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Tomorrow-Café, 1.5k

Hooliganismus


Das Problem des Hooliganismus ist eigentlich schon ein sehr altes Problem, welches seit über einem Jahrhundert besteht, aber erst in letzter Zeit ist diese Problematik in der öffentlichen Debatte vorhanden. Vor allem durch die menschenverachtenden Ausschreitungen bei der WM 1998 in Frankreich beziehungsweise durch die in Deutschland stattfindende Weltmeisterschaft und den damit zusammenhängenden Sicherheitsbedenken kam es zu dieser eigentlich zu spät gekommenen Auseinandersetzung. Bei den Ausschreitungen in Frankreich, welche nach dem Spiel Deutschland gegen Jugoslawien stattfanden, wurden zahlreiche französische Polizisten verletzt und ein Polizist (Daniel Nivel) mit einer Eisenstange ins Koma geschlagen, wobei man schon an diesem Beispiel die ganze Martialität und Barbarei des Hooliganismus wahrnehmen kann. Daniel Nivel ist heute teilweise behindert und muß an den Spätfolgen leiden. Bei den Krawallen wurden 93 Hooligans festgenommen und teilweise sofort zu Freiheitsstrafen verurteilt. Der Haupttäter wurde in einem späteren Verfahren zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt

1. Begriff und Herkunft

Im Jahre 1898 wurde der Begriff des Hooligan zum ersten mal in einer englischen Tageszeitung erwähnt. Der Ursprung ist aber im genauen unklar. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder er stammt von einer irisch stämmigen Familie namens „Houlihan“, welche bekannt war für ihre gewalttätigen und trinkfesten Mitglieder oder er stammt aus der mißverständlichen Übernahme von der sogenannten „Hooley's Gang“, einer Bande jugendlicher Straßenkrimineller. Um die Jahrhundertwende (1900) wurde der Begriff für Straßenkriminelle und für Männer, die durch starken Alkoholkonsum und rowdyhaftes Verhalten aufgefallen sind, verwendet. Erst seit den 60'er und 70'er Jahren wurde der Begriff in England und zehn Jahre später in Deutschland auf gewalttätige Fußballfans bezogen, die im Umfeld von Fußballspielen durch gewalttätige Aktionen gegen Personen und Sachen aufgefallen sind. In Deutschland ersetzte der Begriff des Hooligan die vorher gebräuchlichen Begriffe wie „Fußballrowdie“ oder „Fußballrocker“. Eingeführt wurde diese Kategorie durch die Medien und deren Berichterstattung über die englischen Hooligans und deren Ausschreitungen. Sehr schnell gaben sich in Deutschland gewaltbereite Fußballfans diesen Begriff als eine Art Ehrentitel, um sich von den sogenannten „Kuttenfans“, d.h. Fans welche ihr Fan-Sein nach außen durch Schals, Fahnen oder Aufnäher repräsentieren, und den normalen Fans abzugrenzen. Der Hooliganismus soll im Folgenden als eine gewalttätige Subkultur verstanden werden, deren innersubkulturell gewalttätiger Aktionismus auf keiner ideologischen oder theoretischen Grundlage basiert. Dies soll im weiteren Verlauf des Textes ausgeführt werden.

2. Fußball und Gewalt

2.1. Fußball als mobilisierendes Ereignis

Um 1850 wurde Fußball innerhalb der gesamten englischen Gesellschaft zu einem populären Sport, welcher vor allem in der Unter- und Mittelschicht gespielt wurde (vorher war er nur ein Sport für elitäre Internate). Fußball konnte hauptsächlich deswegen zum Massensport werden, da er einfach zu verstehen ist, keine besonderen Vorausetzungen benötigte und zum Spiel nur einen ballähnlichen Gegenstand benötigte. Hinzu kommt die Faszination des Gruppenkampfes, der Kameradschaft, der taktischen Möglichkeiten, des Kampfes, der Opferbereitschaft oder des
Zeitungsauschnitt, 18.8k

"Politische Athletenschule"

