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Im Folgenden dokumentieren wir ein Referat eines antideutschen Kommunisten zur vom BgR organisierten Veranstaltung „Wieder Nazis jagen? Wer gewinnt den Volkstrauertag? Volksgemeinschaft oder Zivilgesellschaft?“, welche am 11.11.2003 im Conne Island stattfand.
dokumentation, 1.1k

Was Volkt?


Die Einladung zur heutigen Veranstaltung nimmt folgenden Ablauf vorweg: Ein Genosse von der Antifa in Halle skandalisiert den Volkstrauertag und insbesondere die Veranstaltung in Halle, zu der zwecks kritischer Begleitung heute mobilisiert werden soll. Dabei verweist er auf die deutschen Kontinuitäten. Er zieht eine Linie von 1919, als der Volkstrauertag eingeführt wurde, über den Nationalsozialismus und die bürgerlichen Nachkriegsgesellschaften bis heute, wo Deutschland seine Rolle als Opfer der Geschichte meisterhaft zu spielen versteht. Anschließend spricht ein antideutscher Kommunist, er unterstützt diese Argumentation und macht stark, dass man bei der Analyse der heutigen Verfasstheit der deutschen Gesellschaft von Postfaschismus und Volksgemeinschaft sprechen muss. „Der Volkstrauertag in Halle stünde dabei exemplarisch für den deutschen Umgang mit der Vergangenheit.“ (Einladungstext)
Am Schluss aber stellt ein Checker vom Bündnis gegen Rechts klar, dass das alles Schnee von gestern ist. Zivilgesellschaft heißt das Zauberwort: „... dass die deutsche öffentliche Auseinandersetzung vielmehr geprägt ist von zivilgesellschaftlich überformten Deutungsmustern“ (ebd.)
Nun ist es aber so, dass die Analyse des Prägemusters der öffentlichen Auseinandersetzung eben nicht die Kritik wird ersetzen können. Das – und einiges von dem, was nun folgt – war schon in Phase 2/09 zu lesen. Und so wie der Beitrag dort („Zivilgesellschaft von oben ist keine“) sich nicht als Beitrag zur Debatte verstanden hatte, wird auch der folgende Text sich nicht so fugenlos in das Checker-Konzept dieser Veranstaltung einfügen, sondern – wie praktisch als zweiter von drei Beiträgen – ebenfalls den Charakter eines „Zwischenrufs aus Anlass einer unkritischen Debatte“ haben.
Soviel als Vorrede. Das Folgende zerfällt in drei Teile: Im ersten Teil wird es nocheinmal um die deutsche Vergesellschaftung im Nationalsozialismus und nach dem zweiten Weltkrieg gehen, die mit dem Begriff „Staatssubjekt Kapital“ beschrieben werden kann. Der zweite Teil nimmt die heutige Verfasstheit Deutschlands in den Blick und setzt sich mit dem „Zivilgesellschaftskonzept“ auseinander. Dies muss hier quasi antezipierend geschehen, weil das BgR dieses Konzept erst im dritten Referat als Lösung derjenigen analytischen Probleme vorschlagen wird, deren Teil das Konzept, wie zu zeigen sein wird, jedoch ist. Drittens schließlich – sehr fragmentarisch und als Anregung für eine Diskussion – soll die Frage aufgeworfen werden, ob das im zweiten Teil Beschriebene nur für Deutschland zutrifft oder ob sich diese spezifische Vergesellschaftungsform nicht gerade ‘globalisiert’.

