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review corner Film, 1.4k

„Stop sayin soccer!“


Green Street Hooligans, 20.9k

Green Street Hooligans, Regie: Lexi Alexander

Von prügelnden Hobbits, Karatekämpferinnen und „Green Street Hooligans“

Dass Hollywood an Loves „Football Factory“ so großes Interesse zeigen würde, hätten sicher die wenigsten gedacht. Schon wird in verschiedensten Presseerzeugnissen über weitere Filme aus der movie factory gemunkelt, die sich mit derselben Thematik beschäftigen sollen. Was aber ist nun mit „Green Street Hooligans“, der nur dank der grenzdebilen Armee von Elijah Wood Fans auf den Markt kam. In Hollywood selbst nämlich fand sich kein Verleih, der bereit war, diesen Film in seiner bestehenden Form zu veröffentlichen. Doch, wie schon vorangestellt, eine landesweite Petition von Woods Fans sorgte dafür, dass die Produzenten sich entschlossen, ihn in Eigenregie herauszubringen, was bei der derzeitigen Lage ein sehr riskantes Unterfangen darstellt, finanziell gesehen. Nun darf man nicht zwangsläufig schlussfolgern, dies hier wäre ein Undergroundschocker krassester Sorte, der sich einfach nur den knuffigen Hobbit als Galleonsfigur auf den Bauch gebunden hat, doch dazu später mehr.
Lexi Alexander, Regisseurin und Co-Autorin des Films, ist (offensichtlich) eine Frau. Sicher werden einige gerade die Augen verdrehen (Gebt es zu!), aber Vorsicht, gegen die junge Dame dürftet ihr euch nicht lange auf den Beinen halten. Geboren wurde sie im schönen Mannheim (Deutschland) wo sie ihr älterer Bruder im zarten Alter von 8 Jahren zum Fußball mitnehmen musste. Schnell konnte sich das junge Mädchen für das Spiel begeistern und wurde Fan. Schon als kleines Kind hatte sie eine Karateausbildung begonnen und im Alter von 15 unterwies sie schon ihre eigene Trainingsgruppe. In dieser befanden sich auch zwei Mitglieder der City Boys, der lokalen firm, welche Lexi darum bat, sie begleiten zu dürfen. „Usually, with girls, they would say no, but given the fact that I could take care of myself, they were like ‚Okay come`. So for two years, these guys just became my family, and it was like my life.“ In dieser Zeit hing sie mit ihnen in Kneipen rum, ging zu Spielen, schoss Fotos von den Zusammenstößen der rivalisierenden firms und führte ein Tagebuch, nahm aber nie selbst an einer Auseinandersetzung teil. „None of the guys wanted to fight a girl (…) If you beat her you`re a dick; if you lose you`re even worse.“ Zu Beginn fand sie Gefallen an dem Ganzen, mit der Zeit jedoch musste sie erkennen, dass das „unspoken law against hitting men when they are down“ nicht immer befolgt wurde und als sie schließlich sah, wie 40 Leute ihrer Gruppe gemeinsam auf zwei einer anderen losgingen, diese aufs Übelste zurichteten, stellte sie die Jungs zur Rede. „As I was bringing it up with them, the same guys I had admired for so long turned round and said: ‚Don`t be such a girl. They deserved what they got.` So that was the turning point for me.“ In den folgenden Jahren zog sie auf Schusters Rappen durch die Welt und nahm an internationalen Karatewettkämpfen teil, bevor sie mit 19 den Long Beach International Karate Championship gewann und sich entschloss, mit nichts weiter als einer Reisetasche und ihren Boxhandschuhen ausgerüstet, in Kalifornien zu bleiben, um Regisseurin zu werden, was ihr nach mehreren Jahren als Stuntfrau auch gelang.
Warum hier in dieser Form der bisherige Werdegang der jungen Dame Gegenstand der Betrachtung ist? Ganz einfach, dieser hätte einen zehnmal besseren Filmstoff abgegeben, als der doch eher mäßige „Green Street Hooligans“. Außerdem könnte man meinen, dass eine Frau mit ihrer Erfahrung sich dem Thema in einer adäquateren Weise nähern könnte als manch anderer.