Siehe zu den Bildern auch das Editorial.
Gruppengefühls, d.h. männliche Attribute, die auch erklären, warum gerade bei Männern Fußball so populär ist. Zum anderen bot Fußball ein Ereignis, welches scheinbar von den Alltagsproblemen ablenkte. Vor allem die zunehmende Disziplinierung des alltäglichen Lebens des Einzelnen innerhalb der modernisierten Gesellschaft brachte die Menschen dazu, ein Ventil zu suchen um sich auszulassen, einen vermeintlich sozialen Freiraum, innerhalb dessen man(n) sich frei fühlen konnte. Der Sport bietet genau diese Möglichkeit. Der Fußballsport besitzt in der Gegenwart aufgrund seiner historisch spezifischen Entwicklung einen solchen sozialen Gehalt, welcher höher einzuschätzen ist, als bei anderen Sportarten. Dieser hohe soziale Stellenwert des Fußballs, einer fast schon Quasireligion oder Ersatzreligion gleich, mobilisiert die Massen und gewinnt an Bedeutung für das alltägliche Leben des Zuschauers, wodurch der Fußball als Sport für ihn zu einem Teil seines Lebens wird und er sich mit ihm identifizieren kann. Diese Bedeutung und der daraus resultierende Fanatismus lässt bei Teilen der Zuschauer die Emotionen innerhalb des Stadions hoch kochen und ermöglicht ihm seine Gefühle für seinen Sport und seinen Verein frei auszuleben. Das Stadion als sozialer Freiraum gibt dem Fußballfan die Möglichkeit des unmittelbaren Erlebens, egal welchem Herkunftsmilieu, Alter oder Geschlecht er angehört. Dabei ist vorausgesetzt, dass man sich dem allgemeinen Kanon innerhalb des Stadions anpaßt und sich innerhalb des Kollektivs der Fußballfans integriert, ansonsten kann man sehr wahrscheinlich mit Sanktionen rechnen, welche durch die Fans gebilligt beziehungsweise vollstreckt werden. Notwendigerweise entfällt im Stadion damit jegliche kritische Reflexion und man(n) muß über sein Verhalten gegenüber anderen Menschen keine Rechenschaft ablegen, da man durch eine große Masse von Menschen geschützt beziehungsweise sogar durch diese hofiert wird.

2.2 Historisch gewachsene und regionale Rivalität

Nicht das Spiel an sich baute ursprünglich die Rivalität auf, sondern oft die geschichtlichen (gesellschaftlichen, politischen) Entwicklungen der jeweiligen Stadtteile, Städte oder Regionen beziehungsweise unterschiedliche Weltanschauungen, die durch die Vereine verkörpert werden (Bsp.: Arbeiterverein, Nobelverein, Konfession). So treten Ausschreitungen bei Fußballspielen schon seit Ende des 19. Jahrhunderts auf, vornehmlich bei Lokalderbies, da dort die historisch kulturelle Rivalität auf das Spiel übertragen wurde. Demnach bedarf es notwendigerweise der vollkommenen Identität mit einer spezifischen Klasse, Region oder gar einer Nation, wodurch innerhalb dieser Identität das einzelne Subjekt nichts gelten kann. Dabei ist aber die regionale Rivalität meist nur diffus in den Köpfen der Fans verankert und wird über Generationen weitergegeben, weshalb man von einer an den Verein gebundenen Tradition beziehungsweise einem Brauchtum sprechen kann. Hierbei spielt weniger die persönliche Erfahrung, welche Bedingung für Emanzipation darstellt, sondern mehr über die Generationen weitergegebene Vorurteile gegenüber der Nachbarschaft, Region oder Nachbarland eine Rolle. Der Fan handelt hierbei weniger als eine individuelle Einzelperson, sondern fast ausschließlich als ein Mitglied einer Gruppe beziehungsweise eines Kollektivs. Aber auch der Spielverlauf kann einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Fans nehmen. So kann es bei hektischem und spannendem Spielverlauf zu gesteigerten Emotionen bei Zuschauern kommen, welche in gewalttätigen Ausschreitungen kulminieren können. Dabei bieten das Stadion und die Masse dem einzelnen Zuschauer einen sanktionsfreien Raum, den Freiraum zum Ausleben seiner Emotionen, wodurch z.B. Männern die Möglichkeit gegeben wird ihren Heterosexismus frei ausleben zu können, ohne dass es eine kritische Instanz geben würde. In manchen Situationen kann aus einem solchem Verhalten im weiteren Verlauf kollektive Gewalt entstehen. Dabei ist aber weniger auszumachen, wen es treffen könnte bzw. wer Opfer von einer solchen Form von kollektiver Raserei wird. Meines Erachtens kann heutzutage jeder Opfer von so einer Form der Gewalt werden, d.h. das selbst das Opfer variabel ist, aber dazu an späterer Stelle mehr.

