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Aktuelles Heft

INHALT #267

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Editorial
• das erste: Die islamistische Rechte. Teil 3. Die Ülkücü-Bewegung: Von der völkischen zur islamistischen Rechten
• kulturreport: »Vom Anderen. Zur Möglichkeit und Unmöglichkeit von Utopien im 21. Jahrhundert«
• interview: Abschiebung heißt …?
• review-corner buch: Postmoderner Kapitalismus: How dare you – Über den Verlust des Nichtidentischen
• review-corner event: AFBL-Brunch
• review-corner buch: Machbarkeitsideologie als Naturbeherrschung
• review-corner buch: »Vorwiegend autoritäre Charaktere«
• position: Being a woman is not just a feeling
• doku: Skateboards sind wichtiger als Grimma
• doku: Rede am offenen Mikrofon zum Thema »Wie sehen unsere und eure Kämpfe gegen sexualisierte Gewalt aus?«
• doku: Dokumentation des Redebeitrags des AFBL bei der Tag der Jugend-Demonstration am 1. Juni 2021
• das letzte: Hausmittel gegen Bauchschmerzen

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Machbarkeitsideologie als Naturbeherrschung

Christoph Türckes neues Buch ist ein Must-read für alle pessimistisch Gestimmten

Christoph Türcke – der Name weckt böse Geister und ist Garant für kontroverse Gegenwartsdiagnosen: Heimat, Fundamentalismus, Geld, ADHS – das sind nur einige Themen, denen sich die Bücher des emeritierten Philosophie-Professors der HGB widmeten. Und nun das: Gender. Seine philosophische Abhandlung Natur und Gender: Kritik eines Machbarkeitswahns beginnt damit, das vielleicht zentrale Problem des Konstruktivismus aufzuzeigen, nämlich die Unbestimmtheit dessen, woraus konstruiert wird.

#Was war eigentlich am Anfang?#

Dafür zeichnet er auf anschauliche Weise dessen Ideengeschichte nach und fängt – für einen ausgebildeten Theologen ganz adäquat – bei der Schöpfungsgeschichte an. Doch das, was Gott laut der Genesis geschaffen hat, ist keine Konstruktion, sondern eine Kreation, eine Schöpfung. Und weil es vor ihr nichts gab, sondern die Welt aus dem Nichts heraus erschaffen wurde, ist sie eine creatio ex nihilo.
Bei der Entstehungsgeschichte der Welt, wie sie hingegen von Platon aufgeschrieben wurde, haben Zeus und die anderen Götter auf ein vorher Gegebenes zurückgegriffen, sie war also vielmehr eine Herstellung aus vorhandenem »Baumaterial« oder Substrat heraus und erst dadurch eine wirkliche Konstruktion. Ein Stichwortgeber in dieser Hinsicht war auch Vico: Nur das ist wahr oder verständlich, was man selbst geschaffen hat. Bei Kant heißt jenes Substrat »Ding an sich«, das die Neukantianer zu tilgen aufgetreten sind, indem sie behaupteten, es gäbe kein solches Ding an sich, sondern nur das Denken, während Denken gleichzeitig ein »Setzen, dass etwas sei« sei. Die Neukantianer verhielten sich nun zu Kant wie die christliche Schöpfungslehre zu den antiken Göttern, also als Creatio vs. Constructio – ein Gott, der nichts vorfindet gegenüber den Göttern als Konstrukteuren (40). Dabei übernahmen die Neukantianer sogar die schöpfungstheologisch aufgeladene Terminologie des Setzens und Bestimmens. (42).

