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„Ich töte! Für Arbeit!“

Aus dem Tagebuch eines Arbeitslosen. Never trust a Arbeitsberater!

Als Herr Jobless das erste Mal zum Arbeitsamt gegangen war hatte er Angst gehabt. Dabei war, er noch nicht einmal allein gewesen. Ein damaliger Arbeitskollege begleitete ihn. Beide wollten ihren Arbeitsplatz kündigen, sich selbständig machen, endlich das große Geld verdienen, raus aus
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dem Büro, rein in die wirkliche Arbeitswelt und so weiter .... Große Pläne hatten sie gehabt, an jenem Tag, große Pläne ....

Harry, sein Arbeitskollege, war als erster dran und betrat vor ihm den Raum. Allein. Ein Arbeitsberater wartete schon auf ihn. Mit ihm noch zwei weitere Herren in dunklen, akkurat gebügelten Anzügen. Alle drei trugen Sonnenbrillen und ließen sich mit keiner Geste anmerken, dass sie schon wussten, was passieren würde. Die Tür war nicht ganz geschlossen, so dass Herr Jobless alles sehen und fast alles hören konnte. Und was er hörte machte ihm noch mehr Angst, als er ohnehin schon hatte.

Erst hatten sie Harry recht freundlich begrüßt, ein paar Worte gewechselt und belanglos über die, schon seit Wochen anhaltende, Hitze gesprochen. Doch nun versuchte man offensichtlich – ganz ohne Umschweife und weiteren Small-Talk – Harry die Idee mit der Selbständigkeit auszureden. Abwechselnd redeten die drei Männer auf Harry ein. Wie es schien, taten sie es sehr eindringlich. Warum er die Sicherheit eines festen Arbeitsplatzes nicht zu schätzen wisse, fragten sie ihn. „Und das bei der momentanen Situation auf dem Arbeitsmarkt.“ Warum er denn alles aufgeben wollte und welcher Teufel ihn geritten haben könnte, auf solche absurden Gedanken zu kommen. „Sie haben doch alles, was wollen Sie mehr.“, sagten sie mehrmals hintereinander und die Stimmen wurden lauter. Sie schrieen ihn an, und Harry kam gar nicht zu Wort. Außer der Begrüßung beim Betreten des Raumes hat er eigentlich noch fast gar nichts gesagt. Ganz offensichtlich hatten die drei Männer vom Arbeitsamt schon gewusst, warum er gekommen war und wussten, was zu tun war.

Nun leuchteten sie ihn auch noch mit einer großen, grellen Schreibtischlampe mitten in die Augen und zwangen ihn, hineinzublicken. Herr Jobless konnte sehen, wie Harry der Schweiß auf der Stirn stand und dass ihn das Licht quälte. Die drei Herren fingen an zu lachen und fragten, ob er sich das alles wirklich gut überlegt hätte. Er könne sich noch entscheiden. Und sie betonten grinsend das „noch“. Sein Arbeitgeber wäre ebenfalls nicht gut auf die geplante Kündigung zu sprechen. Aber wenn er sich einen Ruck geben würde, dann würde Harry seine Stelle behalten können. „Was meinen Sie, warum wir das hier mit Ihnen alles veranstalten?“, schrie der Mann ihn an. „Ihre Firma will Sie nicht verlieren! Nun machen Sie schon, Sie wissen doch, Hauptsache Arbeit!“ Und während dieser Worte schlug ihm der Arbeitsberater mehrmals ins Gesicht und einer der beiden Herren in den dunklen Anzügen schloss die Tür. Harry war nun wirklich allein mit den drei Männern und Herr Jobless hatte gerade entschieden, niemals in dieses Zimmer zu gehen. Und an seinen Arbeitsplatz schon gar nicht. Und als er den Schuss durch die Türe hörte, lief er einfach weg.

In seinem Lieblingsrestaurant kam Herr Jobless nach stundenlangem Irrweg durch die Stadt etwas zur Ruhe. Er versuchte sich abzulenken und bestellte sich ein Steak. Er aß hier immer Steak. Medium, aber noch etwas blutig. Fast so, wie eben auf dem Arbeitsamt. Sein ehemaliger Kollege. Harry war jetzt schon mehr als medium. Und sicherlich auch noch etwas blutig. Oder beim Hellsehen, beim Wahrsagen ... er lächelte in sich hinein. Kaum auszudenken, wenn sich die Scharlatane ihr jeweiliges Medium immer noch etwas blutig vorführen ließen.

Das Steak wurde serviert und plötzlich musste er an Harry denken und wie sie ihn einfach erschossen hatten. Er überlegte, ob sich recht gehabt hatten. Vielleicht war selbständig sein ja gar nicht so toll. Vielleicht hätten sie einfach im Büro bleiben und ihre Arbeit erledigen sollen? Nun hatte er gar keine Arbeit mehr und Harry war tot. Ob sie Harry in den Kopf geschossen hatten? Oder in die Augen? Blind und tot, schrecklich! Ihm wurde schlecht und er ließ das Steak stehen. Auf dem Weg nach Hause übergab er sich mehrmals.

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last modified: 28.3.2007