2.3. Der Prozess der Ausdifferenzierung innerhalb der Fankultur

Mitte des vergangenen Jahrhunderts bildete sich innerhalb der Gesellschaft eine „Jugendzeit“ heraus, ein eigenständiger Altersabschnitt zwischen Kind und Erwachsen-Sein mit eigenem Selbstbewusstsein, Stilen, Werten und einer speziellen Stellung innerhalb der Gesellschaft. Gefördert wurde diese Entwicklung durch den erfolgten Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg, dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum und den technischen Entwicklungen, welche die Flexibilität der Menschen und vor allem die Mobilität der Bevölkerung förderte. Die Jugendlichen emanzipierten sich demzufolge immer stärker von ihren Eltern, da sie zunehmend über eigene finanzielle Mittel verfügen konnten. Dies beeinflusste entscheidend die unterstützenden Möglichkeiten der Fußballfans. So bildeten sich zu dieser Zeit zum ersten mal sogenannte Fanblocks heraus, welche hauptsächlich durch jugendliche Fans eingenommen und bestimmt wurden. Somit veränderte sich das früher eher regionale Problem von Fußballausschreitungen zu einem nationalen, da neue Rivalitäten entstanden und demnach neues Konfliktpotential vorhanden war. In England beispielsweise begann die Polizei aufgrund der negativen Erfahrungen Ende der 60er Jahre mit den Vereinen zusammenzuarbeiten und restriktiver gegen gewalttätige Fans vorzugehen. Während der 70er Jahre entwickelten sich aus den in den Fanblocks zusammenstehen und agierenden Jugendlichen vermehrt Zusammenschlüsse zu organisierten Fanclubs. Aus der Masse der Fußballzuschauer bildete sich eine Menge von in „In-dem-Fanblock-Stehenden“ und im weiteren Prozeß eine zunehmend homogenisierte und organisierte Menge, die im Fußball mehr sah, als nur zuzusehen beziehungsweise unterhalten zu werden. So nahmen damit einhergehend während der 70er Jahre die Gewalttätigkeiten in und um das Stadion deutlich zu, ebenso die Medienberichterstattung über Gewalt und die Anfragen von Vereinen zu polizeilicher Unterstützung, um die Sicherheit für Spieler und unbeteiligter Zuschauer zu gewährleisten beziehungsweise um keinen Prestigeverlust zu erleiden. Aber auch durch diese ersten Maßnahmen konnte das Problem der Gewalt keineswegs gelöst werden.

2.4. Zusammensetzung der Fankultur

Ein offensichtliches Merkmal bei der Zusammensetzung im Stadion ist das Geschlecht: Die Mehrheit ist männlich. Zudem stammen die Mehrzahl der Fans (über 80%) aus dem Handwerker- und Arbeitermilieu. Hierbei kann man davon ausgehen, dass in diesem Milieu die Gewalt eher als Handlungsoption akzeptiert ist und eine größere Legitimation erfährt als in anderen Milieus. So bietet die Herkunft der Fans sowie die Dominanz der Männer unter den Fußballanhängern den Nährboden für eine eher aggressive und körperliche Handlungsweise, da diese eine allgemeine Akzeptanz innerhalb des Fußballstadions erfährt. Zum anderen ist das Fan-Sein auch eine Suche nach Ablenkung und Abenteuer, d.h. die nach dem absoluten Kick und der unmittelbaren Erfahrung, abseits des Alltags, sowie nach der Gemeinschaft mit Gleichfühlenden und Gleichaltrigen. Die gesteigerte Bedeutung der Gleichaltrigengruppe innerhalb der modernen Gesellschaft, sowie ein Sport der besonders für männliche Jugendliche (durch die Überhöhung von männlichen Attributen) attraktiv ist, sind die Basis für ein Gefühl der Sicherheit, Geborgenheit und der Zugehörigkeit zu etwas Großem, welches durch ritualisierte Handlungen innerhalb der Gruppe in den Stadien dargestellt wird. Die Fanclubs boten den Jugendlichen die Möglichkeit, aktiv und ohne Kontrolle einer höheren Instanz an einem Gruppenprozeß teilzunehmen und frei zu gestalten. Die Fangruppe übernimmt somit die Aufgabe der Sozialisation, wodurch traditionell männliche Attribute überbetont werden und zu maskulinen und aggressiven Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen führen kann, da man(n) sich innerhalb des Fankollektivs integrieren und hervortun will. Dieser Sachverhalt sollte später eine Eigendynamik in der Fankultur erhalten, indem sich der Hooliganismus, wie wir ihn heute kennen, herausbilden sollte.