#Geschlecht und Gender#

Dieselbe Frage, woraus das Produzierte eigentlich hergestellt wird, berührt nun auch das Geschlecht. Judith Butlers Theorie zufolge wird das Geschlecht ja vom Diskurs geschaffen – der Diskurs produziert, was er benennt, so der Kerngedanke von Foucaults Diskurstheorie, auf die sie sich beruft. Die Grundlage dafür lieferte Simone de Beauvoir: Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird es – so das bekannte Diktum aus ihrem Hauptwerk Das andere Geschlecht. Das bedeutet, die Gesellschaft macht aus der natürlichen Gegebenheit eine soziale Rolle. Diese These hat Judith Butler nicht nur radikalisiert, sondern auch entstellt, wie Türcke aufzeigt (125). In ihrer Dekonstruktion von Geschlecht war ihr selbst Foucault zu essentialistisch, da es für ihn so etwas gab wie »Dinge selbst und die Ereignisse, die sich unmerklich zu Diskursen machen«. Wo immer Dinge sind, »hat ein Diskurs sie schon aufbereitet«. Für Butler sind Körper zwar Materie, »aber nicht als Ort oder Oberfläche, sondern als ein Prozess der Materialisierung«, wie Türcke es zusammenfasst. »Wo Gesellschaft ist, gibt es nichts Vordiskursives« – in zweifacher Hinsicht: »Diskurs war immer schon da«, ungeachtet der Tatsache, dass »der Homo Sapiens ein Spätling der Naturgeschichte ist; dass seine Rituale, Institutionen, Lautformungen sehr primitiv angefangen haben, nämlich als ungelenke Versuche, übermächtige Naturgewalt zu verarbeiten; dass seine diskursiven Praktiken sich erst im Laufe vieler Jahrtausende von schwachen Notwehrmaßnahmen zu naturbeherrschenden Kräften gewandelt haben, …« und dass nicht an allem Anfang das Patriarchat gestanden hat. Der Diskurs konstruiert aus dem Nichts ohne vorher Vorgefundenes – dass ist kreationistisch und Butlers Konstruktivismus ist eigentlich ein Kreationismus, so Türckes Feststellung.

Das »Es werde Licht« wäre bei ihr »Und die Macht sprach: Es werde Materie! Und es ward Materie.« Nur dass dies Werden »kein einmaliger Akt, sondern ein unaufhörliches Sich-Materialisieren sein soll.« Aber: »Ist die „reglementierende Macht“ Geist oder Energie, göttlich oder gottähnlich?; ist der Materialisierungspozess ihr Ausfluss oder etwas von ihr Geschiedenes; aus nichts erschaffen oder aus etwas; wird sie erst zu Materie, wenn sie sich verfestigt, oder war sie es schon vorher?« (126) Ist der Diskurs nach griechischem oder jüdisch-christlichem Vorbild zu denken (als Konstrukteur oder Schöpfer)? (127).

Diese Materie als »im ewig bewegten Zustand des Noch-nicht-Festgelegtseins« ist eine strukturlose formbare Masse wie bei Platons Weltschöpfungsmythos, sie ist pure Empfänglichkeit, was wiederum an die Idee des Weiblichen erinnert, auch Butler verweist auf die etymologische Ähnlichkeit zwischen Materie und Matrix, lateinisch für Gebärmutter. Das passt mit dem patriarchalen, männlich geprägten Diskurs zusammen.