Erster Teil: „Staatssubjekt Kapital“

Heinz Langerhans, Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, Freund von Karl Korsch und Bertolt Brecht, hat 1934, in der Untersuchungshaft, in die er wegen der Behauptung, Hitler bereite einen Krieg vor, gelangt war, auf Zigarettenpapier Überlegungen über den Nationalsozialismus notiert, die Korsch 1935 in einer amerikanischen Zeitschrift veröffentlicht hat.(1) Im Anschluss an die Analyse von Marx, dass hinter dem Rücken der Menschen das „automatische Subjekt“ Kapital wirkt, schreibt Langerhans: „Die Weltkrisen haben Kapital und Staat, jene beiden Seiten des gesellschaftlichen Grundverhältnisses zu einem einzigen Schutzpanzer eingeschmolzen, um deren Fortbestand zu sichern. Aus dem automatischen Subjekt Kapital mit dem Garanten Staat als besonderem Organ ist das einheitliche Staatssubjekt Kapital geworden.“(2) Weiter konstatiert Langerhans eine „soziale Pazifierungsaktion“ zum Zweck der „Einfügung des Kapitalteils Lohnarbeit“ in den Staat. Ergebnis dieser Symbiose ist die nationalsozialistische Volksgemeinschaft, in der die Klassenkämpfe stillgestellt sind, weil Klassengegensätze sich in der Gemeinschaft auflösen. Hannah Arendt spricht bekanntlich von einem „Bündnis von Mob und Elite“, was – ohne die politökonomischen Kategorien Kapital, Arbeit und Staat zu benutzen – den gleichen Sachverhalt beschreibt.
Die Formierung der Volksgemeinschaft im Nationalsozialismus, die eine Homogenisierung der Gesellschaft durch Nivellierung von Gegensätzen darstellt, bewirkte eine Externalisierung der gesellschaftlichen Widersprüche. Mit dem „jüdischen Prinzip“ wird ein „Außen“ geschaffen, das den Gegenpart zur Gemeinschaft der Deutschen hergibt. Damit im „Inneren“ Kapital, Arbeit und Staat sich versöhnen und alle „Volksgenossen“ Teil der Gemeinschaft sein können bedarf es der Juden, die kosmopolitisch und damit vaterlandslos, raffend und nicht schaffend, gemeinschaftsunfähig und damit „außen“ sind. Wirklicher Frieden, eigentliche Versöhnung aller sind daher auf deutsch nur durch Vernichtung zu erreichen. Dieser Wahn ist eliminatorischer Antisemitismus – nationalsozialistische Krisenbewältigungsstrategie, die zur wirklichen Tat immer erst aufruft, weil die Stillstellung des Wertprinzips eben nie vollständig gelingt.
Dieses Bestreben, den Staat als „Gemeinschaft der Guten“ zu organisieren, wie es die Initiative Sozialistisches Forum (ISF) aus Freiburg einmal ausdrückte(3) ist die Kontinuität, die für die heutige Verfasstheit der deutschen Gesellschaft eine Rolle spielt – und nicht eine Liste von „Interessen“, die man in der Geschichte Deutschlands seit 1871 findet und die das BgR fleißig meint aufzählen zu müssen, um der Forderung nach historisch-materialistischer Argumentation nachzukommen. Materialistisch heißt nicht, sich um Handfestes zu kümmern und das, was einem bei „handfest“ als erstes einfällt – nämlich Interessen – sondern historisch-materialistisch denken heißt zu versuchen, die Entwicklung der Wertvergesellschaftung kritisch nachzuvollziehen – Aneignung von Geschichte eben – zum Zwecke der kommunistischen Kritik. Das BgR hingegen – auch dieser Vorwurf steht schon in Phase 2 – möchte offensichtlich lieber die Phänomene beschreiben, die heute so ‘die Muster der Auseinandersetzungen prägen’. Warum selbst für diese Oberflächen-Politologie der Terminus ‘Zivilgesellschaft’ ungeeignet ist, dazu mehr im zweiten Teil.
Nach dem 2. Weltkrieg, nachdem die Alliierten die Vernichtung gestoppt hatten, hat die deutsche Volksgemeinschaft eine Wandlung durchgemacht, über die noch zu sprechen sein wird – zu einem tatsächlichen Bruch ist es jedoch nicht gekommen. Durch das Wohlwollen der Sieger, die auf Rache und Bestrafung verzichtet haben, kam es im deutschen Massenbewusstsein zu einer „logischen“ Folgerichtigkeit von Vernichtung und Massenwohlstand – darauf weisen Gerhard Scheit(4) und in seiner Folge Clemens Nachtmann(5) hin. Es scheint, als habe die Krisenbewältigung funktioniert. Die in den Juden externalisierte Krise ist überwunden: „Das Kapital ist krisen-, das heißt judenfrei, dank der Vernichtung zu einer produktiven und gemeinnützigen Einrichtung geworden“(6), schreibt Clemens Nachtmann. Der Wahn, dass die Vernichtung schließlich doch noch einen Sinn gehabt habe, nämlich den, die Krise abgewendet zu haben, endet also nicht mit dem zweiten Weltkrieg.
Im deutschen Wirtschaftswunder (übrigens ein Begriff der Ende der 30er Jahre schon für den Aufschwung dank der Rüstungsproduktion verwendet wurde) präsentiert sich das Kapital als überdimensionale Volksfürsorge. Die ‘soziale Marktwirtschaft’ tritt als Gegenmodell zum gemeinschaftszerstörenden ‘Manchester-Kapitalismus’ auf. Clemens Nachtmann spricht in diesem Zusammenhang von „vorverlagertem Notstand“ und „Krisenbewältigung als Krisenprävention“(7). Für den Fall der Krise gibt es dann den ‘Sachzwang’, dem die politischen Repräsentanten ganz unabhängig von ‘parteipolitischen Rangeleien’, nur dem Gemeinwohl verpflichtet, gehorchen müssen. Das lässt sich den Deutschen viel leichter vermitteln als es beispielsweise den Amerikanern zu vermitteln wäre, weil die Deutschen eben keine Zivilgesellschaft darstellen, in der die Menschen die eigenen Bedürfnisse und Interessen vertreten. Damit sind wir bei der heutigen Verfasstheit des permanent tagenden Volkstrauertages, Deutschlands nämlich, angekommen.

