegangen wurde, „daß im ostdeutschen Staat mit der Beseitigung der kapitalistischen Besitz- und Herrschaftsverhältnisse prinzipiell auch die gesellschaftlichen Wurzeln für Antisemitismus und Rassismus ‘ein für allemal’ ausgerottet worden seien.“(3)
Die zweite entscheidende Ursache, die problematisch auf die Beziehungen zwischen der DDR und Israel wirkte, war die Hinwendung der DDR zu den arabischen Staaten im Nahen Osten, in der Hoffnung, so die Hallstein-Doktrin durchbrechen zu können und außerdem das Interesse damit arabische nationale Befreiungsbewegungen – deren gemeinsames Grundverständnis allerdings ein anti-israelisches war – zu unterstützen.
Die wesentliche Probleme, die aus dieser Verkürzung des deutschen Nationalsozialismus auf die Dimitroffsche Analyse sowie der engstirnigen Orientierung an einer ML-Gesellschafts- und Geschichtsbetrachtung und der undifferenzierten Solidarisierung mit den arabischen Staaten entstanden, sind, wenn man die Darstellung Timms übernimmt, folgende:
Aufgrund des Verständnis der DDR als sozialistischer Staat, der die Wurzeln des Nationalsozialismus bereits im eigenen antikapitalistischen Selbstverständnis abgelegt hatte, blieb jedes Eingeständnis von Schuld und Verantwortung für den Holocaust aus, sondern es wurde sich lediglich darauf berufen, daß es „keine bessere Reparation und Wiedergutmachung für das jüdische Volk und für alle Völker, die untere der Nazibarbarei gelitten haben“ gibt, als ein friedliches Deutschland unter sozialistischer Führung, in dem die Wurzeln des Faschismus abgeschafft sind. Als sich 1950 der Staatschef Israels David Ben Gurion mit der USA im Korea-Krieg solidarisierte, änderte sich die Argumentation der DDR jedoch und es rückten zunehmend antiimperialistische und antizionistische Begründnungen für einen Ablehnung der Wiedergutmachungszahlungen und des Schuldeingeständnisses in den Mittelpunkt. Während nämlich bis 1950 noch ein offenes Verhältnis gegenüber Israel herrschte – sah man hier schließlich die Möglichkeit Israel sozialistisch zu beeinflußen – wurde die Beziehungen mit Israel seit der Westanbindung zunehmend schlechter. Dies war auch den Begründungen zu entnehmen, mit denen Reparationen und Wiedergutmachungszahlungen an Israel prinzipiell ablehnt wurden. So war einer Reaktion des DDR-Außenministeriums auf Verhandlungen zwischen der BRD und Israel beim Luxemburger Abkommen von 1952 folgendes zu entnehmen: „Das Ziel der Befriedung der israelischen Forderungen ist der Ausbau der von den USA-Monopolkapitalisten dirigierten ökonomischen Basis des Kapitalismus in Israel, ist die Stärkung des USA-Stützpunktes im Mittleren Osten. Die Regierung der DDR lehnt es ab, auch nur das Geringste zur Verwirklichung dieses den Weltfrieden gefährdenden Zieles beizutragen.“ Schnell wurde Israel als die „Speerspitze des Imperialismus“ betrachtet und spezifische Gründe für das Entstehen Israels außen vorgelassen, bzw. sogar negiert, daß Israel das Recht habe Forderungen für die Überlebenden des Holocaust aufzustellen, da es als Staat erst nach dem 2. Weltkrieg entstanden ist.
Da Israel diplomatische Beziehungen zur DDR immer an Eingeständnis von Schuld und an die Bereitschaft zu Wiedergutmachungszahlen und Reparationen knüpfte, ist somit der erste Beleg dafür erbracht, daß der verantwortungslose Umgang der DDR mit der eigenen Vergangenheit und gegenüber Israel, Grundlage für die schlechten Beziehungen zwischen der DDR und Israel waren.
Zuspitzen sollte sich das verschlechternde Verhältnis der beiden Staaten an Hand der Situation im Nahen Osten. Die Konflikte zwischen Israel und den arabischen Staaten sowie der PLO lieferten hier die Grundlage. Die DDR erkannte hier für sich eine Möglichkeit, aus dem Spannungsfeld im Nahen Osten zu profitieren. Während sie einerseits erhoffte, durch die Unterstützung der arabischen Staaten und die Bereitschaftzu deren Anerkennung, die Wirkung der bundesrepublikanischen Hallstein-Doktrin zu durchbrechen, verstand sie ihre Solidarität mit den arabischen Staaten immer auch als Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen gegen Israel. In den verschiedenen Höhepunkten des Konflikts im Nahen Osten, daß heißt der verschiedenen Kriege zwischen Israel und den arabischen Staaten sowie in verschiedenen Gesprächen zwischen der DDR und arbischen Staaten, sollte sich sehr schnell der Antizionismus, der seinen antisemitischen Ursprung nicht verbergen konnte, zeigen. So schreibt Timm, daß in allen Gesprächen um eine Anerkennung zwischen arabischen Staaten und der DDR auch der gemeinsame Gegner Israel formuliert wurde. Zwar übernahm die DDR nicht solch israel-feindliche Forderungen, wie die des ägyptischen Präsidenten Nasser, der im Zuge des Sechstagekriegs erklärte: „Wir akzeptieren keine Grundlage für eine Koexistenz mit Israel. [...] Allein die Existenz Israels ist eine Aggression.“ Trotzdem war in einer gemeinsamen Erklärung zwischen Ulbricht und Nasser aus dem Jahre 1965 folgender Satz formuliert wurden: „Beide Seiten verurteilen die aggressiven Pläne des Imperialismus, nach denen Israel als gegen Rechte des arabischen Volkes und dessen Kampf für Befreiung und Fortschritt gerichtete Speerspitze geschaffen wurde, um seinen Zielen zu dienen.“(4)
Im Verlauf der verschiedenen Kriege zwischen der arabischen Staaten und Israel und im Zuge der zunehmenden Solidarisierung der DDR mit arabischen Staaten sowie der PLO, schlug die DDR der PLO, Ägypten und anderen arabischen Staaten sogar vor, sie durch Waffenlieferungen zu unterstützen. Ab Beginn der 70er Jahre geschah dies auch. 1973 formulierte eine Delegation der Volkskammer in Agypten in einem Abschlußkommunique sogar noch den Satz, daß die DDR den arabischen Staaten im „Kampf gegen Israel“ das Recht zugesteht, „alle Formen des Kampfes für die Befreiung der besetzten Gebiete anzuwenden.“(5)
Das diese Äußerung die Unterstützung des Traums arabischen Staaten, Israel zu zerstören, war, liegt dabei klar auf der Hand, spielte aber offensichtlich für die DDR-Deligation keine Rolle Im Gegenteil – in der DDR-Propaganda, wurde massiv gegen Israel gehetzt, Israel mit Zionismus gleichgesetzt und dieser als „reaktionär-nationalistische Ideologie der jüdischen Großbourgeoisie“ und „klassenfeindliche Strömung, die den Interessen der Werktätigen schadet“ aufgefaßt. Außerdem wurde Zionismus als „Rassismus in einer anderen Spielart“ beschrieben und nicht selten endete der DDR-Antizionismus in Verschwörungstheorien, die seinen antisemitischen Gehalt offen auf den Tisch brachten. So war in einer DDR-Broschüre über den Zionismus zu lesen: „Zu den Aufgaben der zionistischen Gruppierungen gehört insbesondere die Durchdringung der Presseorgane und der übrigen Massenmedien. [...] Zum gegenwärtigen Zeitpunkt richten diese reaktionären Kreise ihre Hauptangriffe gegen die internationale Anerkennung der DDR.“(6)