2.5. Fangewalt und die Reaktionen darauf

Zu Beginn der 80er Jahre war die Stimmung innerhalb und um die Stadien herum äußerst aggressiv. Obwohl viele Verstöße, wie z.B. Beleidigungen und Bedrohungen, gegen das bürgerliche Recht verstoßen haben, wurde der Großteil, entsprechend des gültigen Zuschauerverhaltens und Normverständnisses im Stadion, nicht zur Anzeige gebracht, als ob es im Fußballstadion einen rechtsfreien Raum beziehungsweise ein durch das Kollektiv der Fußballfans vollstrecktes Recht, welches eher als Lynchjustiz bezeichnet werden sollte, geben würde. Trotz alledem blieben Maßnahmen von seiten der Vereine und des DFB weitestgehend aus. Lediglich hohe Polizeipräsenz, Videoüberwachung und strikte Trennung der Fans sollten die Probleme lösen. Dazu gehörten aber auch das Verhängen von Stadionverboten und stärkere Kontrollen bei dem Zugang in das Stadion. Damit wurde zwar die Gewalt aus dem Stadion verbannt, aber das eigentliche Problem wurde nicht gelöst, sondern nur auf andere Schauplätze verschoben. Statt dessen kam es aufgrund der polizeilichen Maßnahmen und der Disziplinierung im Stadion zu einer Rationalisierung und Planung von Gewalt und Schlägereien.

2.6. Ausdifferenzierung der Fansubkultur

Mit der Zeit begannen sich „friedliche“ und gewalttätige Fans gegenseitig abzugrenzen. Gleichzeitig wandelte sich der aus dem Ereignis Fußball entstandene Gewaltaktionismus zum Ereignis für die gewaltbereiten Fans. Das Leben als „nur-Fan“, der mit seiner Mannschaft und seinem Verein lebt, zu den Spielen reist und sich friedlich, d.h. dass er nur zu keiner physischen Gewalt greift aber sehr wohl rassistisch, sexistisch etc. sein kann, im Stadion aufhält, ist den Hooligans zu wenig. Sie wollen die totale Action und die sinnliche Erfahrung der körperlichen Auseinandersetzung, also richtiges oder wahrhaftes Erleben. Durch die Ausdifferenzierung bzw. Abgrenzungen innerhalb der Fansubkultur entstand die Subkultur des Hooliganismus und gleichzeitig vollzog sich eine Verschiebung des Ereignisses. War noch bis in die 70er Jahre das Ereignis Fußball Auslöser der Gewalt, was schon idiotisch genug ist, so zeigte sich in den 80er Jahren eine Veränderung in der Akzentsetzung. Man könnte sagen, durch die Ausdifferenzierung trat nun die Gewalt an sich als das mobilisierende Ereignis zu Tage, zumindest für einen bestimmten Teil der Fans. So gehörte die Gewalt nicht mehr nur sekundär zu einem Fußballspiel, sondern wurde selbst zu der entscheidenden Triebfeder.

