home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[50][<<][>>]

Auf dieser Seite dokumentieren wir zwei LeserInnenbriefe, die uns im letzten Monat erreichten.
, 0.0k [Brief von Sven] [Brief von rosc.]
brief von sven, 1.4k

Ich habe Vorschläge gemacht, Ihr habt sie angenommen

Ich habe schon damals beim Lokalmatadore-Konzert für Hinweise über Zugangsbeschränkungen plädiert: „Frauen, Schwule und Korrekte bitte zu Hause bleiben“, oder so. Glücklicherweise (wenn ich die unter Umständen körperlichen Folgen des ahnungslosen Besuches bedenke) scheint sich das jetzt durchgesetzt zu haben: CEE IEH Nr. 49 (Nov. 98), Cause For Alarm (S. 16): „Definitiv nix für Warmduscher“.

Danke und weiter so.
Sven

PS: Viel Spaß dann auch bei Eurer Kaltwasser-Strukturdebatte.


[Brief von Sven] [Brief von rosc.]
brief von rosc, 4.8k

Wie UFFZ auf der Bühne stand und nicht mehr wußte, was sein Problem war

Vom 26. bis 29. Oktober spielte die Studiobühne Leipzig e.V. das Stück „Vom baldigen Ende Alwins nach seiner Beförderung“ nach Georg Boese unter der Regie von Alexander Firyn und der Dramaturgin Melanie Rühle im Conne Island. Die verwendeten Texte hatte der Autor selbst bereits im Frühling dieses Jahres im LOFFT inszeniert. Die folgende Kritik fragt, was da eigentlich stattgefunden hat.
Der Uffz von Georg Boese kam nicht als Fehl-, sondern Frühgeburt auf die Bühne. Es gab eine Inszenierung, die nicht statisch blieb, sondern work in progress, ein Lernprozeß, das Baby im Brutkasten wurde. Von Aufführung zu Aufführung standen immer mehr Menschen vor dem Vorhang, wurde das Stück rasender und rasanter. Die letzte schließlich zerhackte den Text, wühlte das Stück auf, kippte das Kind mit dem Bade aus. Ein Spektakel fand statt. Bilder waren manegenreif. Der Autor-Regisseur-Darsteller, seine überschwenglichen Mitspieler und der Zufall ließen sich öffentlich gehen. Alexander Firyn und Melanie Rühle haben mit ihrer Neuinszenierung nur eines geleistet – das Stück zerdehnt. Was bei Boese ein Tetanus war, kam bei Firyn/Rühle als Schlaffheit, Infantilität und Klausurtagung über das Theater an.
Was mich nicht stört ist, daß Firyn/Rühle vom Recht des Regisseurs Gebrauch gemacht haben, Text nur als Material zu achten. Was man an der einen Stelle ausschneidet oder kopiert, fügt man an der anderen wieder ein oder man läßt es weg. Daß sie das Stück damit jeder Handlung beraubt haben, das stört. Das stört nicht etwa deshalb, weil das nicht ihr gutes Recht wäre, sondern weil sie damit den Weg des geringsten Widerstandes gegangen sind: die dümmlich-faule Auffassung derer, die nicht lesen, sehen und hören können, nämlich die, daß das Stück absurd sei, wurde von ihnen vorbehaltlos bedient. Der Uffz aber ist nicht grotesker als das, was in ihm stattfindet: eine Biographie, die tragischen Memoiren eines – alten Arschlochs.
Boese konfrontiert den Uffz, der sich in starren Notwendigkeiten bequem eingerichtet hat, mit dessen eigener Vergangenheit, um dessen Existenz zu briefumschlag von rosc , 4.0k zertrümmern: ein Weltbild bricht zusammen, wenn Jugendanekdoten, verkorkste Beziehungen, verletzte Eitelkeiten den Uffz erkennen machen, wie er hinkam, wo er jetzt ist, wie er wurde. Der Faden, der sich durch Uffz' Leben zieht, ist verfitzt und zerfranst. Er taugt nicht, sich an ihm durch die Welt zu hangeln. Er reißt, sagt Uffz.
Um das mitzuteilen, konnte Boese die Sprache gar nicht zerstören. Sie ist das Letzte, das seinem Uffz bleibt. Boese treibt die Sprache deshalb in ihre Konsequenz. Wenn er den Uffz vorführt, dann führt er sie vor, indem er sie auf die Spitze treibt. Doppeldeutigkeiten bleiben präzise im Hals stecken.
Firyn/Rühle haben nun den Versuch unternommen, diese Sprache einzuschläfern. Er war leider erfolgreich. Ein erklärender Text zur ersten Uffz-Reihe wird eingelesen. Was man folgern könnte, wenn man etwas sähe und hörte, wird mundgerecht vorgesetzt. Schön absurd: Damit das auch jeder lustig findet, werden die Stimmen verfremdet. Figurennamen und Regieanweisungen tauchen auf, ohne daß ihnen auch nur ein kommentierender Charakter für ein Geschehen auf der Bühne abzugewinnen ist. Was waren wir nicht alle verwirrt! Der Uffz akzentuiert ja wie Loriot! Was haben wir uns gefreut. Und wie possierlich wissen die Schauspieler sich träge über die Planken zu schleppen, weil ja gerade wenn man sich wenig bewegt der Ausdruck umso intensiver wird.Auch wenn man leiser spricht, hören andere genauer hin. Doch da tritt der Regisseur höchstselber auf, und zwar vor die Bühne, um sein Ensemble mal so richtig an die Wand zu spielen und einem die Frage aufzudrängen: Weshalb wohl wird mit dem bühnengroßen leeren Raum eben vor der Bühne sonst nichts angefangen? Weshalb aber entsteht da das einzige sehenswerte Bild – dank Nebelmaschine? Und weshalb verlieren sie, die Bilder, sich auf einer Bühne, auf der so einige Gegenstände für sich selbst sprechen müssen? Komposition, Dramaturgie, eine Ökonomie der Handlung, des Spielens, Sprechens und des Raumes hätten ja eine Folgrichtigkeit erzwungen, hätten Konflikte plastisch gemacht und zugespitzt. Die hätten dann einer Lösung bedurft. So aber haben Firyn/Rühle eine Folie ausgebreitet, auf die Firyn ironisch, aber nicht ohne Sentimentalität, seine Theatermemoiren schreiben darf, wenn er etwa ganz Passables aus Rosetta wieder aufwärmt. – Firyn hätte der Uffz einiges zu sagen.
War Boese in seiner Inszenierungs-Reihe der Schreiber, der die Bühne und ihre Möglichkeiten entdeckt und auslotet, wenn er sich produktiv auf ihr austobt, so ist Firyn sein eigener Plagiator. Böse Zungen behaupteten, der eine habe sich blamiert. Genauso werden sie sagen: der andere hat seine unverkennbare Handschrift. Der eine scheiterte, was seine Intention: den Faschismus auf dem Theater anging. Firyn scheiterte an seiner Inszenierungs-Vergangenheit. Firyn/Rühle haben nichts als das Talent bewiesen, ein Drama zu entdramatisieren.
rosc.

[Brief von Sven] [Brief von rosc.]

home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[50][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007