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Bomb ya in the city, bomb ya!

Filmplakat, 35.2k

Peter Kosminsky: Dschihad in der City (Originaltitel: Britz), GB 2007

Wie der Film „Dschihad in the City“ von Peter Kosminsky die Diskriminierung der muslimischen Minderheit und die Verschärfung staatlicher Maßnahmen gegen den islamistischen Terrorismus in Großbritannien als Ursache anführt, um so vehementer die Verübung von selbstmörderischen Anschlägen einzufordern. Die moralischen Rechtfertigungen kommen dabei selbstverständlich nicht zu – schließlich trage ja der Westen die Schuld an der Heraufbeschwörung der Djihadisten.

Eines vorweg. Diesen Film muss man sich nicht anschauen. Es reicht völlig aus bis zum Abspann vorzuspulen. Achtung! Die blutrünstige Märtyrerbotschaft kommt erst nach fast vier geschlagenen Stunden…, und damit hat es sich auch schon.(1) Ich wüsste nicht, wie dieser Film à la „Paradise now!“ überboten werden könnte, außer vielleicht von noch nicht verfilmten, sozusagen von noch authentischeren Märtyrervideos. Schlechterdings spuken da draußen Nachahmer herum, die die abschließende Morddrohung der Hauptdarstellerin leider überaus Ernst nehmen und sie verwirklichen wollen. Aber zum Glück, werden sich die Deutschen sagen, gab es ja hierzulande noch keine Anschläge (abgesehen von den verhinderten in Köln vom 31.7.2006). Da ist es bestimmt ganz angenehm im trauten Heim die Junge Welt oder die Junge Freiheit oder die Süddeutsche Zeitung oder oder oder zu lesen (die schlimmen Israelis mit ihrem menschenverachtenden Krieg gegen Gaza und so), mal an einer antizionistischen Montagsdemonstration in Leipzig oder sonst wo teilzunehmen, oder, um die Sache abzurunden, am wohlverdienten Abend sich eben diesen Film anzuschauen, um nur umso mehr Verständnis für „die gerechte Sache der Terroristen“ aufzubringen. Das kann sich sehen lassen, sagen sich da die Deutschgesinnten.
Also zum Film selbst. Dieser britische, leider allzu reale (Horror)Streifen lief als zweigeteilte Sendung Britz erstmals auf Channel 4 am 04.10.2007 und möchte die Ursachen für die Terroranschläge vom 7. Juli 2005 in London thematisieren („ermenscheln“ träfe es besser!), bei denen 57 Menschen ihr Leben verloren und an die 700 zum Teil schwer verletzt wurden. Am Beispiel der pakistanischen Einwandererfamilie Wahid wird der gesellschaftlichen Auseinandersetzung in Großbritannien um Integration, Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten, Ausweitung der strafrechtlichen Befugnisse des Staates (Anti-Terrorgesetze, Kontrollverfügung) etc. mehr oder weniger subtil Platz eingeräumt, um anhand der eng miteinander verwobenen Geschichten der Geschwisterkinder Sohail (Riz Ahmed) und Nasima Wahid (Manjinder Virk), die am Ende wieder aufeinander treffen, letztlich die Ursachen des islamistischen Selbstmordkommandos so zu verdrehen, dass die Opfer zu den eigentlichen Schuldigen werden. „Die haben es ja so gewollt!“
Im ersten Teil des Films schlägt Sohail eine Laufbahn als eifriger Jurastudent ein, um es als Brite in der Gesellschaft zu etwas zu bringen. Daher bewirbt er sich zusätzlich beim nationalen Geheimdienst MI5, der Hände ringend um pakistanische Einwanderer bemüht ist, da diese sich besser in die Netzwerke einschleusen lassen (er bekommt die Stelle nach etwaigen Aufnahmeprozeduren), um die Radikalen unter den Moslems dingfest zu machen, vor allem diejenigen, die als Drahtzieher der Anschläge in London gelten. Dadurch sollen weitere Taten dieser Art zukünftig verhindert werden. Unter den dringend Tatverdächtigen sind seine engsten Freunde, die als Trotzreaktion gegen die verschärften Gesetze nun ihrem Glauben durch das Tragen arabischer Gewänder besonderen Nachdruck verleihen wollen. Sohail veräppelt diese nur zu gern: „Dachte du wärst hier aufgewachsen, nicht in einem Scheißghetto in Gaza!