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das Erste, 0.9k

Wahlen in Sachsen.


So langsam aber sicher setzt es sich in den Köpfen fest, dass die NPD in den sächsischen Landtag einziehen wird. Man kann kaum noch das Radio einschalten, ohne die Warnungen diverser Politiker oder Journalisten in den Ohren zu haben. Die Aufmerksamkeit in den Medien trägt das ihre dazu bei, dass die bekennenden Nazis die 5%-Hürde im Stile einer self fullfilling prophecy meistern werden. Immerhin, es wäre das erste Mal seit den sechziger Jahren. Die Frage „Was tun?“, die sich –
PDS-Plakat: Es macht uns ein Geschwätz nicht satt, 20.4k

SPD-Plakat, 25.3k

NPD-Plakat, 14.9k

PDS-Plakat, 22.7k
bedingt durch den Erscheinungstermin dieses Heftes – nur noch rhetorisch formulieren lässt, muss zumindest aufgeworfen werden. Die nach dem Antifasommer 2000 getroffenen Analyse, nach der das Naziproblem getrost der Zivilgesellschaft überlassen werden könne, gehört auf den Prüfstand. Die Disposition weiter Teile der Bevölkerung faschistoiden Einstellungen gegenüber ist bekannt. Ihre Aktualisierung in Krisen ebenfalls. Da von einem Ende der Krise nicht auszugehen ist, muss man sich wohl oder übel auf ein Wiedererstarken von Nazistrukturen einstellen und adäquate Wege des Umgangs damit suchen. Es sollten aber nicht die alten Fehler wiederholt werden, sich in Omnipotenzphantasien zu ergehen und anzunehmen, man könne sonderlich viel ausrichten. Aber mit einem „Ausschlafen gegen Nazis“ ist es wohl erst einmal vorbei. Der Leipziger Süden scheint momentan der einzige Ort in ganz Sachsen zu sein, an dem die NPD-Plakate nicht länger als eine Woche hingen. Aber gegen Flugzeuge mit Werbebannern „Wählt NPD“ fehlt die passende Bewaffnung.
Die demokratischen Parteien tun das ihrige, um bewusst-unbewusst das völkische Potenzial aufzufangen, allein ihre Integrationskraft schwindet zunehmend. Wahrscheinlich ist einzig die PDS momentan dazu in der Lage. Nicht wenige werden mit der Erststimme PDS und mit der Zweitstimme NPD wählen. Nun ist die PDS nicht dafür zu kritisieren, dass sie am rechten Rand fischt, sondern dafür, dass sie es nicht strategisch tut. PDS und NPD unterscheiden sich in ihrem ressentimentgeladenen „Protest jetzt“ kaum. Sicher ist die PDS „bunter“, sie ist die einzige Partei deren thematische Wahlplakate konsequent postmodern gestaltet sind. Doch zeigt sich in der Vielfalt das zu Grunde liegende Moment: Eine völkische Ostidentität. Peter Porsch wirbt mit „Wir in Sachsen – das ist Können, Unternehmensgeist und Optimismus. Wenn man uns nur lässt, wird vieles gelingen.“ Wer hindert sie denn, die Sachsen, in ihrem kleinbürgerlichen Aufbaugeist? Das darf natürlich nicht ausgesprochen werden, sonst ginge die projektive Wirkung verloren. Aber es ist klar, dass es nur die Wessis sein können, deren böser Wille die Menschen hier in Ketten schlägt. Das Plakat „Es macht uns ein Geschwätz nicht satt“, bebildert mit der kunterbunten Löffelfamilie, ruft gleich mehrere Ebenen des Ressentiments auf. Der Brechtsche Antiintellektualismus, der in diesen Zeilen zum Tragen kommt, ist der Aufruf zur unreflektierten Tat. Das Parlament wird als „Schwatzbude“ verschrien, wie schon einmal in den 20er und 30er Jahren von links und rechts. Nun war Brechts „Einheitsfronlied“ von 1934 noch umweht vom Resthauch einer emanzipatorischen Arbeiterbewegung. Das kommt zum Tragen in seinem universalistischen Charakter: „Und weil der Mensch ein Mensch ist/ Drum will er was zu essen bitte sehr!/ Es macht ihn ein Geschwätz nicht satt/ Das schafft kein Essen her“, der noch zusammengeht mit dem proletarischen „Es kann die Befreiung der Arbeiter nur/ Das Werk der Arbeiter sein.“ Diese revolutionären Blütenträume haben sich mit dem Nationalsozialismus erledigt. Das Wahlplakat der PDS knüpft an diese Revolutionsrhetorik an, vollzieht aber einen bezeichnenden Schwenk ins völkische. Nicht „ihn“, also den Menschen, macht ein Geschwätz nicht satt, sondern „uns“. Das revolutionäre Subjekt sind nicht mehr die Proletarier ohne Vaterland, sondern es ist das Volk ohne Proletarier. Die nationalistische Ideologie, die durch dieses Plakat spricht, wird durch das Bild der Löffelfamilie jedoch ins Ironische gebrochen. Das ist flott, witzig und zeigt letztlich, dass die PDS in der Postmoderne angekommen ist. Die auf dem Ideenmarkt frei flottierenden ideologischen Versatzstücke werden zu einem Brei zusammengerührt und mit einem Lächeln serviert. „Lebst du noch, oder fürchtest du dich schon?“ (Ikea), „Doch die im Dunkel sieht man nicht“ (Brecht), „Jeder Zweite schläft auch Werktags aus. Ungerecht!“ (Variation über Bebels „Wer nicht arbeitet, darf auch nicht schlafen“). Da ist für jeden sein spezieller Leim dabei, auf dem er kleben bleibt – und auch für sie: „Frauen wählen“. Die ironische Form entlastet von dem Mist, den man produziert. Die PDS ragt mit dieser das konventionelle bloß kaschierenden Unkonventionalität tatsächlich aus dem Wahlkampfeinerlei heraus und ist ihm im Inhalt doch gleich. Die Frage ist nur, ob sie die Ossis mit ihrem Wahlkampfkonzept letztlich nicht doch überfordert. Aber vielleicht entpuppt sich der Dederonbeutel als Vorläufer der Postmoderne.
Bieder und zuverlässig gibt sich die CDU. Sie setzt ganz auf den „Landesvater“. Nur einmal zuckt dessen schwere Faust und es dröhnt: „Null Toleranz für Kriminelle“. Ob das aber ausreichen wird, um die autoritären Charaktere in ihrem Strafverlangen zu befriedigen und sie von der NPD abzuhalten, ist fraglich. Die einzige Partei, die nicht auf eine sächsische Identität abzielt, sind die Grünen. Sie setzen konsequent auf ihr „Randgruppenkonzept“, auf Studenten, Umweltfreunde und Frauen. Dabei schießt das Plakat „Frauen machen Arbeit“ den Vogel ab. Frauen machen Arbeit und Kleinvieh auch Mist oder wie? Die FDP tut sich mit „Herz statt Hartz“ hervor. „Hirn statt Erzgebirge“ ist dann in fünf Jahren an der Reihe. Die SPD wird unter fünf Prozent landen, daher brauche ich an dieser Stelle nicht auf sie eingehen. Wir Antideutschen wählen übrigens alle die Partei Bibeltreuer Christen, denn erstens war Jesus Jude und zweites sind die Israelfahnen so schön.

mele

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last modified: 28.3.2007