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Aktuelles Heft

INHALT #185

Titelbild
Editorial
• das erste: Immer wieder Selbstbetrug
Vergesst den sich bahnenden Frühling
Boston represent...
AYS, Hang The Bastard, Wayfarer, Slave Driver
Scuba
"Aber wenn ich werd' schreien, wird besser sein?"
Willkommen im „Irrenreservat“a
The Beat Scene's Next Generation
After St.Patricks Day Is Before St.Patricks Day
...And You Will Know Us by the Trail of Dead
Disco Ensemble
Freiheit auf Arabisch
Hercules and Love Affair
Das Filmriss Filmquiz
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• kulturreport: Die Wahl der Socken
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• doku: Über die Voraussetzungen der Israelsolidarität
• leserInnenbrief: LeserInnenbrief
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LeserInnenbrief

zum Text "Es gibt tausend gute Gründe" im CEE IEH #182

Liebe Susanne,

Ich fand deinen Beitrag in der Ausgabe 182 sehr gelungen und freue mich vor allem darüber, dass auch mal wieder ein junger Mensch in diesem teilweise viel zu abgehobenen Blatt etwas veröffentlicht, ohne bereits ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert zu haben. Ich kann auch deine Empörung gut nachvollziehen, allerdings haben sich leider einige kleine Ungereimtheiten eingeschlichen. Da du noch nicht lange dabei zu sein scheinst, dies ist nicht in abwertender Absicht gemeint, möchte ich dir für deine zukünftigen Schritte in der linken Szene einige lieb gemeinte Hinweise geben.
Es ist gerade für uns Linke ein heißes Eisen, anderen per se Beschimpfung, Verunglimpfung und Hass vorzuwerfen. Nicht selten verwenden wir gerade die beiden erstgenannten „Stilmittel“, um unseren radikalen und grundlegenden Forderungen an die Gesellschaft und ihre Akteur_innen unter Zuhilfenahme von überspitzter Empörung mehr Gewicht zu verleihen. So sprechen oder schreiben wir z.B. von „Antisemit_innen, Rassist_innen, Antifeminist_innen, Macker_innen, Faschist_innen, etc.“ obwohl wir natürlich meist sehr genau wissen, dass wir es damit oft übertreiben und die Adressat_innen eigentlich nicht ganz so böse sind, wie wir sie darstellen. Lies doch einfach mal einige ältere sowie neuere Ausgaben des Newsflyers und du wirst feststellen, dass alle politischen Gruppen innerhalb der Linken sich da nicht sehr viel nehmen. Das kann emotional teilweise sehr belastend sein, aber wir haben eben auch Gefühle, manchmal hassen wir auch. Dies bringen wir zum Ausdruck, wenn wir beispielsweise rufen „Wir haben euch was mitgebracht – Hass, Hass, Hass“ oder „Wer Deutschland liebt, den können wir nur hassen“. Tatsächlich erzeugen wir nicht nur „[e]in Klima, in dem andere herunter gemacht werden, in dem Fragen und Kritik belächelt werden“, sondern eines, in dem bestimmte Dinge einfach nicht gesagt werden dürfen und tabuisiert sind. Gerade das ist unsere Stärke. Dadurch, dass wir von vornherein gewisse Meinungen, Aussagen und Mao Thesen ausschließen, können wir erst unsere Identität bestimmen, Gemeinsamkeiten festlegen und uns gegenüber den Wertmüllers dieser Welt abgrenzen, wie du es eindrucksvoll in deinem Text demonstrierst. Dadurch, dass wir bestimmte Standards schon von vornherein als allgemein akzeptiert verstehen, müssen wir auch keine inhaltliche Begründung liefern. Unsere Emotion, also auch unser Hass, ist Grund genug! Menschen, die wie wir denken, verstehen das auch. Aber können wir deshalb Wertmüller und seinem Gefolge unsere eigenen Methoden vorwerfen, die wir immer dann anwenden, wenn es um Faschist_innen, Sexist_innen, Bullen, Bürger_innen, etc. geht?
Du schreibst, dass „das Conne Island zumeist ein bemerkenswert schöner Ort“ ist. Ein Ort, „an dem das Palituch nicht getragen werden darf.“ Die meisten von uns haben zu diesem Symbol eine andere Einstellung als du, aber darum soll es hier nicht gehen. Allerdings schreibst du auch, dass Wertmüller „seine vermeintlichen Wahrheiten in der eigenen Zeitung publizieren [kann], (…) aber nicht die Island-Bühne [braucht].“ Tatsächlich waren es aber maßgeblich die Bahamas und ihre lokalen Vertreter_innen, welche durchgedrückt haben, übrigens auch unter Zuhilfenahme von Beschimpfungen und Verunglimpfungen von großen Teilen der Linken, dass im Conne Island kein Platz ist für ein internationales Symbol gegen Imperialismus und Kolonialismus. Es mutet also durchaus ein wenig seltsam an, wenn du von „vermeintlichen Wahrheiten“ schreibst, die in dem Projekt, in welchem du dich engagierst, ganz praktisch umgesetzt wurden. Natürlich stehst du aktuellen Positionen der Bahamas sicher kritisch gegenüber, allerdings ist es nie verkehrt, sich auch mit ihrem nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Leipzig auseinanderzusetzen. Wende dich einfach vertrauensvoll an ältere Genoss_innen. Das ist auch nicht weiter schlimm, wenn man noch nicht so lange dabei ist, sind viele ältere Auseinandersetzungen einfach nicht bekannt. Trau dich, niemand wird dir den Kopf abreißen!