Da hätten wir also Matt Buckner (Elijah Wood), Journalistikstudent in Harvard, der von seinem koksenden Zimmergenossen aufs Kreuz gelegt wird und, zwei Monate vor Abschluss, daraufhin die Universität verlassen muss. Ohne Perspektive fliegt er also nach England, um erst einmal bei seiner Schwester Shannon (Claire Forlani) unterzukommen, die dort schon seit einigen Jahren glücklich verheiratet ist. Ihr Ehemann hat aber exakt an dem Abend von Matts Ankunft etwas Romantisches für seine Frau geplant, also wird Matt kurzerhand unter die Fittiche von Bruder Pete (Charlie Hunnam; Dieser spielte übrigens früher in der coolsten, neben The Office, britischen Sitcom überhaupt mit: Queer As Folk!) geschoben, der den Jungen zu einem Fußballspiel von Westham United schleppen soll.
Dieser ist nun aber nicht irgendein Fußballfan, sondern Chef der GSE (Green Street Elite, basierend auf der real existierenden ICF), der firm von Westham. Eins führt zum anderen und Matt versinkt immer mehr im Strudel der Gewalt. Schließlich kommt es, dank eines Verräters aus den eigenen Reihen, fast zum Tod des „Mayors“, ehemaliger Anführer der GSE, der zufällig auch besagter Ehemann Shannons und Bruder Petes ist. Beim folgenden großen Match gegen Millwall opfert Pete sich schließlich, um Shannon zu schützen und Matt hat so einiges gelernt.
Klingt langatmig und ziemlich dämlich? Ist es über weite Strecken auch. Was der Film einfach nicht verbergen kann, ist die ursprüngliche Ausrichtung, nämlich als Popcornkino für Erwachsene zu fungieren plus triefendem Moral-„Ich steck dir den Zeigefinger ins Auge, wenn du nicht hören willst.“-scheiß als Dreingabe. Dabei hat er gar nicht mal so schlechte Ansätze, bspw. die Entwicklung Matts vom Harvardnerd zum passionierten Schläger, eine Rolle, die der süße Elijah wunderbar verkörpern könnte, wäre nur sein Charakter vielschichtiger angelegt. Matt, dessen Vater bei der Times arbeitet und den er so gut wie nie zu Gesicht bekommt, durchläuft dieses klassische Vater-Sohn Ding, auch er will Journalist werden. In Pete findet er eine neue, charismatische und vor allem ihm real nahe Vaterfigur, die ihn aufnimmt und der er nun nacheifert. Aber darauf wird sich gar nicht erst festgefahren, Matt ist von null auf hundert fester Bestandteil der Gruppe, als er, ganz Havardbubi, mit 9 anderen „Studenten“ auf einen Mob von 40 Leuten losrennt. Als man hiernach gemeinsam und blutüberströmt davon taumelt, ist er fester Bestandteil der Truppe und sein vorheriger Schimpfname „The Yank“ (die jungen Briten scheinen Amerikaner nicht zu mögen) geht von diesem Zeitpunkt an seinem neugewonnenen Umfeld nur noch mit Respekt über die Lippen, ein Respekt, der ihm jahrelang von seinem Vater verwehrt blieb und für dessen Erreichen er sich sicher bis nach Harvard ackerte. Für das enge Verhältnis zwischen beiden, Matt und Pete, wird bis auf das Ende kein Zentimeter Zelluloid mehr verschwendet.
Es hätte auch um die Tiefe und Schwere der Rivalitäten zwischen den einzelnen firms gehen können, die abgewatscht wird, als Matt diese vergleicht mit den Streitereien zwischen Fans der Redsox und den Yankees. Pete antwortet kurz und mit ernstem Gesicht: „More like Israelis against Palestinians.“ Ist das wirklich so krass, fragt sich der Zuschauer und wird mit seiner Frage allein gelassen. Über-
haupt schält sich im Laufe des Films dieses typische Schwarz-Weiß-Schema des Popcornkinos heraus, Westham sind irgendwie die goodies und Millwall die baddies. Diese ganze Formation, aus der heraus sich Rackets bilden und die seine Struktur selbst bleibt unbeleuchtet, und Lexi weiß nur zu sagen: „I wanted to tell a story about young men and their need to do that male bonding thing, their need to stick together, and what a tribal thing does to you.“ Klasse, als gäbe es nicht schon genug dümmliche Filme über den Zusammenhalt von Gladiatoren, Spezialeinheiten, Bullen, Cowboys und all den anderen jungen Männern und das “Stand by your mates“ ist nichts als der Nachhall eines “Leave no one behind“. Wo jedoch zwischen dem Kodex von Fußballhooligans und dem der U.S. Marines, nach Aussage der Regisseurin, scheinbar kein qualitativer Unterschied festzumachen ist, dort möchte man zur Sachklärung schon mehr erwarten als pathetische Sätze und wüstes Geprügel.

