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Nicht nur für den Großteil der „arabischen Welt“ gehören Israelhass und Holocaustrelativierung zum guten Ton – auch der Nobelpreisträger José Saramago schürt den Antisemitismus. Flugblatt des Bündnis gegen Antisemitismus Leipzig anläßlich einer Lesung von Saramago am 29.10.04 in Leipzig.
Die Redaktion
dokumentation, 1.1k

Israelhass und Holocaustrelativierung.


Die diesjährige Frankfurter Buchmesse hat vor knapp drei Wochen geendet. „Ehrengast“ dieser Messe war die „arabische Welt“, vertreten durch die Kulturorganisation der arabischen Liga. Der „arabischen Welt“ sollte mit der Einladung ein Präsentationsforum geboten werden, damit der „Dialog der Kulturen“ gefördert werde. So sah es zumindest das Konzept der Buchmesseleitung vor. Doch auf der diesjährigen Buchmesse wurde nur wieder deutlich, dass der vielbeschworene „kritische Dialog mit dem Islam“ regelmäßig zur Farce wird, wenn man ignoriert, wer der Dialogpartner eigentlich ist. Und so ergötzte man sich an arabischer Folklore und beweihräucherte auf den Diskussionsveranstaltungen zum „kritischen Dialog“ letztlich nur das vertrauenserfüllte deutsch-arabische Verhältnis.
Vergleich der Druckkraft von Männern und Frauen, 18.9k Offizieller Vertrags- und Dialogpartner der Buchmesse war die arabische Liga. Bei ihr handelt es sich um einen Zusammenschluss ausschließlich diktatorischer Regimes. In ihren Mitgliedsländern werden die Menschenrechte mit Füßen getreten, haben Frauen nicht die gleichen Rechte wie Männer und werden Homosexuelle kriminalisiert und verfolgt. Doch die unmenschlichen Zustände in diesen Ländern interessierte Presse, Buchmesseleitung und auch die Mehrzahl der Buchmessebesucher nur wenig. Eine ernsthafte Kritik an den Staaten der arabischen Liga wurde innerhalb der Buchmesse nicht laut. Kritik von außen, die von einem Protestbündnis(1) vorgetragen wurde, war der Buchmesseleitung lästig und wurde vom Pressesprecher der Buchmesse dementsprechend kleingeredet. Dem Dialog zu Liebe wurden die wirklichen Zustände in der sogenannten „arabischen Welt“ ignoriert und verharmlost. Nicht zur Diskussion stand die politische Zensur, die u.a. mit dafür verantwortlich ist, dass in einer Region mit 200 Millionen Bewohnern, pro Jahr gerade einmal so viele Bücher erscheinen wie in Hessen. Ganz und gar ausgespart wurde aber noch ein besonders heikles Thema: der islamisch-arabische Hass auf Israel und die Juden.
Dieser Hass gab der arabischen Liga überhaupt erst den gemeinsamen Kitt. Seit der Gründung des jüdischen Staats 1948 wird er als Fremdkörper beziehunsgweise „Stachel im Haus des Islam“ betrachtet. Nicht zuletzt deshalb, weil Israel – im Kontrast zur arabischen Liga – westliche Werte, Menschenrechte und die einzige Demokratie im Nahen Osten verkörpert.
Auch wurde auf der Buchmesse ignoriert, dass die „arabische Welt“ heute die größte Bedrohung für Israel darstellt. Nicht nur bei den despotischen Eliten, sondern auch in großen Teilen der Bevölkerung ist der Antisemitismus mittlerweile extrem ausgeprägt. Juden werden dafür gehasst, dass sie Juden sind und in den arabischen Medien als blutsaufende Kindermörder dargestellt, die sich in Schweine und Affen verwandeln könnten. Judentum und Israel zusammengenommen werden für alles Böse und Schlechte auf der Welt verantwortlich gemacht, die Politik Israels uneingeschränkt als brutale „zionistische Kolonisation“ dämonisiert.(2) Der antisemitische Massenwahn reicht in manchen Gegenden sogar so weit, dass beispielsweise in den Palästinensergebieten die Mehrheit der Bevölkerung den Judenmord und die Zerstörung Israels durch islamistische Terrororganisationen gutheißt(3).
So verwundert es auch nicht, dass auf der Frankfurter Buchmesse antisemitische Literatur und Propaganda en masse an den Ständen der arabischen Liga von regimetreuen Verlagen zur Schau gestellt wurde. Obwohl von einem Vertreter des Simon-Wiesenthal-Centers (einer internationalen Organisation zur Ächtung von Rassismus und Antisemitismus) eine Liste mit antisemitischen und antiisraelische Büchern an die Messeleitung übergeben wurde, erstattete diese nicht einmal Anzeige. Dass der ägyptische Holocaustleugner Mohammad Salmawy zusammen mit Gerhard Schröder die Buchmesse eröffnen durfte(4), diskreditierte die diesjährige Buchmesse endgültig. Aber dieser Skandal wurde in den deutschen Medien kaum zur Kenntnis genommen. Die größte Buchmesse der Welt konnte statt dessen erfolgreich zur Bühne für den arabischen Antisemitismus und dessen Protagonisten umfunktioniert werden.