“ Unterscheidet er sich anfangs noch von seinen „radikalen Glaubensbrüdern“, so stimmt er doch immer wieder ihren Auffassung von den „Kreuzfahrernationen“, vom „Krieg gegen die Muslime weltweit“, vom „rassistischen Bullenstaat“ zu. Es geht dem Regisseur darum, den Zuschauenden einen emotionalen Nachvollzug der Erfahrungen der Zivilbevölkerung in allen Staaten, in denen Muslime unter den „israelischen amerikanischen, englischen usw. Barbaren“ leiden, unterzujubeln. Diese sollen dafür am Ende die gerechte djihadistische Reaktion zu spüren bekommen und am eigenen Leib erfahren, was Leid bedeutet. Die tragische Untermalung mit Musik kommt so auch nur an den Stellen vor, wo es um menschelndes Einverständnis gehen soll. Die nach und nach eingestreuten Diskussionen, die Sohail mit einer islamistischen Kommilitonin seines Jurakurses zum Beispiel führt, verlaufen alle nach dem gleichen Muster: Es werden moralisierende Vorwürfe ins Spiel gebracht, und der jeweilige Gegenpart vermag es nicht auf rationaler Ebene zu kontern, geschweige denn einen Erfolg bei den gegen Aufklärung Resistenten zu erzielen. Das macht dieses Gewäsch im gesamten Film auch so gefährlich, es gibt keinen wirklichen Gegenpart. So hebt Sohail zwar an einigen Stellen im Film die Vorzüge demokratischer Lebensverhältnisse gegenüber seinem pakistanischen Heimatland hervor, die er durch sein Privileg als britischer Staatsbürger mit anderen teilt, doch geraten diese Kriterien durch seine geheimdienstlichen Erfahrungen mehr und mehr ins Schwanken. Letztlich begünstigt seine innerste Zustimmung die Tat der Schwester Nasima, die sich mit ihm – und all den anderen, die zu diesem Zeitpunkt anwesend sind – in die Luft jagt. Den Anschlag zu verhindern, und das ist der Auftrag des MI5, dem Sohail im ersten Teil des Films nachkommen soll, schlägt also mit viel Ach und Krach fehl.
Seine antiamerikanische und antizionistische Schwester nämlich, und ihr ist bezeichnenderweise der zweite Teil des Films gewidmet, studiert Medizin. Sie versucht durch politische Agitation u.a. vor Moscheen, wo sie brav ihr Kopftuch trägt, das „Schoßhündchen“ des „World‘s #1 Terrorist“ (gemeint ist der damalige amerikanische Präsident Bush) Tony Blair durch seine etwaige Absetzung bei den bevorstehenden Wahlen daran zu hindern, weiterhin „Muslime weltweit zu misshandeln, zu vergewaltigen und abzuschlachten“. Ihr Verständnis, das sie für die islamistischen Umtriebe an der Universität aufbringt, wächst durch die unterschiedlichsten Ereignisse, scheinbar ganz kausal begründet, an: BNP-Mitglieder schlagen ihre Glaubensbrüder zusammen und tyrannisieren sie; der „rassistische Polizeistaat“ behandelt sie und ihre Freunde als „Bürger zweiter Klasse“; die Mutter erleidet durch die Verhaftung der besten Freundin Nasimas einen Gehirnschlag; diese verhaftete Freundin erhängt sich daraufhin, weil sie den Sanktionen durch die Kontrollverfügung nicht mehr standhält (obwohl sie auf groteske Weise eine Minute zuvor noch voller Überzeugung sagt, jetzt werde sie das alles nicht mehr hinnehmen und sich endlich wehren) usw. Der Radikalisierung seiner Schwester versucht Sohail durch zarte Hinweise entgegenzuwirken, sich doch besser als gläubige Muslima in die Gesellschaft einzubringen, um die Verhältnisse von Innen heraus zu verbessern und sich nicht, wie ihre radikalen Glaubenbrüder an hetzerischen Demonstrationen zu beteiligen, die alles nur noch viel schlimmer machen. Auch solle sie keine „Bomben werfen“. Dieser letzte Umstand ist der Unlogik des Films geschuldet, schließlich geht es der Märtyrerideologie des Todes um das grade Gegenteil. Nur die aufopferungsvolle Selbstvernichtung für die Gemeinschaft kann Erlösung bringen.
Dass „Djihad in the city“ nicht mit den Bildern der Anschläge von London selbst beginnt, sondern mit einer anderen Szene, die schockieren soll, spricht Bände. Sohail findet zu Beginn des Films seine vermeintliche Schwester Nasima als eine verkohlte Leiche in einem pakistanischen Krankenhaus aufgebahrt und sichtlich entstellt vor. Was ihr geliebter Bruder und die werten Zuschauer bis dato aber noch nicht wissen, ist die Tatsache, dass jene gerade durch ihr Heimatland tourt, um sich in einem islamistischen Ausbildungslager für eine Märtyrermission das nötige Terroristen-Know-how anzueignen. Bei der Toten, die in Wirklichkeit unter den Augen des trauernden semiprofessionellen Geheimdienstlers Sohail liegt, handelt es sich, wie der weitere Verlauf des Films zeigt, um irgendeine Frau, die für die Vortäuschung des Todes von Nasima herhalten musste, um ihren mörderischen Plan zu vertuschen. Die pakistanische Polizei hat daran keinen geringen Anteil. Die sich im Verlaufe des Films aufdrängende Befürchtung Sohails, sie könnte von ihren Cousins verbrannt und vorher vergewaltigt worden sein (wohl auch nur eine vortäuschende Maßnahme an einer völlig unbeteiligten Person, damit das alles authentischer wirkt), weil sie die Familienehre befleckt hatte, stellt sich als unbegründet heraus. Allen islamischen Konventionen zum Trotz verliebte sich Nasima in ihren Professor Jude (Chinna Wodu), der „schwarz und noch nicht einmal Muslim“ ist, wie ihre Eltern ihr vorwerfen. Schließlich überschlagen sich die Ereignisse derart, dass eine Ohrfeige ihres Vaters ausreicht Nasima für die Zwangsverheiratung in Pakistan gefügig zu machen. Und so hält die Liebe zu Jude nicht lange an.