#Exkurs: Körper und Diskurs#

Türcke versteht den Butler’schen Konstruktivismus nun als Kreationismus, da sie ja bestreitet, dass es ein natürliches Geschlecht gibt, das als Ausgangspunkt für eine konstruierte Geschlechtsidentität gelten kann. Ihr Argument geht vielmehr genau anders herum: der Diskurs über Geschlecht erzeugt erst die Kategorie des Geschlechts, Gender geht dem Sexus voraus. Doch Türcke übergeht – vielleicht zurecht – Butlers Versuch, dem radikalen Konstruktivismus zu entkommen, der ihr von einigen Kritiker:innen für ihr Buch Das Unbehagen der Geschlechter (engl. Gender Trouble) vorgeworfen wurde. Dieser Versuch führt sie wiederum selbst in Widersprüche. Darauf soll jedoch noch kurz eingegangen werden. So möchte sie in Körper von Gewicht (engl. Bodies that matter) ja ihr Argument untermauern, dass es nicht nur kein biologisches Geschlecht, sondern auch keinen Körper gibt. Darin verwehrt sie sich des Vorwurfs, sie würde Geschlecht in Sprache auflösen. Ihre Ausführungen dazu sind vielleicht uneindeutiger und widersprüchlicher, als Türcke sie deutet. Zum einen bestreitet sie, dass es ein vordiskursives Material gibt, das dem Diskurs zum Ausganspunkt dienen könnte, da auch die Vorstellung eines Außer-Diskursiven vom Diskurs produziert würde. Aber ganz als ahne sie die Unmöglichkeit der diskursiven creatio ex nihilo, führt sie dann stellenweise doch wieder das außerdiskursive unter der Hand ein oder löst es in Sprache auf. Es will ihr einfach nicht ganz gelingen, das zum Verschwinden-zu-bringende zum Verschwinden zu bringen. Sie sucht Ausweg in einer relativ enigmatischen Betonung der Materialität der Signifikation durch Sprache. Dieser Signifikationsprozess sei insofern materiell, als »Zeichen wirken, indem sie erscheinen (sichtbar, hörbar), und zwar erscheinen sie mit materiellen Mitteln«, Sprache und Materialität seien »gänzlich miteinander verfugt«, aber »nie völlig zur Deckung zu bringen, beziehungsweise aufeinander zu reduzieren« (104). Trotzdem gehe auch »keines von beiden jemals vollständig über das andere hinaus. Stets schon im anderen mit enthalten, immer schon über das andere hinausschießend, sind Sprache und Materialität niemals vollkommen identisch noch vollkommen verschieden« (105). Man fragt sich ernsthaft, woraus diese irgendwie sprachlich gefasste Materialität dann bestehen soll, wenn nicht aus Sprache.

#Butlers »konstruktivistischer Fehlschluss«#

Butler fordert nun Ent-naturalisierung und Türcke versteht das – auf den ersten Blick ein wenig überraschend – als »Rückkehr zum Naturgemäßen«, also »Rückverwandlung der verfestigten Natur in die ursprünglich konturlose, unbegrenzt modellierbare Knetmasse des Diskurses«)(127).

Doch Natur heißt für Türcke: an der binären Struktur der Fortpflanzung des Lebens hat sich über Millionen von Jahren hinweg nichts geändert und die beiden dafür ausgebildeten Keimzellen seien kein Selbstzweck, sondern sind »für sich« nur insofern sie »für die andere« seien (135).

Heterosexualität war in dieser Hinsicht nun keine Norm, sondern alternativlos (147). Alternativen entstanden erst durch die menschliche Entwicklung, durch Trieblockerung, die nur durch das das psychoanalytische Konzept der Inversion verständlich ist. So bezeichnete Freud die Hinwendung zum gleichen Geschlecht, also Homosexualität. Das wiederum missfalle vielen. Sie – es ist nicht ganz klar wer hier gemeint ist – wollen den Begriff aus dem Sexualitätsdiskurs streichen.

Türcke versucht zu zeigen, dass das Argument der NaturzustandsleugnerInnen falsch ist und nennt dies den konstruktivistischen Fehlschluss. Aber ebenso zeigt er, dass auch das tradierte reaktionäre Argument, das sich auf Natur beruft, falsch ist, was er als naturalistischen Fehlschluss bezeichnet (166).

Nicht eindeutig ausgeprägte Geschlechtsmerkmale bzw. Intergeschlechtlichkeit stellt demgemäß eine Abweichung von der natürlichen Regelmäßigkeit dar, Stoffwechselstörungen sind nicht einfach andere Stoffwechsel, und wer dies leugne, unterliege dem naturalistischen Fehlschluss, dass es keine natürliche Regelmäßigkeit gebe. Doch Türcke hält auch fest: da der Mensch als Spezies die Abweichung vom Naturtrieb darstellt und diese Abweichung von Natur vielleicht das Menschliche schlechthin ist, nötigt zum Respekt vor Abweichungen von der Norm, also damit auch zum Schutz von Minderheiten. Türcke ist gegen Vereindeutigungszwang und für einen freien Vereindeutigungswunsch, damit ist er im Kern auch gar nicht so weit von vielen anderen, die mutmaßlich kritisiert, entfernt. Doch man müsse bei potentieller Geschlechtsumwandlung oder -angleich unterscheiden zwischen physischem und sozialem Leidensdruck, dafür sei Entscheidungshilfe nötig (167 ff.).