Arafats williger Helfer

Die herzliche Einladung der arabischen Regimes sowie das ungestörte Auftreten eines Holocaustleugners belegen wieder einmal, dass Judenhasser und Israelfeinde im post-nazistischen Deutschland gern gesehene Gäste sind. Die unrühmliche Tradition des deutschen Antisemitismus hat offensichtlich noch lange kein Ende gefunden.
Auch in Leipzig schätzt man Leute, die Judenhass literarisch aufbereitet unters Volk bringen. So etwa den Romancier José Saramago, der heute im Haus des Buches auftreten darf.
Um sich ein Bild von Saramagos Israel- und Judenhass zu machen, sei nur auf einen Zeitungsartikel vom 21. April 2002 verwiesen, den er in der führenden Tageszeitung der spanisch sprechenden Welt, der Madrider Zeitung El País, veröffentlichte(5). Dort finden sich gleich mehrere antisemitische Ressentiments versammelt. Saramago reaktiviert u.a. das mittelalterlich-christliche Vorurteil über die angebliche Rachsüchtigkeit des Juden, indem er auf eine Passage des Alten Testaments verweist. Des weiteren gebraucht er die Ausdrücke Israel und „die Juden“ in seinem Text synonym – eine typische Gleichsetzung des modernen Antisemitismus. Saramago will auf diese Weise zum Ausdruck bringen, dass sich Israels Politik in seinen Augen auf das Judentum zurückführen ließe. Nicht schreibt Saramago etwa über das Verhalten einzelner nationalistischer Siedler oder militaristischer Israelis, sondern er lässt sich über „die Juden“ aus. Alle Juden werden bei ihm auf eine einzige stereotype Figur reduziert, welcher er in seinem Artikel noch eine weitere üble Eigenschaft anheftet. Saramago schreibt, „die Juden [würden sich] endlos ihre Wunde [kratzen], damit sie immer weiter blutet“.
Verpackt in eine widerliche Metapher will Saramago damit sagen, was bei geschichtsrevisionistischen Neonazis ein Standardressentiment ist: Die Juden würden den Holocaust nur als Vorwand ausnutzen, um sich dadurch Vorteile zu verschaffen und sich zu bereichern. Hat man dieses antisemitische Denkmuster erst einmal verinnerlicht, dann ist es zur Relativierung des Holocausts nur noch ein sehr kleiner Schritt.
Diesen Schritt zu gehen scheute sich Saramago nicht. Auf einer Delegationsreise des „International Parliament of Writers“ durch die palästinensischen Autonomiegebiete sagte Saramago gegenüber Journalisten, der „Geist von Auschwitz“ schwebe über Ramallah, „dieser Ort wird in ein Konzentrationslager verwandelt“(6). Das Verhalten „der Israelis“ gegenüber der palästinensischen Bevölkerung ähnele auf schreckliche Weise den Gräueltaten, die einst die Juden erlitten hatten.