(2) Dass diese Kausalität ebenso wie der im gesamten Film leitende „logische Zusammenhang“ von den Ursachen eines Selbstmordanschlags bis zu dessen Ausübung, nicht einzuleuchten vermögen, ist nicht weiter verwunderlich. Nasima gehorcht unmittelbar dem Willen ihres Vaters und betrachtet es zugleich als Möglichkeit, die notwendigen Kontakte zum Terrornetzwerk herzustellen. Damit sollen die Loslösung von den westlichen Verhältnissen und ihre heimtückische Wiederkehr nach GB als Märtyrerin endgültig besiegelt werden. Die überaus detaillierte Beschreibung und logistisch einwandfreie Planung des zukünftigen Attentats ist das Ungeheuerliche an dieser zweiten Hälfte des Films. Es werden Tipps und Ratschläge erteilt (immer mit einem kleinen Späßchen am Rande), wo es nur geht. Also zukünftige Terroristen: Notizbuch zur Hand und aufgepasst! Hier ist das Djihad-Einmal-Eins. Das Publikum bekommt alles auf dem Bildschirm präsentiert: Wo man die Zutaten für das bombige Gemisch herbekommt, wie die hobbymäßige Verarbeitung in der Küche abläuft, wie man sich in den westlichen Gesellschaften unauffällig zu bewegen hat, sodass die Anti-Terrorgesetze umgangen werden, und was man sonst noch alles unbedingt beachten sollte, damit es auch ja niemand mitbekommt, wenn man sich in London in die Luft sprengen will. Durch die Anfertigung einer Schwangerschaftsattrappe habe sie nämlich die besten Chancen um die Mission zum gewünschten Erfolg zu bringen. Im weiteren Verlauf wählt Nasima ganz selbstbewusst ihre Ziele aus – Und, wer ahnt es?! Na?! – Ja, richtig. Die Banker und Manager sollen ihr Leben lassen. Aber nicht nur die, denn da die „Bonzen“ ihre Arbeitspause mit ihren Familien dazu nutzen wollen, einen erholsamen Ausflug zu einem nahe ihrer Geschäftstellen gelegenen Streichkonzert zu machen, ist die Auswahl an Zielen sehr hoch. Unschuldige gibt es da nicht, schließlich haben ja alle die Regierung gewählt, und die tötet ja bekanntermaßen Muslime weltweit. So dürfen auch Kinder dem Selbstverständnis des Regisseurs nach nicht verschont werden, schließlich sind die ja immerhin potentielle Wähler, auch wenn die noch nicht wissen können, was wählen eigentlich ist. Nasima sprengt sich dann also letztlich aus einer – es kann gar nicht anders sein – kausalen Kette von Ereignissen wie von selbst in die Luft, denn schließlich nimmt ja alles seinen Ausgang in der Diskriminierung der muslimischen Minderheit in GB, der Verschärfung der staatlichen Maßnahmen gegen etwaige Terroranschläge etc. Und die tatsächlichen Terroranschläge in London sollen – und das ist der Grund, warum der Film keine Minute wert ist, gesehen zu werden – das mögliche Gelingen von Anschlägen und die Notwendigkeit weiterer Massaker verdeutlichen. Die Attentäter um Mohammad Sidique Khan vom 7/7 (angelehnt an 9/11) haben in ihrer Botschaft verkündet, dass die unmittelbare Schuld für die Anschläge allein Blair, seiner Regierung zufällt. Und sieht jetzt jemand die Parallele?
Der Abspann des Films gestaltet sich genauso wie ein einschlägiges Video aus dem Irak, Afghanistan oder Palästina, in denen muslimische Märtyrer, die im Moment der Ausstrahlung mausetot sind, ihre Scheiße vom Stapel lassen, von wegen gerechter Krieg gegen die Ungläubigen, Juden, Bellizisten und so weiter und sofort. Dass es sich in „Djihad in der City“ (der deutsche Titel passt nun wirklich besser) um eine Frau handelt, macht die Sache nur noch umso spannender (bekommt diese „jungfräuliche“ Männer vom Patriarchen Allah serviert?). Schließlich kann sie durch ihre selbst gebastelte Schwangerschaftsattrappe nicht enttarnt werden und so kommt die überaus berechtigte Gräueltat – jedenfalls wenn man sich in die ganze Situation der Muslime in den westlichen Ländern durch den Film eingefühlt (oder wieder besser: eingemenschelt) hat, neben Familien mit Kinderwagen, die durch die geschickte kameratechnische Einstellung nie so richtig ins Bild gerückt werden, und damit unter Ausblendung ihres Lebens – zum tückischen Abschluss(3). Damit wird das europäische Appeasement unweigerlich auf die Spitze getrieben.(4)

