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Aktuelles Heft

INHALT #268

Titelbild
Editorial
• das erste: Die beste Sonntagsbeschäftigung
Sophia Kennedy
Flying Wheels Skateworkshop: Frauen- und Mädchen-Empowerment
»The Great Connewitz Swindle« oder wie der Mythos nach Connewitz kam
• interview: »Die Fettnäpfchen sind uns egal. Nur wenn man die Dinge diskutiert, kommt man zum Kern.«
• review-corner buch: Historischer Materialismus der Computerspiele
• review-corner event: „Allein unter Briten“ – Lesung mit Tuvia Tenenbom
• position: »Das ist kein Antisemitismus...« – Warum #FreeGazaFromHamas immer noch heißen muss, auch die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen zu kritisieren
• doku: Redebeitrag des Bündnis gegen Antisemitismus
• doku: Antisemitismus im Postkolonialismus
• doku: Gedichte von Hilde Domin
»Antizionismus ist Antisemitismus, und die Welt kann diese Tatsache nicht ignorieren«

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Editorial

An dieser Stelle finden aufmerksame Leser*innen meist eine kleine Zusammenfassung der Fehltritte der „Leipziger Linken“ der vergangenen Wochen. Allerdings trifft das Sommerloch auch die politische Aktivität, sodass es hier wenig zu berichten gibt. Abseits eines peinlichen Vorfalls in einem Institut für Zukunft, wo einer antizionistischen Aktivistin nicht direkt ein Hausverbot erteilt wurde, ist einfach nichts Spannendes passiert.

Daher widmet sich dieses Editorial einem positiven und sinnvollem Thema: Dem französischen Revolutionskalender. Wenn ihr dieses Heft in den Händen haltet, dann wird es Mitte Fructidor des Jahres 229 nach republikanischer Zeitrechnung sein. (Der Jahreswechsel ist dann am 22. September bzw. 1. Vendémiaire.)

Die Französische Revolution brachte nicht nur die (erst temporäre, dann später dauerhafte) Abschaffung der Monarchie mit sich, sie wollte auch mit allen, vorrevolutionären Tradition, die oftmals religiös geprägt waren, brechen. Und so begann ein paar Jahre nach der Revolution nicht nur im übertragenen Sinne eine neue Zeitrechnung. Der republikanische Kalender war schließlich von 1792 bis 1805 in Kraft.

Da sich astrophysische Begebenheiten nicht ändern lassen, hat auch dieser Kalender 365 Tage pro Jahr bzw. 366 in einem Schaltjahr. Auch ist dieser Kalender in zwölf Monate gegliedert, die jedoch alle genau 30 Tage haben. Da hören die Gemeinsamkeiten zum heute gebräuchlichen gregorianischen Kalender schon auf. Die Monate sind nämlich nicht mit lateinischen, sondern mit französischen Namen versehen und grob in jeweils drei Monate pro Jahreszeit aufgeteilt. Die Namen sind eher profan, so bedeutet Fructidor (der aktuelle Monat) bloß »Fruchtmonat« oder Brumaire (der zweite Monat des neuen Jahres) bedeutet »Nebelmonat«.

Alle Monate sind in jeweils drei Wochen zu je zehn Tagen aufgeteilt. Die Wochentage haben keine besonderen Namen, sondern zählen einfach von Primidi (erster Tag) bis hin zu Decadi (zehnter Tag) durch. »Nie wieder Montag« wurde in diesem Kalender also bereits verwirklicht. Zusätzlich dazu ist jeder Tag im Jahr (außer die fünf bzw. sechs Tage zum Jahreswechsel und die Tage im Nivôse) mit einer bestimmten Feldfrucht verbunden: So ist die Frucht des 1 Fructidor die Pflaume. Am Quintidi geht es immer um Feldtiere und am Decadi immer um Feldwerkzeuge von der Sense bis zur Gießkanne. Jegliche christliche Konnotationen fallen damit auch hinten runter, was wohl auch die Absicht dieses Kalendersystems war. (Es gibt dann übrigens auch kein Weihnachten mehr.)

Zu kritisieren ist die Verlängerung der Wochen auf zehn Tage, denn nur der Decadi bleibt der arbeitsfreie Tag. Welche Tage arbeitsfrei sind, ließe sich aber noch politisch festlegen. Wenn beispielsweise die Wochenarbeitszeit weiterhin bei maximal 40 Stunden bliebe, diese sich aber auf neun Tage verteilen würde, wäre die Tagesarbeitszeit deutlich kürzer – selbstverständlich bei vollem Lohnausgleich.

Eine besondere Rolle spielen die fünf bzw. sechs Feiertage zum Jahreswechsel, die sogenannten Sansculottiden, die mit bestimmten Konzepten wie Vernunft, Tugend, Belohnung oder Meinungsfreiheit assoziiert waren. Der Schalttag war übrigens der »Tag der Revolution«.

Weniger als dieses Kalendersystem konnte sich die Neuordnung der Tageszeit durchsetzen. So wurde der »revolutionäre Tag« in zehn Stunden zu je 100 Minuten mit je 100 Sekunden eingeteilt. Dies ist ähnlich willkürlich wie die aktuelle Einteilung, diese sogenannte Dezimalzeit könnte aber mittelfristig nachvollziehbarer sein als das babylonisch inspirierte Sechser-System, was heute genutzt wird. Und eine Umrechnung wäre auch nicht sonderlich schwierig.

So wie die Revolution sich beim ersten Versuch nicht durchsetzen konnte, ist auch der Revolutionskalender in Vergessenheit geraten. Bestenfalls Marx’ Schrift »Der sechzehnte Brumaire des Napoleon Bonaparte« erinnert noch an den Versuch einer neuen Ordnung der Zeit. Hervorzuheben bleibt der hehre Versuch, die Altlasten der Vergangenheit abzuwerfen, um eine neue, eine befreite Gesellschaft zu gründen – ohne religiösen oder feudalen Einfluss. Vermutlich müsste auch eine zukünftige, befreite Gesellschaft ähnliches vollziehen. Bis es so weit ist, gibt es in verschiedenen App-Stores eine kleine App, die es euch erlaubt, das aktuelle Datum in das republikanische Datum umzuwandeln. Vielleicht setzt er sich ja doch noch mal durch, dieser Revolutionskalender.

Die Bundestagswahl findet übrigens am Quintidi, 5 Vendémiaire (Tag des Pferdes) 230 statt.

Eure Redaktion

20.09.2021
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