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Pig trails on the ceiling

Film-Plakat, 17.4k Die Simpsons - Der Film, USA 2007, Regie: David Silverman, simpsonsmovie.com

Die nächste Legende kommt ins Kino

Auch wenn dieser Tage wohl jede „Simpsons — The Movie“-Rezension damit anfängt, was für ein großer Fan der Autor doch ist und für wie wichtig eben jener die „Simpsons“ hält, kann ich es mir doch auch nicht verkneifen. Auch wenn ich mich vielleicht nicht als Fan verstehe, der sich in „Simpsons“ Bettwäsche hüllt (die von „Spongebob“ ist viel süßer) oder gar einen „Simpsons“-Ipod besitzt (viel zu teuer), ist doch eben jene Fernsehserie für mich, wie auch für viele andere, einer der wenigen guten Gründe, wirklich mal den Fernseher anzuknipsen. „Straßenbahn TV“ und „Tagesschau“ sind dann vielleicht die anderen.
Als ich das erste Mal vor vielleicht zweieinhalb Monaten gehört habe, dass es einen „Simpsons“-Film geben wird, war ich natürlich völlig begeistert. Auch wenn ich mir nicht so richtig vorstellen konnte, wie das dann aussehen sollte. Also hab ich natürlich ganz gespannt Vorschau und Trailer abgewartet und der Film kündigte sich auch großartig an. Also zu diesem Zeitpunkt hab` ich ja schon gewusst, dass es Normalität ist, zu jedem Kinofilm auch das passende PC-Spiel rauszubringen, aber damit nicht genug. Was sich die PR-Abteilungen zu diesem Film ausgedacht hatten, ist doch einige Nummern größer. So wurden unter anderem elf „7eleven“-Stores in ganz Nordamerika für den Monat Juli in waschechte „Kwik-E-Marts“ transformiert, in denen der gemeine Kunde nun Buzz Cola, Duff Beer und natürlich Squischie-Shakes kaufen konnte. Obwohl ich behaupten würde, dass ein 20-Dollar-Squischie auch dort nicht erhältlich gewesen wäre. Ob für jeden Counter auch ein indischer Ladenbesitzer mit acht Kindern gefunden wurde, kann ich auch nicht mit Sicherheit sagen. Auch die eigene „Simpsons – The Movie“-Myspace Seite war für mich doch etwas Neues und hat mir auf jeden Fall viel Spaß bereitet: so war es dort unter anderem möglich, seinen eigenen Simpsons-Charakter zu kreieren, ganz nach dem eigenem Vorbild.
So sind die Anspielungen auf Harry Potter und Spiderpig wohl auch nicht ganz willkürlich, hatten die Macher oder vielleicht doch eher der Sender Fox sich da etwa vorgenommen, neue Rekordzahlen einzuspielen? Für mich macht das auch keinen Unterschied: sind die Szenen sowieso schon saulustig, werden sie vor dem Hintergrund nur noch besser.
Bleibt bei allem natürlich noch die scheinbar alles entscheidende Frage im Raum stehen: Warum ein Film bei 19 Staffeln mit über 400 Folgen? Was nicht zuletzt den „Simpsons“ einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde bescherte.
Die Motive des Filmes waren jetzt auch nichts Neues, böse Zungen könnten gar behaupten, es wäre fast alles irgendwie schon mal da gewesen. Homer verliebt sich mal wieder in ein leckeres Tier, erinnert sei an die Folge in der Homer sich einen Lobster als Haustier hält; Lisa will die Umwelt retten und trifft bzw. verliebt sich dabei mal wieder in einen „Traumprinzen“ mit den selben Absichten, worauf hin Milhause sich selbstverständlich völlig lächerlich macht. Nur die obligatorische Pony-Szene fehlt, in der Lisa all ihre Ideale für ein Pferd über Bord werfen würde. Und dass die „Simpsons“ aus Springfield fliehen müssen, na ja, da sei nur an die Duellier-Folge erinnert. Mh...dass könnte ich jetzt noch länger so weitertreiben... Bart wäre fast ein Flanders geworden, auch schon da gewesen.
Also warum einen Film machen?
Weil es fetter ist, weil es größer ist und einfach Spaß macht, eben jene Lieblingsserie auch mal auf einer riesen Leinwand zu sehen und dabei noch ordentlich laut. Diese Konsequenz sei natürlich jedem selbst überlassen und ich lasse mir hier auch gerne etwas Idealisierung unterstellen.
So haben sich die Macher augenscheinlich sehr bewusst an die Serie gehalten und eigentlich kaum mit Gewohntem gebrochen. Und das ist gut so. Das Resultat lässt sich als eine vorerst einmalige, gigantische Triple-Folge verstehen und das ohne Werbung dazwischen. In wie fern Matt Groening und Co. vom Sender auf die Finger geschaut wurde und somit wohl auch gewisse Sachen nicht verwirklicht werden konnten, lässt sich nur vermuten. Ging es doch in der Vergangenheit schon so weit, dass der Fox News Channel den „Simpsons“ eine Klage angedroht hatte, weil diese in der Folge „Krusty im Kongress“ eben jenen Sender nachahmten und Sachen wie: „Studie: 92% aller Demokraten sind schwul“ oder „JFK tritt nach seinem Tod der republikanischen Partei bei.“ durch den Live-Ticker laufen ließen.