#Identifikation#

Türckes zweites Kernargument ist seine Kritik fragwürdiger Identifikation im psychischen Sinne, also der psychische Prozess der Identifikation als »Angleichung eines Ich an ein Fremdes« (159), der seinen Prototyp wahrscheinlich in der Wiederholung der Naturgewalt durch die Hominidenhorden in der »Zuflucht vorm Schrecklichen beim Schrecklichen« - etwa durch in der tödlichen Gewalt der Opferschlachtung. (157)

Seine Erklärung von Identitätskonflikten orientiert sich stark an Freud – jedoch nicht unkritisch. So weist er Freuds Annahme der Mischung von Trieben zurück – und gibt damit Butler recht – sowie die des Todestriebes – und kritisiert damit Derrida und Butler, die diese übernehmen. (156)

Zur Erklärung der Homosexualität brauche man Türcke zufolge weder eine »ursprüngliche bisexuelle Anlage noch eine ödipale Dreieckskonstellation. Es genügt die trieblockernde und -lenkende Kraft der Identifikation« und diese verlaufe präödipal (163). Die Homosexualität sei dabei jedoch nur graduell »invertierter« bzw. kultivierter, d.h. ein wenig näher am Kulturellen, während sie in Kulturen, wo sie unterdrückt wird, weniger vorkommt.

Türcke plädiert dafür, weder dem konstruktivistischen noch dem naturalistischen Fehlschluss zu verfallen, klingt dabei stellenweise aber etwas konservativ, etwa wenn es heißt, der Eigensinn der Natur »als ihr eigenes hinzunehmen lernen« sei eine Elementarübung menschlicher Demut« (166).

Hier liegt vielleicht der Grund dafür, warum andere Rezensionen Türcke konservative Positionen vorwerfen. Doch das ist so übertrieben wie es wenig überraschend ist, schließlich schreibt Türcke in der Tradition der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule, die ebenfalls eine konservative, im Sinne von fortschrittskritische Gesellschaftskritik vertreten hat.

Türckes Kritik zielt auf die irrationale Basis des Wunsches nach Geschlechtsidentitätenwechsel, da nur noch ein Gefühl darüber entscheide, welches Geschlecht man haben möchte: sentio ergo sum – ich fühle also bin ich – nennt Türcke dies in Anlehnung in Descartes’ Diktum des cogito ergo sum (ich denke, also bin ich).

Dass nun zwei Gutachten über das Zugehörigkeitsempfinden über die Geschlechtszugehörigkeit einer Person ungeachtet aller Naturbasis entscheiden, hält Türcke für falsch (170). Doch diese Frage hat viele Facetten und Türcke blendet vieles davon aus. Allen Fällen sei jedenfalls gemeinsam, »dass die leidende Person das Bild, das sie vom anderen Geschlecht gewonnen hat, für ihr eigentliches Sein hält«. (178) Dem gelte es auf den Grund zu gehen und nicht von vorneherein die Flinte ins Korn zu werfen, wie er es der Tendenz der heutigen Psychoanalyse vorwirft. Dabei schließt er nicht aus, dass eine Geschlechtsumwandlung oder -anpassung ein Mittel der Wahl sein kann, doch findet, dass es das letzte Mittel sein sollte.