„Das Conne Island Plenum kann mit dem und im Conne Island machen, was es will.“ Das klingt erstmal sehr schön und hat viel von einem selbstbestimmten und emanzipatorischen Umgang mit dem Projekt, an welchem man sich beteiligt und deine trotzig frische jugendliche Art ist beileibe sehr sympathisch. Leider sieht die Realität, auch wenn dir das einige vielleicht anders vermittelt haben, ganz anders aus. Da auch das Conne Island Teil der kapitalistischen Verwertungslogik ist, müssen Aufgaben erledigt werden, auf die Menschen vielleicht gar keine Lust haben. Türen müssen verschlossen werden (wegen eventuellen Diebstahls), es muss gereinigt werden, ein Einlass muss aufgestellt werden, es muss gekocht werden, Getränke müssen geordert werden, etc. Dies klingt erstmal alles sehr spießig, wenig nach Spaß und Selbstbestimmung, aber leider müssen bestimmte Dinge erledigt werden, sonst könnte das von dir mitgestaltete Projekt bald dichtmachen. Hierfür bedarf es eines gewissen Maßes an Selbstausbeutung. Dies verschweigen wir gern, aber leider ist es so. Lass dich davon nicht abschrecken, die Genugtuung und Liebe, welche du im Gegenzug erhältst, machen die ganzen Strapazen allemal wett. Und wer weiß, vielleicht wird das Conne Island auch mal zu deinem Baby, zu deiner kleinen Familie. Eine Möglichkeit, dem ganzen kleinfamiliären patriarchalischen Familienbetrieb zu entfliehen und diesen mit etwas besserem zu ersetzen. Lass dich von dem ansässigen Spielplatz nicht entmutigen, nicht alle besitzen die Stärke, den Verlockungen des Kapitalismus und der ihn stärkenden romantischen Zweierbeziehung zu widerstehen. Sei stark!
„Muslimische Frauen oder gar Türkinnen und Araberinnen homogen als Opfer zu sehen, ist sexistisch, weil es, genau wie falscher Feminismus, Frauen eigenen Willen, eigene falsche Entscheidungen und politische Subjektivität versagt. Männer sind die handelnden und Frauen werden behandelt.“ Schwierig. Zum einen bezieht sich die Bahamas immer wieder auf, gerade in unseren Kreisen aufgrund ihrer postkolonialen und heteronormativen Positionen immer wieder kritisierten, Frauen wie Nekla Kelec und Seyran Ates, andererseits hast du natürlich auch Recht, da Leute wie Wertmüller ständig in ihrem Eurozentrismus verhaftet bleiben und den eigenen Sprechort nicht reflektieren können. Muslimische Frauen haben sehr wohl Handlungsmöglichkeiten, auch wenn diese in vielen Regionen der arabischen Welt nicht über Heim und Herd hinausreichen, so nehmen sie dadurch doch an einem diskursiven Prozess der Gesellschaftsgestaltung teil. Diesen Regionen fehlende politische Subjektivität von Frauen vorzuwerfen ist, wie du es ganz richtig erkennst, eurozentristischer Unfug. Allerdings solltest du, wenn du von der „Ideologie des Islamismus“ schreibst, nicht vergessen, dass dies ein von westlichen Männern geprägter Kampfbegriff ist, von solchen Typen wie Sarrazin. Die Formulierung „islamische Communities“ ist auch recht fragwürdig und lässt ein wenig biodeutschen Rassismus anklingen. Muslim_innen wird im Rahmen postkolonialer und rassistischer Politik, vor allem in Deutschland, doch gar keine andere Wahl gelassen, als sich in Gemeinschaften zusammenzuschließen um sich gegen rassistische Zumutungen wie etwa Sprachkurse zu wehren.
„Mal ganz abgesehen davon, dass sich Antisemitismus unter anderem in Form von Verschwörungstheorien äußert: ein paar wenigen, ominösen im Dunkelnbleibenden wird die Macht zugesprochen, die Fäden im Hintergrund zu ziehen, und andere als ihre Marionetten auftreten zu lassen, die nur den Willen der Menschen im Hintergrund ausführen. Genauso wird jetzt von Seiten der bahamas argumentiert.“, schreibst du völlig richtig, allerdings schriebst du vorher: „Nazivergleiche sind nicht nur vollkommen jenseits legitimer Kritik, sondern relativieren zusätzlich den Nationalsozialismus und seine SchergInnen.“ So sehr ich auch mit deinem Text sympathisiere, solche Widersprüchlichkeiten sollten sich nicht einschleichen dürfen.
Ich hoffe, ich konnte dir ein paar nützliche Hinweise geben, ohne autoritär aufgetreten zu sein. Auf jeden Fall wünsche ich dir für deine Zukunft in der Linken und am Conne Island alles Gute, viel Kraft und ein erfolgreiches Studium.