Der sicherlich zwangsläufig zum Scheitern verurteilten Suche nach einem übergeordneten Motiv der Beteiligten wird jedoch kein Raum eingeräumt – was bei „Football Factory“ der schräge Humor entschuldigt, wirkt hier fehlend, da der Film sich selbst furchtbar ernst nimmt. Es gibt zwei schöne Szenen, die einige der firmmember in ihren zu verrichtenden Jobs und alltäglichen Familiensituationen zeigt, denen aber keine weitere Bedeutung zugestanden wird und die einfach nur dafür herhalten zu beweisen, dass Hooligans keine asozialen Penner sind, die am Rande der Gesellschaft existieren, Thema abgehakt.
Und dann das Ende! Also dieses Ende! Das war wirklich das dümmlichste was ich seit langer Zeit zu Gesicht bekommen habe. Da laufen sie nun, die erlebnisorientierten Anhänger von Westham, unterlegt mit so einem langsamen und furchtbar kitschigem Song darüber, was es bedeutet, Brüder zu haben und füreinander einzustehen. Matt, welcher vorher von Pete eindringlich gebeten wurde, nicht am bevorstehenden Match gegen Millwall teilzunehmen, schiebt sich von hinten durch die Massen um an seine Seite zu gelangen. Beide lächeln sich liebevoll zu. Dann trifft man auf den Gegner und los geht's, langsam und furchtbar ästhetisch, mit Kamerafilter. Plötzlich jedoch fährt Matts Schwester Shannon (Soviel weibliches Klischee gab es schon lang nicht mehr zu bewundern), samt Kind, auf diesen abgelegenen Platz mitten im Nirgendwo, um ihren Bruder zu retten. Diese wird erspäht von einem der bösen Millwalltypen, der anschließend auf sie zugeht, sicher in der Absicht, sie zu töten. Schließlich opfert Pete sich heldenmutig für sie, da er sich schuldig an den schweren Verletzungen und dem zerbrochenen Familienglück seines Bruders fühlt. Als er unter den auf ihn niederprasselnden Schlägen leblos liegen bleibt, halten plötzlich alle inne. Mit blutigen Gesichtern bilden sie einen Halbkreis um den Sterbenden und man meint ihre Gedanken lesen zu können: „Was tun wir eigenlich hier?!?“ Darauf folgt die Szene, in der Matt sich für seinen Rauswurf rächt, natürlich nur mit legalen Mitteln und, in Bezug auf Pete, zitieren darf: „His life taught me there`s a time to stand your ground. His death taught me there`s a time to walk away.“ Unter dem Einsetzen der Credits singt er mit erhobenen Fäusten noch einmal die Hymne der GSE: „Westham till I die“. Würg, das ist Hollywood vom Feinsten, und hätte der gesamte Film nicht diese aktuelle und mehr als umstrittene Thematik, sondern irgendwelchen Mittelalterscheiß als Thema, er hätte zumindest die Produktionskosten reingespielt. So allerdings wird er, Schuld ist sein schmieriger Pathos in Bezug auf eine gesellschaftlich verrufene Sache, sicherlich in Europa von den Kritikern zerfetzt werden. Dabei ist er, von der Sache her, nichts weiter als ein 08/15 Schlachtenfilm aus den 80er Jahren.

Fans der Thematik sei er an dieser Stelle selbstverständlich empfohlen, im Gegensatz zu „Football Factory“ (Ja, ich weiß, dass dieser Umstand dort cool war) wird hier die Atmosphäre im Stadion, samt ihrer Energie und dieses ganze Rumgeprolle drum herum sehr gut eingefangen und die Auseinandersetzungen sind, wenn auch an manchen Stellen übertrieben, sehr gut inszeniert. Persönliche Vorfreude herrscht bei mir persönlich auf die synchronisierte Version, die sicher an blödsinnigen Einfällen und somit unfreiwilligen Lachern kaum zu überbieten sein dürfte. So wurde mir Gerüchte halber zugetragen, dass der coole GSE Schlachtsong „Forever blowing bubbles“ übersetzt wurde mit: „Wir haben uns vorgenommen im Leben zu nichts zu kommen/ Trinkfest und arbeitsscheu sind wir United treu.“ Das wird ein Spaß...

Schlaubi

P.S.: Als Elijah Wood einige Abende mit ICF Mitgliedern, zwecks Recherche, in deren Pub verbrachte, wurde nicht selten mit „Oi, Frodo!“ getoastet. Der hat seinen Ruf weg...


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last modified: 28.3.2007