#Transgender-Schwelle und Cyborgs#

Ferner hält er das Konzept der Transgender-Schwelle, das der Psychologe Griffin Hansbury eingeführt hat und die dieser als einen psychischen Raum, worin »Körperteile und gegenderte Anteile zusammenstoßen und miteinander verschmelzen« in jedem Menschen, für eine irreführende Vorstellung, die sich jedoch zunehmender Beliebtheit erfreut. Natürlich ist Freuds Theorie, beispielsweise in seinem reduzierenden Primat des Penis, Grundlage für einigen – konservativen wie »fortschrittlichen« – Quatsch, der von da ausgeht und damit auch Ziel der Kritik Türckes. (190 ff.) Dennoch bildet sie die Grundlage für Türckes psychoanalytische Zurückweisung der dekonstruktivistischen Entpathologisierung von Transidentitätswünschen zur »gender incongruence« (185 ff.), bei der auch die aktuelle psychoanalytische Theoriebildung einfach mitmache (190). Dabei werde überdies aus der Frühzeit der Metaphysik die Idee der Körperunabhängigkeit der Seele mitgeschleppt (190).

Originellerweise sieht er die Maxime des sentio ergo sum (ich fühle also bin ich), das das Cartesianische cogito ergo sum abgelöst hat, bei Geschlechtsidentitäten ebenso wie bei den ihnen konträren Reichsbürgern am Werke, die sich auch einem anderen Staat zugehörig fühlen. (218)

Über die Kritik des modernen Cyborgs – des Menschen, dem das Smartphone zu einem unabdingbaren Teil des eigenen Körpers geworden ist und ohne den er nicht mehr lebensfähig ist und den Donna Haraway mit ihrem „Cyborg Manifesto“ in freudiger Erwartung gefeiert hat – schlägt Türcke den technikkritischen Bogen zur Abfertigung des neoliberalen Kapitalismus. Interessant ist dabei, dass er den Konstruktivismus schon in dessen Wachstumsimperativ angelegt sieht: »Natur ist lediglich ein Konstrukt und im Prinzip unbegrenzt formbar.« (217) Seine Schlussfolgerungen sind ebenso wenig neu wie ungültig: »Menschen sind selbst bloß Naturwesen. Sie können die Übermacht der Natur handhaben, reproduzieren, verstärken oder dämpfen, aber nicht loswerden.« (219) Türcke fordert daher Demut und Lernen, dass Natur das Substrat aller Konstruktionen darstellt. Gerade die Klima-Katastrophe und die Corona-Pandemie zeigen, dass Natur keine menschliche Knetmasse ist, sondern nötigen zu jenem Eingedenken der Natur im Subjekt, das Adorno als eine Grundbedingung für Befreiung galt.

#Fazit#

Zwar betreibt Türcke über weite Strecken begrüßenswerte Ideologiekritik, die zudem angenehm zu lesen ist, weil sie relativ sachlich, prosaisch geschrieben und zur Abwechslung frei von Polemik ist. Doch die Argumentation hinkt aufgrund verschiedener Probleme. Da er allgemeine Tendenzen kritisch beleuchten möchte, übergeht Türcke freilich viele Feinheiten und unterschiedliche Ausprägungen der Diskurse um Trans-Identität, beispielsweise, dass es gerade aus der Perspektive intergeschlechtlicher Menschen eine starke Kritik an der Körper-Ausblendung dekonstruktivistischer Trans-Diskurse gibt. Manchmal stellt sich die Frage, woran er sich eigentlich abarbeitet. Dafür hilft es, sich immer den Untertitel zu vergegenwärtigen: Machbarkeitswahn. Zudem gibt er wenige Quellen an, auf die er sein Wissen stützt. Das macht es auch schwierig, Dinge zu überprüfen, geschweige denn zu kritisieren oder zu widerlegen. So geht Türcke z. B. gar nicht auf aktuelle theoretische Werke ein, die aus Trans- oder Inter-Perspektive argumentieren. Dadurch ergibt sich insgesamt der Eindruck, dass sein Rundumschlag aus ideologiekritischer Sicht zwar gut in der Intention richtig ist, aber allenfalls einige Denkanstöße liefern kann, sich genauer mit dem Thema zu beschäftigen.

Christoph Türcke: Natur und Gender. Kritik eines Machbarkeitswahns. C. H. Beck, München 2021, 233 Seiten, 22,00 EUR, ISBN: 978-3-406-75729-7.


Marlon

30.08.2021
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