2.7. Zusammensetzung der Subkultur der Hooligans

Die Hooligans grenzen sich grundsätzlich gegenüber den sogenannten „Neckermännern“, d.h. dem normalen Fußballtouristen, der seinem Verein nachreist und unterstützt, und den sogenannten „Kuttenfans“, d.h. den Fans in organisierten Fanclubs, die nach außen ihren Verein durch Schals oder Fahnen repräsentieren, ab. Die Subkultur basiert aber auf keiner bestimmten Ideologie bzw. Weltanschauung. Auch von Bildung und Berufsstatus lassen sich wenige Aussagen machen. In den Hooliganmobs befinden sich Arbeitslose, Lehrlinge, Angestellte, Studenten, sowie Jugendliche von 14 Jahren und Familienväter mit 30 Jahren. Die Hooligans sind relativ lose organisiert und treffen sich in Kneipen und Bars. Die einzelnen Gruppen bestehen meistens aus 10-15 Personen, die sich am Spieltag zu wesentlich größeren Mobs zusammenschließen können. Dabei bestehen sehr freundschaftliche Verbindungen zwischen den einzelnen Hooligangruppen, so dass bei Ausschreitungen über 100 Mann aufeinander treffen können. Auf internationaler Ebene schließen sich die nationalen Mobs zusammen, auch wenn sie sich am letzten Wochenende noch gegenüber standen. An diesem Punkt kommt auch sehr deutlich die Variabilität des Opfers zutage, wobei wahrscheinlich davon auszugehen ist, dass die nationalen Mobs gefährlicher einzuschätzen sind, da durch den gesteigerten Nationalismus innerhalb der Gruppe es so ziemlich jeden treffen kann, welcher nur scheinbar nicht zu den Ihrigen gehört. Aber Gewalthandlungen innerhalb einer bestimmten Hooligangruppe beziehungsweise zwischen den eigenen Mitgliedern wird grundsätzlich abgelehnt, um nicht durch innere Streitigkeiten den Zusammenhalt und die Stärke der eigenen Gruppe zu schwächen. Grundsätzlich basiert die Hooligangruppe auf Kameradschaft und gegenseitigem Füreinander-Einstehen, also soldatischen Tugenden. So könnte man richtigerweise von einer „episodalen Schicksalsgemeinschaft“ sprechen, d.h. einer Gemeinschaft welche sich für eine kurze Zeit beziehungsweise Episode bedingungslos füreinander beziehungsweise für das Kollektiv aufopfert. Gleichzeitig stellt der Mob, zudem sich verschiedene Gruppen zusammenschließen eine anonyme Masse dar, innerhalb deren die persönliche Bekanntschaft und die individuelle Identifizierbarkeit zunächst bedeutungslos und z.T. auch unerwünscht ist. Man kann demzufolge sehr wohl davon reden, dass es sich um eine faschistische Form handelt, aber diese von jeglichem Inhalt entleert ist, da die Form selbst zum Inhalt geworden ist und beide demzufolge identisch werden. Zugleich braucht man sich aber auch nicht zu wundern, wenn einem faschistisches Gedankengut, d.h. der Wunsch nach der Identität in der Unmittelbarkeit, innerhalb des Stadions und bei Fußballfans entgegentritt, auch wenn der Hooliganismus sich dessen teilweise entbehren kann. Diesen Gedanken versuche ich an späterer Stelle dieses Textes etwas ausführlicher darzustellen. Aber auch innerhalb der Irrationalität der Gewalt der Hooligans findet eine Rationalisierung, wenn nicht sogar eine Institutionalisierung und Planung statt. So bereiten sich manche Hooligans auf die Ausschreitungen vor, indem sie Mundschutz tragen, sich die Hände tapen oder Handschuhe tragen, um Gelenke und Kapseln zu schützen, also wie ein illegaler Kampfsportler oder Straßenkämpfer, welcher sein zeitlich befristetes Racket verteidigt. Es findet demnach, wie gerade dargestellt, noch eine Rationalisierung der Gewalt statt. Diese Gewalt ist zugleich aber eine zeitlich begrenzte: der wochen-endlichen Raserei. So aber entsteht auch eine rationale Doppelidentität, d.h. Hooligans, die ansonsten im Alltag friedlich leben, entwickeln zwei Identitäten: Eine Hooligan-Identität für das Wochenende und das „Match“, sowie eine bürgerliche Identität, welche sie auch strikt voneinander trennen möchten. Beispielsweise werden bei Ausschreitungen im Ausland beziehungsweise in einer anderen Stadt Autos gemietet, damit keine Rückschlüsse auf die Identität bei einer etwaigen Überwachung möglich sind, da sie u.a. Sorge haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Damit sind die Hooligans zugleich der barbarische Ausdruck (post)moderner Zumutungen an das bürgerliche Subjekt, welches Flexi-Identitäten bilden muss, um noch annähernd verwertungsfähig zu bleiben, auch wenn dies streng genommen kein neues Phänomen, sondern nur eine neue, prekärere Qualität darstellt. Aber dieser Sachverhalt müsste an anderer Stelle geklärt werden. Der Hooligan will aber im Gegensatz zum (noch) bürgerlichen Subjekt, welches versucht seine Verwertung und demzufolge Vermittlung durch seine Flexibilisierung und Weiterqualifizierung am Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten, seinen Wunsch nach Unmittelbarkeit, kollektiver beziehungsweise absoluter Erfahrung und Aufopferung beim Aufeinandertreffen am Wochenende zu verwirklichen. Also der Form nach offen faschistisch.

Robert

Im zweiten Teil des Textes werde ich mich dann ausführlicher mit der meines Erachtens faschistischen Form der Gewalt auseinandersetzen und auf das Verhältnis „der Linken“ zum Hooliganismus eingehen.

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last modified: 28.3.2007