Mit solidarischen Grüßen

Chay

P.S.: Wichtig sollte für uns Linke auf jeden Fall sein, dass Unterdrückungsmechanismen und jegliche Form der Diskriminierung gleichberechtigt nebeneinander stehen. Sonst hat man zwar, wie Lou Sander in einem LeserInnenbrief in Ausgabe 180 deutlich werden lässt, ein Problem mit Rassismus, schenkt aber den eigenen Ressentiments keinerlei Beachtung mehr. Das politische Gegenüber in diffamierender Absicht mit der Bezeichnung „klein“ zu belegen, zeugt von der ungenügenden Beschäftigung mit Ageism, Lookism und Heightism.

P.P.S.: Auch wenn du die Toten Hosen mögen solltest, wie es der Titel deines Textes nahelegt, versuch es doch mal mit den Ärzten. Die sind viel witziger und haben auch musikalisch mehr zu bieten. Liebgemeinter Tipp.

P.P.P.S.: Entschuldige, aber lateinische Zitate, selbst wenn sie richtig angegeben werden, sind für emanzipatorische Menschen eine einzige Zumutung! Sie verweisen auf nichts anderes als einen weißen bildungsbürgerlichen Background und man sollte einen positiven Bezug auf solch reaktionäre und elitäre Scheiße stets unterlassen!

 

24.02.2011
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
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