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sports, 1.2k

Ein kurzer Abgesang


auf das Deutsche Sportfernsehen (DSF)


Einst gabst du mir Kraft, liebes Deutsches Sportfernsehen, als ich noch unbedarft den Tücken der Pubertät trotzte, meinen Körper in erbärmlichen Zonen-Turnhallen unter der Fuchtel von noch erbärmlicheren Schulsportdiktatoren verrenkte und meine Nachmittage gefüllt waren mit hartem Training in der lokalen Kinder- und Jugendsporteinrichtung. Du zeigtest mir die Sport-Idole der Zeit und warst dir auch nie zu schade, anders als deine sehr viel weltlichere und nicht weniger geschätzte Schwester „Eurosport“, Körperertüchtigung auch als Spaßprogramm zu präsentieren. Konntest du zwar in Sachen Kommentatorenschaft deiner Schwester nie das Wasser reichen, so hattest du doch einiges Großartiges zu bieten. Unvergessen sind die spannenden Übertragungen, auch spät des Nachts, in denen du die Basketball- und Eishockey-Shows vom Kontinent jenseits des großen Teiches in die Wohnungen meiner Eltern und Freunde brachtest. Später dann wartetest du auf mit großen Momenten des europäischen Fußballs, der „Welle“, die das ach so biedere Nationalgekicke mal so richtig „ran nahm“ und hinwegspülte. San Siro, Old Trafford... alles war so nah und brachte das Flair des Weltfußballs nach Hause. Bundesliga. Paaahh! Unvergessen, liebes DSF, sind auch die zahlreichen Spielshows aus Fern-Ost, die du uns unter dem Motto „dabei sein ist alles“ unterjubeltest. Kleine japanische Jungs und Mädchen lächeln in die Kamera, mit einem Gesicht voller Schlamm – wahrlich ein Meilenstein der fortgeschrittenen Sportindustriegesellschaft.

Und heute? Einiges blieb übrig aus diesen Zeiten – unter anderem das kurzweilige Magazin, das mit Regelmäßigkeit die neuesten Kraftboliden des Automarktes vorstellte und so auch meinen Traum von der Herrschaft der Straße immer wieder neu belebte. Doch was musste ich vor einiger Zeit schon, liebes DSF, in deinem Programm erblicken: Mit Sportgeräten und nichts anderem bekleidete Nummerngirls, die zwar keinen Sport zeigen, aber dem geneigten Publikum im Nachtprogramm wohl einiges mehr abgewinnen als die vormaligen NBA- und NHL-Live-Übertragungen. Doch damit nicht genug, hält jetzt auch das volkslähmende Programm des Billig-TVs „Neun live“ zur besten Sendezeit bei dir Einzug.
Stundenlang schaut man sich dabei unter der Bildeinblendung „live“ das gleiche Bild an, das neben niederen Mathematikaufgaben dämliche Suchbilder präsentiert, untermalt von grauenvoller Moderatorensprache, die nicht mal erträgliches Mindestniveau erreicht, geschweige denn auch nur irgendwas Informatives von sich gibt. Glaubte man noch bis vor einiger Zeit auf MTV die Grenzen des Geschmacklosen in „Jackass“, „Ozzy TV“ oder „Dismissed“ entdeckt zu haben, bei denen der Zuschauer wenigstens mit wechselnder Kulisse und sich selbst nicht so ernstnehmenden Laiendarstellern bedacht wurde, so bist nun du, ehemals geschätztes DSF, mehr noch auf dem besten Wege in den unterhaltungskulturellen Mülleimer. Wirkliche Sportübertragungen (R.I.P.) sind heutzutage nun mal relativ unproduktiv für den Sender-Etat.
Aber diese Gedanken wirst du dir sicher erst dann machen, wenn für Außenübertragungen kein Geld mehr da ist und ich für die neuesten Fußballergebnisse bei dir im Studio anrufen muss (gegen Gebühr natürlich) und in der Warteschleife lande. Fazit: Sport frei für den Abgesang auf dich, Deutsches Sportfernsehen!

Deutschland bleibt scheiße!

Roman



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last modified: 28.3.2007