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Im folgenden dokumentieren wir eine Kritik zu der antifaschistischen Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch in München im vollen Wortlaut. Dieser Artikel erschien bereits in gekürzter Fassung in der jungen Welt vom 6.3.1997.  



aus junge Welt, 11.6k

Guten Morgen.

Der Nazi-Aufmarsch am ersten März in München erwischte nicht gerade wenige Antifas so ziemlich auf dem falschen Fuß. Wer hier vielleicht zu oft mit dem falschen Bein aufsteht, bedarf dringend einer Benennung.

Ungefähr ein halbes Jahr haben die Nazis an dem Aufmarsch des „nationalen Widerstandes“ in München am ersten März gebastelt und kaum jemand hat ihn ernster genommen, als jeden anderen Nazi-Aufmarsch der letzten Zeit.
Neben allbekannten Nazi-Kadern marschierten aber in München vornehmlich jene, die man ansonsten allzu eilfertig der rechten Subkultur zuschlägt, die bisher jede direkte organisatorische Einbindung abzulehnen schien: die Großraumdiskotheken-Besucher im Skinhead-Outfit, die Hools in Marken-Klamotten, die Trinkhallen-Eckensteher, die lieben guten Töchter und Söhne ihrer Eltern.
All jene also, die im Verständnis des gesellschaftlichen Mainstreams keiner Fliege etwas zuleide tun können - es sei denn, es handelt sich um „undeutsche“.
Wer nach den Bildern von diesen marschierenden Rassisten-Fratzen in München immer noch behauptet, es handele sich um „Modernisierungsverlierer“ (Heitmeyer) mit rebellischer Wut auf „die da oben“, macht sich zum direkten Helfershelfer von denen, die mit solcherlei Rückendeckung umso fester nach unten treten: nach allem, was ihren an gut-deutscher Tradition ausgerichteten Wertemodellen folgend, vernichtet gehört.
Am ersten März in München marschierten die Zieh- und Hätschelkinder der „akzeptierenden“ Sozialarbeiter – die durch die „Anti-Gewalt-Programme“ der Bundesregierung hofierten und hochgezüchteten Rassisten.
Diese junge Fascho-Generation kriecht nicht aus irgendeinem wieder fruchtbar gewordenen Schoß der Gesellschaft. Nein, sie ist die dumpfe Essenz eines gesellschaftlichen Charakters, der diese realen und potentiellen Mörder konsequent prägt und damit erst hervorbringt.
Die scheinbar vorhandene Trennung zwischen Nazikader-Schmiede und rechter Subkultur ist in München endgültig zerbröckelt. Erkannt haben das genau diejenigen nicht, die ihre Antifa-Arbeit konsequent ausschließlich in der Bekämpfung der Nazi-Kader sehen. Eine völlige Fehleinschätzung der Dimension des Münchener Nazi-Aufmarsches war die Folge. In immer dubioserer Hinwendung zu kommunistischer Arbeiterbewegungs-Tradition a la „Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation“ ging an ihnen einfach vorüber, was sich in München anbahnte: „übervolle“ Nazi-Busse meldeten die „Nationalen Infotelefone“ in dankenswerter Offenheit schon Tage vor dem Aufmarsch. Doch woher, so vermuteten etliche – gerade autonome – Antifas, sollten denn die ganzen Nazis kommen? Meint man doch seit Jahren, dank guter Antifa-Archivare und Fahndungsspezialisten, eigentlich alle Nazis namentlich – quasi mit Handschlag – begrüßen zu können.
Gerade diejenigen Antifas, die sich zu solcherlei Einschätzungen hinreißen lassen, fehlten in München.
Dafür stellten sich jene den Nazis in den Weg, die in der Mehrzahl wußten, daß die Verhinderung des Nazi-Aufmarsches nur gleichgewichtet mit der symbolischen bzw. gar handfesten Verteidigung der Ausstellung des Hamburger Institutes für Sozialforschung funktionieren kann.
Das war spätestens mit den ersten antifaschistischen Demonstrationen am Samstag-Vormittag in München klar. Wo die Autonomen ein antiquiert-überstrapaziertes „Hinter dem Faschismus steht das Kapital“ skandierten, setzte die von verschiedenen linken Gruppen getragene Bündnis-Demo allein schon mit dem Front-Transpi – „Ohne Wehrmacht kein Holocaust!“ – die richtigen inhaltlichen Akzente. Es ist nun in erster Linie das Problem der wohlorganisierten und -strukturierten Antifa-Szene – vornehmlich des autonomen Spektrums – aus dieser Schlappe von Nicht-Anwesenheit in München die richtigen Schlüsse zu ziehen. Denn, die Nazis zu stoppen, auch das hat München gezeigt, ist nicht eine Frage der Militanz-Taktik, sondern von inhaltlicher politischer Motivation.
In diesem Sinne bleibt nur zu hoffen, daß der von den Nazis am ersten Mai in Leipzig geplante „Kampftag der Arbeit“ (s. jW v. 5.3.) nicht verboten wird und sie versuchen, mit dutzenden Bussen zu kommen. Denn nur die Antifaschisten können den Nazis jene Niederlage bereiten, die die Faschos dringend brauchen. Jörn Rentnig

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last modified: 28.3.2007