Gespickt mit jeder Menge wirklich guten Lacher von klassischen „Sinnlosigkeiten“ über sehr doppelbödige Witze bis hin zu den wenigen Scherzen, die auch mal die Political Correctness-Grenzen zu überschreiten vermögen, kann ich mit Gewissheit sagen, der Film ist die Ausgabe wert, im Kino gesehen zu werden. Und ist selbstverständlich auch für jeden „Simpsons“-Neuling (ja, so was soll es wirklich noch geben) ein gut zu verstehendes Vergnügen. Wie auch ein Grund mehr, endlich anzufangen, die „Simpsons“ zu lieben . Ich erspare mir jetzt eine speziellere Analyse der Witze, weil ich der Überzeugung bin, dass es den „Simpsons“ dieser gar nicht bedarf. Lässt sich doch über alles ganz unbeschwert einfach so lachen und Hintergrundwissen oder eigene Interpretation machen die Scherze an den meisten Stellen eben noch besser. Wer es gerne noch etwas analytischer mag, der sei an die jungle world verwiesen: www.jungle-world.com/seiten/2007/30/10313.php.
Was ich gerne noch positiv hervorheben möchte ist, dass sich die „Simpsons“ auch insofern treu bleiben, dass sie nicht aufdringlich in irgendeinen aktuellen Diskurs einsteigen. So sitzt wohl auch bewusst nicht Bush, sondern Schwarzenegger im Weißen Haus.
Eine Veränderung zur Serie lässt sich aber doch noch feststellen, so scheint die Kinoversion doch mit übermäßig viel Moral und Emotionen beladen. So etwas ist ja eigentlich nur aus den ganz alten Folgen bekannt, denen es eben leider auch noch etwas an Witz mangelte. Ob nun die mangelnden Emotionen der Ausschlag gebende Grund war, einen Kinofilm zu machen, würde ich doch mal zu bezweifeln wagen. Auch wenn Groening angedeutet haben soll, sich mal wieder nach „echten Emotionen“ zu sehnen. Vielleicht gehören sie aber auch einfach ins Kino, weil sie im Fernsehen unpassend wirken. Und in den neueren Folgen spielen sie wirklich kaum noch eine Rolle.
Da schließt sich gleich noch die nächste herumgeisternde Vermutung an, nach der Groening schon vor Jahren die „Simpsons“ zu Gunsten des neuen Vorhabens „Futurama“ aufgeben wollte. Einzig und Allein der Druck des Senders soll ihn dazu bewegt haben, das doch lieber zu lassen. Die Entscheidung, was das Bessere ist oder wäre, überlasse ich auch hier wieder jedem selbst. Da scheint es auch kein Wunder zu sein, wenn nicht wirklich neue Motive auftauchen.
Ein paar Kleinigkeiten gibt es aber natürlich trotzdem noch zu bemängeln. So ist für meinen Geschmack Flanders viel zu gut und vor allem zu schlau weggekommen. Am Ende stand er gar nicht so sehr als der Dumme da, wie ich das gerne gesehen hätte, sondern speist Rod und Todd sogar noch mit einem flotten Spruch ab. Und natürlich habe ich einem Auftritt von Tingel Tangel Bob sehnlichst entgegengefiebert. Das war für mich doch schon ein kleiner Wermutstropfen, ihn gar nicht im Film gehabt zu haben. Da bleibt nur noch die Hoffnung auf einen zweiten oder dritten Teil.
Zu dem Problemchen mit den Synchronstimmen kann ich leider nichts schreiben, da ich das Glück hatte den Film im Original zu sehen. Ich kann aber gut verstehen, dass man Anke Engelke als Sprecherin für Marge eher skeptisch gegenüber steht. Ist es doch immer komisch und ungewohnt, eine andere Stimmen zu alten Vertrauten zu hören und dazu noch eine, mit der sich einiges identifizieren lässt, aber definitiv nicht Marge. Auch wenn eben jene Anke Engelke Marge schon seit 2006, also der 17. Staffel spricht. Wobei ich mich da eben gar nicht erinnern kann, je eine synchronisierte Folge gesehen zu haben. Nichtsdestotrotz sollte dies nicht so schwer wiegen, sich den Film entgehen zu lassen.
Selbst im Original nicht zu synchronisieren waren die Stimmen mancher Gastauftritte. Wie schon in der Serie geben viele Prominente gerne ihre Stimme her, um sich öffentlich lächerlich machen zu lassen – im Film wäre da Tom Hanks zu erwähnen und aus der Serie zum Beispiel NSync. Scheint es doch gängig geworden zu sein, sich bloßstellen zu lassen – so ist die Aktion der Kette 7eleven auch mit viel Ironie zu verstehen, in Anbetracht der etlichen Folgen, in denen der „Kwik-E-Mart“ doch als extrem widerlich und unappetitlich dargestellt wird. Das ist eine Form der Eigenironie, die ich so sehr begrüße, bekommt dadurch der Humor doch auch wieder eine gewisse Doppelbödigkeit.
Alles in Allem ist der Film für mich eine gelungene Sache, auch wenn natürlich die Frage seiner Notwendigkeit nicht eindeutig geklärt ist. Etwas trauriger zu sehen ist allerdings die Tatsache, dass das gesamte Projekt „Simpsons“ (also Film und vor allem die Serie) immer mehr unter den Widersprüchen zwischen den Machern um Matt Groening und James L. Brooks (Produzent) und dem Sender Fox zu leiden hat. Dabei ist nicht zu vergessen, dass Fox klar in die republikanische Ecke einzuordnen ist. So liegen die großen Höhepunkte der Serie leider auch schon ein paar Jährchen zurück, in denen sich auch immer fleißig, aber subtil über Fox lustig gemacht wurde. Bleibt zu hoffen, dass Fox auch mehr zu oben genanter Selbstironie findet. Auch wenn es eigentlich nie genügend Folgen geben kann, finde ich es oft genauso schön eine Folge zum dritten oder vierten Mal zu sehen, was eine Eigenschaft der „Simpsons“ ist, die nur sehr wenige andere Fernsehserien mit ihnen teilen. Das gilt auch für den Film.

nutso

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last modified: 22.8.2007