Diese Verlautbarung einen Monat vor der Veröffentlichung in El País erregte weltweites Aufsehen. Denn es handelte sich dabei um eine altbekannte Argumentation, die vor allem deshalb Empörung hervorrief, weil sie aus dem Mund eines Mannes wie Saramago kam. Amos Oz schrieb mit Hinblick auf diese Äußerung in der israelischen Zeitung Jediot Achronot: „Das ist heute der beliebteste Vergleich der Antisemiten in der ganzen Welt.“ Das Simon-Wiesenthal-Center, sprach von einem, der klar zeige, „dass überragende literarische Fähigkeiten absolut keine Garantie für historische Kompetenz sind“(7) und forderte die Aberkennung seines Nobelpreises.
Denn die Metapher Auschwitz ist Inbegriff für den industriell organisierten Massenmord an Juden. Saramago dagegen machte Opfer zu Tätern, Juden zu Nazis, indem er mit seinen Äußerungen einen Holocaust an den Palästinensern behauptete – ein historisch völlig unzulässiger wie wahnwitziger Vergleich.
Indem aber Saramago die Verwandlung von Israelis in Nazis gelingt, verwandeln sich seine Ressentiments in scheinbar menschenfreundliche Rhetorik. Durch seinen Vergleich sind die Palästinenser zu wehrlosen Opfern geworden, denen nichts weiter übrig bliebe, als sich gegen „Nazi-Israel“ zur Wehr zu setzen. Konsequenter Weise legitimiert Saramago in El País dann auch die Selbstmordattentate antisemitischer Terrororganisationen; allen Ernstes vertritt Saramago die Ansicht, es gäbe Gründe zu verstehen, „die einen Menschen dazu bringen können, sich in eine Bombe zu verwandeln.“ Den aggressiven Antisemitismus der islamistischen Terrorgruppen blendet er mit dieser Rationalisierung einfach aus. Der Mord aus antisemitischen Motiven ist somit im Denken Saramagos zur nachvollziehbaren Tat geworden.
Mit Kritik selbst im weitesten Sinne haben die Ansichten Saramagos nichts mehr gemein. Wenn die „Kritik an Israel“ sich gegen das Jüdische schlechthin wendet, der Judenstaat mit den Nazis gleichgesetzt und der Terrorismus gegen Juden gerechtfertigt wird, dann ist die Grenze des Zulässigen schon lange überschritten. Das müsste auch dem Kuratorium des Haus des Buches einleuchten, das für die Einladung Saramagos verantwortlich ist. Doch obwohl das Kuratorium des Haus des Buches schriftlich auf dessen antisemitische Äußerungen hingewiesen wurde, nahm es keinen Abstand von der Einladung Saramagos. Das Kuratorium machte – ganz ähnlich wie die Frankfurter Buchmesseleitung – dadurch deutlich, dass ihm der Antisemitismus seiner Gäste gänzlich gleichgültig ist. Es ist also vermutlich nur noch eine Frage der Zeit, bis NPD-nahe Schriftsteller und bekennende Antisemiten auf der Gästeliste des Haus des Buches stehen werden.