2. Teil „The winner is – Deutsche Ideologie“

Der Untertitel dieser Veranstaltung ist „Wer gewinnt den Volkstrauertag: Volksgemeinschaft oder Zivilgesellschaft?“ Die Antwort ist: weder – noch.
Zunächst noch einmal kurz dazu, warum Zivilgesellschaft sich nicht als kritischer Begriff zur Beschreibung der deutschen Zustände eignet, auch wenn das BgR gleich gegenteiliges behaupten wird.
Zivilgesellschaft ist ein Topos aus Soziologie und Politologie. Sie entsteht, ‘wo Menschen ihr Schicksal in die Hand nehmen’ und ihre eigenen Interessen vertreten. Leute, die wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert werden, schließen sich zusammen und kämpfen dafür, als gleichberechtigt anerkannt zu werden. Frauen, Homosexuelle, sogenannte Behinderte, sozial Benachteiligte machen Lobbypolitik für Gerechtigkeit. Unter mildernden Umständen könnte man sogar Arbeitslose, die dafür demonstrieren, dass sie arbeiten dürfen, als Zivilgesellschaft bezeichnen. Hier allerdings ist es so, dass 70jährige Rentner zusammen mit 15jährigen Schülern dafür demonstrieren, dass ich arbeite. Und da ist Schluss mit Zivilgesellschaft und die Propaganda fürs Gemeinwohl beginnt.
Das BgR sagt, Vorbild für die deutsche Zivilgesellschaft sind die USA, dort kommt die Bewegung ‘von unten’, entstand ‘aus der Gesellschaft heraus und tritt der Politik entgegen’(8). „Die deutsche Zivilgesellschaft ist [...] keine Bewegung, die sich selbst hervorgebracht hat, sondern sie bedurfte immer schon der Anleitung von oben.“(9) Und „Es ging der Friedensbewegung [...] immer nur darum, Deutschland (und teilweise Europa) als Gegenmodell zur amerikanischen Hegemonie zu präsentieren.“(10) Die deutsche Zivilgesellschaft (nach Vorbild der USA) ist entgegengesetzten Ursprungs wie die amerikanische und sie richtet sich gegen Amerika? Vielleicht können wir uns – hier noch nicht im Sinne der Kritik, aber wenigstens im Sinne der Logik – darauf einigen, dass man sie doch dann nicht ernsthaft so nennen kann.
Das Gerede von Zivilgesellschaft ist unhistorisch und unkritisch. Es blendet die Geschichte aus und kommt ohne die Kritik der politischen Ökonomie zurecht. ‘Zivilgesellschaft’ ist – da hat Niklas Luhmann recht(11) – eine Selbstbeschreibung der bürgerlichen Gesellschaft, die für deren Kritiker nichts erhellt. Dieser Verdacht ist – so scheint es – auch dem BgR gekommen, weshalb es allerlei deutsche Besonderheiten ans Zivilgesellschafts-Konzept dranpappt, die Geschichte also wie nebenbei wieder hineinnehmen will. Warum es allerdings dabei gegen jede Vernunft an seinem ‘Projekt Zivilgesellschaft’ festhält, bleibt sein Geheimnis.