Chris

PS.: Dass sich der Titel des Films wie eine Konterproduktion von „Sex in the city“ liest, ist bei diesem Inhalt übrigens nicht verwunderlich.

Anmerkungen

(1) Hier könnte jetzt der Verweis auf die Fußnote xy im Text stehen, wo diese Botschaft im O-Ton des Films wiedergegeben wird. Aber es soll ja nicht gleich alles verraten werden...

(2) An dieser Stelle kann man dem Regisseur von „Djihad in der City“, wie er in deutscher Sprache auf Arte am 05.09.2008 ausgestrahlt wurde, getrost unterstellen, den Namen Jude nicht ohne antisemitisches Ressentiment gewählt zu haben. Nasima kehrt sich im Film nicht nur selbstmörderisch vom westlichen Lebensstil an sich ab, sondern gerade vom „Vampir“ Jude (wie er sich selbst bezeichnet). Zusammen verbringen beide eine sexreiche Nacht, die vor der Ehe nach islamischen Recht verboten ist; er schenkt ihr Schmuck, Sinnbild für den dekadenten Westen, den Muslima nicht offen tragen dürfen; er trinkt Alkohol, was auch unislamisch ist; er hat jede Menge Tricks auf Lager, die er aber für sich behält; und – ja, richtig, er hat Geld, das er mir nichts dir nichts auftreiben kann. So wird an ihm exemplarisch das vollzogen, das letztlich alle durch die Repräsentanten der Umma treffen soll, die nicht-islamisch sind und so Anteil an der Ablenkung vom Leid der Muslime weltweit haben: Es soll sich von ihnen abgewandt werden und sie sollen sterben. Jude entgeht dem Tod nur knapp, denn er wird bei dem Versuch Nasima aus den vermeintlichen Fängen ihrer Familie in Pakistan zu befreien, um so die ursprüngliche Bande zu lösen und mit ihr in London glücklich zu werden, Opfer der Cousins, die ihn brutal zusammenschlagen und tagelang einsperren.

(3) Nasimas Märtyrerbotschaft, und damit bezeichnenderweise die letzten Worte dieses – es ist schwer Worte dafür zu finden – abscheulichen Films, lautet im O-Ton: „Ich weiß, was ihr denkt. Ihr denkt, wir haben diese Dinge nicht getan, wir haben diese Gesetze nicht gemacht. Warum sprengt ihr unsere Familien in die Luft? Warum tötet ihr unsere unschuldigen Frauen und Kinder? – Ihr Seid nicht unschuldig, okay. Ihr seid nicht unschuldig. Weil ihr immer noch diese Regierung an die Macht wählt, weil ihr tatenlos zuseht, wie sie diese Gesetze verabschieden, von denen ihr wisst, dass sie falsch sind. Weil ihr euch abwendet vom Abschlachten unschuldiger Muslime im Irak, Afghanistan, Palästina, im Libanon und ihr tut gar nichts. – Ihr seid nicht unschuldig. Ihr bleibt auch noch weiter unser Ziel, noch bis zum letzten Tropfen Blut! So wahr mir Gott helfe.“

(4) An dieser filmischen Aufbereitung realer Ereignisse hat, wie schon zu Beginn erwähnt, Channel 4 einen großen Anteil. Und wer aktuelle Nachrichten verfolgt, hat unter Umständen schon erraten, dass es sich bei besagtem Sender um den Kanal handelt, der 2008 die Weihnachtsansprache eines Achmadinejads in GB übertragen hat. Welch Zuckerschlecken für die, die sich vom Iran und seinen Drohungen gegenüber Israel einiges versprechen.

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last modified: 21.1.2009