Subtile Propaganda

Dass das Kuratorium des Haus des Buches auch sonst kein Gespür für Antisemitismus und Holocausttrivialisierung hat, beweist der Blick in die aktuelle Fotoausstellung im Foyer des Haus des Buches. Diese heute endende Ausstellung mit Aufnahmen des Fotografen Mahmoud Dabdoub hat wiederum das Kuratorium zu verantworten. Sie trägt den gleichmacherischen Titel „Es gibt kein fremdes Leid“ und will etwas vom Alltagsleben der Palästinenser erzählen. In heruntergekommen Stadtvierteln, zwischen Mauerresten mit Einschusslöchern sieht man palästinensische Kinder spielen und herumtollen. Man sieht Familien- und Portraitaufnahmen, meistens einfache Menschen aus ärmlichen Verhältnissen. Es gibt keine israelischen Panzer, keine Soldaten, keine Polizei zu sehen. Die Fotos vermitteln den Eindruck von Friedlichkeit. Eine Fotoausstellung, die die Situation der Palästinenser nicht auf das stereotype Medienbild von Steine werfenden Kindern und israelischen Panzer reduziert.
Und doch wird auch hier wieder auf subtile Weise antijüdische Propaganda betrieben. Denn dem Eindruck friedfertiger Ruhe, welche die Bilder ausstrahlen, wird durch Beifügung von Gedichten des Dichters Adel Karasholi dann doch noch eine ideologische Wendung gegeben. Unter dem breitgezogenen Bild einer palästinensischen Wohnsiedlung steht zu lesen:
Wer aber / gibt das Recht denen / die heute Verfolger sind / Zu sprechen / Im Namen der Verfolgten / Von Gestern
Ladet nicht / Die Gewehre eurer Worte / Mit den Buchstaben / Auschwitz
Zielt nicht damit / Auf mich / Auf mich nicht / Auch ich / Entkam / Einer Hölle
Diese Verse wiederholen die schon bei Saramago vorgefundene Relativierung des Holocaust. Durch ihren Inhalt wird diese Klein-Kunst zum Schrott, zu bloßer abgewirtschafteter Propaganda. Die Juden als einstige „Verfolgte“ sollen die Nazis („Verfolger“) von heute sein. Dass Israel und die Juden auch heute noch massiv durch militanten Antisemitismus bedroht sind, will der Dichter nicht gelten lassen. Die Auseinandersetzung mit dem bisher historisch einmaligen Menschheitsverbrechen „Auschwitz“ wird als Zumutung begriffen: das lyrisch-palästinensische Ich der Verse will nicht, dass mit dem Faktum „Auschwitz“ auf es verbal „gezielt“, also mit „Auschwitz“ argumentiert werde. Damit wird das Thema Antisemitismus und besonders der arabisch-islamische Judenhass als Problem delegitimiert. Wer von Israel, Palästina und Gewalt sprechen will, wird ermahnt, zu Antisemitismus und Holocaust zu schweigen. Dass es die Judenvernichtung im Nationalsozialismus real gegeben hat und sie ihren Anfang im Antisemitismus nahm, soll nicht mehr als wesentliche Erkenntnis gelten dürfen, die zu präventivem Handeln gegen Antisemitismus anleitet.
Zuletzt denkt sich das lyrische Ich, es sei einer vergleichbaren Hölle wie Auschwitz entkommen. Es beziehungsweise der Dichter Karasholi irrt sich dabei aber gewaltig. Die Vorfälle in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila von 1982, auf die mit dem Gedicht Bezug genommen werden sollte, waren kein anderes Auschwitz und auch nicht – wie es nahe gelegt wird – „jüdisch verschuldet“. Es gab dort keine Gaskammern und keine industriell organisierte Massenvernichtung von Menschen, weil sie einer bestimmten Glaubensrichtung angehörten.
Die Verse des Dichters erhöhen erfahrenes Leid unverhältnismäßig und reduzieren damit zugleich die wesentliche Bedeutung des Holocaust. Gemäß dem Ausstellungsmotto, dass es kein fremdes Leid gäbe, wird das Leid, das die Juden in Auschwitz erfahren mussten, eingemeindet und zu antijüdischer, antiisraelischer Leidenspropaganda. Schaut her, wir Palästinenser sind die neuen Juden! – das ist die Lüge, die den Leser für sich einnehmen soll. Vor lauter Leidseligkeit soll zwischen den Massakern in Sabra und Shatila und Auschwitz gar kein wesentlicher Unterschied mehr erkennbar sein. Das ist eine dichterische Trivialisierung der Vernichtung von sechs Millionen Juden, wie sie mittlerweile leider überall in der arabischen Welt anzutreffen ist. Eine Trivialisierung, die an den Ständen der arabischen Liga in Frankfurt Gemeinplatz war und die bisher weder beim Ausstellungsmacher, noch beim Kuratorium des Haus des Buches für Unwohlsein gesorgt hat.

Fußnoten

(1) Aktionen und Kritik des Protestbündnisses sind auf der Internetadresse http://honestly-concerned.org/Veranstaltungen.htm dokumentiert
(2) zum Thema arabischer Antisemitismus siehe: Matthias Küntzel, Djihad und Judenhaß. Über den neuen antijüdischen Krieg, Freiburg 2003, http://www.matthiaskuentzel.de/artikel.php?artikelID=26
(3) vgl. aktuelle Umfragen: „A majority of the Palestinians (59%) supports continued suicide bombings inside Israel if an opportunity arises.“ http://www.pcpsr.org/survey/polls/2004/p12ejoint.html
(4) vgl. http://www.hagalil.com/archiv/2004/10/salmawy.htm
(5) zit. nach: Paul Berman, Terror und Liberalismus, Hamburg 2004, S. 180f.
(6) vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. März 2002
(7) siehe http://www.wiesenthal.com/social/press/pr_item.cfm?itemID=5348


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last modified: 28.3.2007