Wie sieht es nun mit der Volksgemeinschaft aus? Die nationalsozialistische Voksgemeinschaft hatte als Verbindendes den eliminatorischen Antisemitismus, der die Juden als Bedrohung für das Kollektiv der Volksgenossen zu vernichten trachtete und schließlich zur Tat schritt. Dieser Vernichtungswahn ist als Potenz nach wie vor vorhanden. Ein radikaler Bruch mit der Ideologie des Nationalsozialismus hat nicht stattgefunden. Jedoch wird die Vernichtungsoption derzeit in Deutschland erkennbar nicht aktualisiert. Es hat also die Volksgemeinschaft eine Wandlung durchlaufen. Mit Gerhard Scheit lässt sich von einer „sekundären Volksgemeinschaft“ sprechen.(12) Der Volksstaat, auf dem die NS-Volksgemeinschaft fußte, fehlt, weil er von den Alliierten beseitigt worden ist.
Man kann von einer Privatisierung der Volksgemeinschaft im Postfaschismus sprechen. Durch die Nachkriegskonjunktur wurde der im Nationalsozialismus über den Staat vermittelte Gemeinschaftsgedanke zu großen Teilen in die Privat-Konsum-Sphäre verlagert. Die „Geldmonaden“, wie Gerhard Scheit die vereinzelten Volksgenossen nennt(13), sind aufgerufen und rufen sich selbst auf, privat jenen Konsum zu leisten, den der Staat nicht mehr zu leisten im Stande ist, der aber für das Gemeinwohl eine wichtige Voraussetzung ist. So vereinzelt wie in der Konsumleistung für die Gemeinschaft sind die Leute auch als Besitzer der Ware Arbeitskraft. Nicht wie im Nationalsozialismus durch Vollbeschäftigung garantierte Gleichheit der Volksgenossen, sondern Konkurrenz der Einzelnen ist zum tragenden Prinzip geworden. Nach Gerhard Scheit ist daher heute „jeder sein eigenes Staatssubjekt Kapital“(14). Deutsch ist heute, so Clemens Nachtmann, „die gelungene und zum Sozialcharakter gefestigte Übersetzung des objektiven Zwangscharakters von Kapital und Staat in das Bewusstsein des Einzelnen [...], der sein Handeln nur noch als Dienst am Allgemeinen [...] zu begreifen vermag.“(15)
Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft ist heute ein anderes als im Nationalsozialismus. Ein neuer Führer-Typus, wie beispielsweise Jörg Haider, tritt als Gegenpol zur Partei- und Staatsbürokratie auf. Ohne Probleme sind in seiner politischen Haltung Volksnähe, die Affinität zu plebiszitären Formen der Politik und neoliberalistische Reklame für Flexibilität und Mobilität der Arbeitskraftmonaden nebeneinander vorhanden. Als Leitsatz kann gelten, was Jörg Haiders Public-Relation-Abteilung so beschreibt: „Keine Verstaatlichung des Menschen, sondern eine Vermenschlichung des Staates.“(16)
Eine der wichtigsten Parallelen zum Nationalsozialismus ist das, was vom BgR mit zivilgesellschaftlichem Engagement verwechselt wird: die Kampagne. Was Franz Neumann bereits 1942 als kennzeichnend für den Nationalsozialismus feststellte, nämlich dass niemals Ruhe herrschen darf, dass immer irgend eine Kampagne stattfinden muss(17), das lässt sich auch heute beobachten. Die Feindbilder wechseln dabei ständig: Mal sind es sogenannte Kinderschänder, mal korrupte Politiker, dann hat es sogar die Nazis getroffen bei einer der letzten großen Kampagnen, dem Antifa-Sommer 2000. Gemeinsam ist diesen Feinden nur, dass sie als gemeinschaftsschädigend gelten.
Zwei weitere Kampagnen, die aber nicht nur in Deutschland losgetreten wurden, sind Antiglobalisierungsbewegung und Friedensbewegung. Damit sind wir beim 3. und letzen Punkt.