Bis in die 80er Jahre hinein sollte diese offenen antizionistische Propaganda in der DDR anhalten. Sie gipfelte teilweis darin, daß im SED-Organ „Neues Deutschland“ Gedichte und Artikel veröffentlicht wurden, die das Vorgehen Israels mit dem nationalsozialistischen Deutschland verglichen. Und auch in der Bevölkerung fanden diese antizionistischen und antisemitischen Äußerungen Rückhalt. Antisemitische Grabschändungen, Morddrohungen und Leserbriefe waren auch in der DDR keine Seltenheit.
Erst Mitte der 80er im Zuge Gorbatschows „Neuen Denkens“, der Hoffnung der DDR, über eine besseres Verhältnis zu Israel, Kontakte zu den USA zu erleichtern und als Reaktion auf die innenpolitischen Veränderungen in Israel, gelang eine teilweise Annäherung zwischen der DDR und Israel.

Angelika Timm stellt in ihrem Buch das Verhältnis der DDR zu Israel sehr genau dar und beleuchtet es implizit auch auf die historische Verantwortung, die die DDR gegenüber Israel gehabt hätte. Dies gelingt ihr deshalb so gut, weil sie eben nicht nur historische Fakten auflistet, sondern sie auch folgerichtig wertet ohne dabei Israels Rolle unkritisch zu bewerten. Ihr Verdienst ist es schließlich, in ihrer Analyse nie zu vergessen, welche Maßstäbe bei der Betrachtung der Beziehungen zwischen einem deutsche Staat und Israels angelegt werden müssen, daß ein deutscher Staat sich nämlich angesichts der Verbrechen des Holocausts immer in der Schuld dieser Verbrechen befindet und eine Anerkennung Israels und eine Folgeleistung israelischer Zahlungsforderungen zu mindest ein geringes Eingeständnis dieser Schuld wären. Jochen

Anmerkungen:
(1) Erklärung der Volkskammer vom 12.04.1990; hier zitiert nach Timm, S. 9
(2) Faschismus-Definition von Georgi Dimitroff: nach Wörterbuch der Geschichte, Berlin 1984, S. 290, hier zit. nach A. Timm, S. 37
(3) Timm, S. 39
(4) zitiert nach: Timm, A., S. 186
(5) ebd., S. 239
(6) ebd., S. 250



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last modified: 28.3.2007