3. Teil „... und morgen die ganze Welt?“

Wenn die Feindbilder immer beliebiger werden; wenn der Nationalstaat Deutschland samt Blut und Boden als Bezugspunkt in Frage gestellt ist; wenn das „Staatssubjekt Kapital“ sich in den Einzelnen statt in einer klassischen Volksgemeinschaft realisiert; wenn Volksgemeinschaft gar, wie die AKG seligen Angedenkens einmal schrieb(18), sich als Völkerfreundschaft darstellt – was ist dann noch deutsch daran? Alles.
Schon die hellsichtige Analyse der nationalsozialistischen Zustände von Heinz Langerhans 1934 beschränkte die Diagnose nicht auf Deutschland. Potenziell kann es (fast) überall passieren. Das, was deutsch ist, darauf weist Clemens Nachtmann hin(19), ist keine fixe Eigenschaft, die sich irgendwie mentalitäts- und kulturgeschichtlich festmachen ließe, sondern ist eine spezifische kapitalistische Vergesellschaftung, die in Deutschland zuerst so stattgefunden hat und hier bis an die barbarische Konsequenz der Vernichtung gelangt ist.
Es stimmt: In Deutschland hat nie eine bürgerliche Revolution stattgefunden. Aber das ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Ausnahmen sind hingegen jene Länder, in denen die bürgerliche Gesellschaft nicht übergestülpt wurde, sondern aus einer politisch-gesellschaftlichen Entwicklung entstanden ist. Dort gibt es die Ideologie des Liberalismus, den Glauben an die Selbstheilungskräfte des Marktes und das Misstrauen gegen staatsgewordenes Kapital, die Gemeinschaft, den starken Staat, den Klassenkompromiss. In den Regelfällen jedoch heißt Krise, nicht den Kräften des Marktes zu vertrauen, sondern dass Entfremdende und Übergestülpte loszuwerden. Singulär ist nicht der Willen zur barbarischen Krisenbewältigung, sonderen dessen historisch wahr gewordene Form – der Nationalsozialismus.
Deutsch an der internationalen Antiglobalisierungs- und Friedensbewegung ist ihr Antisemitismus. Nachdem die völkische Ideologie von Rasse auf Kultur umgestellt hat, ist es noch einfacher als zu Zeiten des Nationalsozialismus möglich, auch andere Völker anzuerkennen und ihre „kulturellen Eigenarten“ als erhaltenswert zu kennzeichnen und vor der Überfremdung mit „westlichen Werten“ schützen zu wollen. Die ganze Völkerfreundschaftsfamilie, die derzeit zum Beispiel die UNO-Vollversammlung dominiert, weiß – zusammen mit den no globals, die nicht umsonst die UNO immerzu im Munde führen – ziemlich genau, gegen welche ‘Ausnahmen’ zu Felde gezogen werden muss: gegen die USA und Israel. Das ist antisemitisch, weil diese beiden Länder als gemeinschaftsschädigend und außerhalb stehend identifiziert werden.
Weder die soziale Frage noch die Frage des Friedens sind heute rein deutsche, sondern es sind weltweite Fragestellungen, die mittels deutscher Krisenbewältigungsstrategie gelöst werden sollen, d.h. gegen die USA und gegen Israel. In Deutschland bemüht sich derzeit eine Phalanx aus klassischen Nationalisten, Kerneuropa-Anhängern und linken Internationalisten um den antiimperialistischen Kampf. Die Klassischen Nationalisten wie Hohmann und Günzel, aber auch die Neonazis sind im Moment nicht so erfolgreich bei der Werbung um Sympathien wie die anderen Antiimperialisten.

2 Sätze, warum man trotzdem oder deswegen nach Halle fahren sollte:
1. Es ist eine antifaschistische Notwendigkeit, Nazis entgegen zu treten.
2. Damit Deutschland die erträumte Rolle in der völkischen Völkerfamilie spielen kann, muss es zunächst den Nationalsozialismus samt seiner Vorgeschichte historisieren und beispielsweise in das ‘katasrophische 20. Jahrhundert’ einordnen, wofür die Namen Walser, Grass, Friedrich, Steinbach und der Volkstrauertag stehen; auch dem gilt es entgegenzutreten.

Sven

Fußnoten:
(1) vgl. Gerhard Scheit, Totalitärer Staat und Krise des Kapitals, www.isf-freiburg.org/beitraege/Scheit_Totalitarismus.htm
(2) ebd.
(3) vgl. www.isf-freiburg.org/beitraege/ISF_GemeinschaftDerGuten.htm
(4) wie FN 1
(5) vgl. Clemens Nachtmann, Krisenbewältigung ohne Ende, in: Stephan Grigat (Hg.), Transformation des Postnazismus. Der deutsch-österreichische Weg zum demokratischen Faschismus, Freiburg 2003 (ca ira)
(6) ebd., 71
(7) ebd., 73
(8) vgl. BgR, Das Projekt Zivilgesellschaft, in: Phase 2/08
(9) ebd.
(10) ebd.
(11) vgl. Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Ffm. 1997 (Suhrkamp), 1059
(12) Gerhard Scheit, Die Meister der Krise, www.isf-freiburg.org/ca-ira/scheit_meister.htm
(13) ebd.
(14) ebd.
(15) wie FN 5, 43
(16) wie FN 12
(17) vgl. Franz Neumann, Behemoth, Ffm. 1998 (Fischer), 505ff.
(18) AKG, Völkerfreundschaft heißt Volksgemeinschaft, www.akg-leipzig.info/texte/volksgemeinschaft.html
(19) wie FN 5


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last modified: 28.3.2007