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Im Folgenden dokumentieren wir einen Text von Café Morgenland:
dokumentation, 1.1k

Im Visier der Regenbogenfahnder.


Im Kampf der sog. Antideutschen, ohne Angst deutsch sein zu dürfen, kommt es gelegentlich zu den bizarrsten Fügungen. Mit der Forderung „Save the Rainbow!“ beglückte ein als „sexuelle Minderheit“ selbstgekennzeichnetes Trüppchen auf dem jüngsten CSD in Berlin die Community, u.a. mit profunden historischen Erkenntnissen wie diesen: „Von 1978 bis 2002 war der Regenbogen in der öffentlichen Wahrnehmung queer.“
Queer wollten auch sie selbst in der öffentlichen Wahrnehmung sein, und damit das Ganze noch besonders minderheitlich werde, nannten sie sich „queer.for.israel“ (man/frau/sonstwas beachte die antiessentialistische Unverfänglichkeit: Israel ohne großes i zu schreiben). Und in der Tat funktionierte es: wüste Beschimpfungen und schlimmeres wurden ihnen gewiss, und wann darf man sich als deutsche Minderheit denn schon mal so richtig opfermäßig aufführen. Zur Not schwenkt man/frau/sonstwas eben eine Israelfahne, ein kalkuliertes Spiel.
Nur um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: eine Israelfahne hochzuhalten ist hierzulande eine der wenigen würdevollen Tätigkeiten, für die die Deutsche Linke noch brauchbar wäre. Schlimm wird es erst, wenn diese Fahnenträger meinen, ihre Tätigkeit rechtfertigen zu müssen. Die Bedrohungen durch den antisemitischen Mob werden ihnen erst recht zum Anlass, sich für anmaßende Diskussionen über Israel verfügbar zu halten. Und damit klar werde, dass, wo unter Linksdeutschen von Israel die Rede ist, eigentlich nur die eigenen Befindlichkeiten ausgehandelt werden, wurde angehalten, nicht zu ignorieren, „dass der Antiamerikanismus und der Hass auf Israel sich auf die Aspekte westlicher Gesellschaften kapriziert, die zugleich die (Über)lebensbedingungen für sexuelle Minderheiten [...] darstellen“, kurzum: dass die Deutschen mal wieder die eigentlichen Opfer sind. Denn die Einrichtung von „(Über)lebensbedingungen für sexuelle Minderheiten“ ist durchaus ein deutsches Spezifikum.
Den restlichen sich vor Ort befindenden „sexuellen Minderheiten“ kam die Ehre nicht zu, diese Deutschen dahin zu schicken, wo sie zum Wohle der gesamten Menschheit bis auf weiteres zu verweilen hätten: nach Hause. Stattdessen kaprizierte man/frau/sonstwas sich darauf, sich gegenseitig im Willen, deutsch zu sein, zu überbieten, und gab sich als antisemitische Mehrheit zu erkennen. Nicht der offensive Rassismus der queeren Antideutschen war ihnen ein Problem, sondern die Israelfahnen, die sie mit sich trugen. Auf das Angebot, über die Vorzüge und Nachteile vom „islamistischen Tugendterror“ gegenüber den deutschen Zurichtungsverfahren sich zu unterhalten, wären sie sicher gerne bereit gewesen einzugehen, wenn da nicht diese Israelfahnen gewesen wären. So viel haben sie von ihren deutschen Aufklärern schon gelernt, dass sie beim Anblick der Symbole Israels in Raserei geraten. All der Differenzierungswille, der in den darauffolgenden Stellungsnahmen folgte, wird nicht verbergen können, dass es diesem Mob darum ging, Juden anzugreifen. Und damit auch für die Zukunft deutlich werde, dass Juden auf einem „alternativen“ CSD nichts zu suchen haben sollen, beeilte sich die „Group for Love Respect Resist“, eine eindringliche Warnung auszusprechen: „[...] Die Fahnen signalisieren die Solidarität mit der militärischen Hardlinerpolitik von Sharon. Dies tun linke AktivistInnen aus Israel nicht“.
Welche „emanzipative Strukturen“ die sog. Antideutschen hier anzugreifen versucht haben sollen, ist uns ein Rätsel. Dass sie beabsichtigt haben könnten, „den CSD für ihre Interessen [zu] funktionalisieren“, erscheint uns als ein noch relativ begrüßenswerter Umstand, wenn bedacht wird, dass auf der anderen Seite des Regenbogens nichts sehnlicher gewünscht wird, als Juden zu ermorden. Kreuzberg liegt in Deutschland, soviel ist sicher.

Die traurige Tatsache, dass es hierzulande für viele noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, sobald sie eine Israelfahne sehen, diese zugleich brennen sehen zu wollen, wird vom „Group for love ...usw.“ gerne nachträglich als eine mündige Entscheidung des Denkens fähiger Wesen beschrieben: „Während viele auf dem CSD nicht wussten, was denn nun diese Fahnen da sollten, weil da nie eine Nationalfahne mehr rumwackelt (nur diese etwas albernen Regenbogenfahnen) und da der CSD auch nie eine ausgewiesene nationalistische Veranstaltung war, haben sich einige der radikalen Schwulen, Lesben, Queers und sonstige liebenswerte Wesen spontan entschieden, die KriegsbefürworterInnen aufzufordern ‘Die Fahne runter - sonst keine Teilnahme’.“ An die Antideutschen adressiert und die Juden meinend, geben sie Bescheid: „Wir müssen einfach nicht zu jedem Arsch der Welt tolerant sein, und schon gar nicht am CSD“. Es sei hier mit aller Deutlichkeit gesagt: an einem antisemitischen Aufmarsch teilgenommen zu haben, sollte Scham genug aufkommen lassen, zumindest solange zu schweigen, bis um Rechenschaft gebeten wird. Das Ganze aber nachträglich noch als emanzipatorische Veranstaltung durchgehen lassen zu wollen, ist nur als manifeste Drohung gegen alle jüdischen Menschen in diesem Land zu deuten und als solche zu sanktionieren.

Die queeren Antideutschen versäumten es ihrerseits nicht, die Provinzialität ihres Bewusstseinszustandes zur Disposition zu stellen – Freilich nicht ohne auf die ihnen eigene Art allerlei Drohungen auszusprechen. Nach wie vor scheinen sie, von wem auch immer, zum Geschehen außerhalb ihrer Dorfgrenzen gefragt worden zu sein, und so wollen sie wissen, dass es kein Zufall sei, „dass sich das Stonewall Inn 1969 in New York City, USA befand“ oder, „dass die Lesben- und Schwulenbewegung der Vereinigten Staaten die selbstbewussteste Community auf dem Planeten darstellt“. Es sollte hier nicht unterschlagen werden, dass es gewiss auch kein Zufall ist, dass die offensichtlich selbstbewusstesten Deutschen auf diesem Planeten sich mit der wohl erbärmlichsten aller „Lesben- und Schwulenbewegungen“ auf diesem Planeten – erinnert sei daran wie sie letztes Jahr beim Europride in Köln zu Tausenden ihren Führern Fischer, Beck und Roth zujubelten – zum Kampf gegen „islamische Diktaturen“ arrangieren wollen. Dabei schämen sie sich nicht, etwa Klaus Mann vorzuschicken, um Ernst Röhm als positive Leitfigur gegen linke Homophobie zu rehabilitieren.
Die verqueerte Rasselbande, die nichts Schlimmeres zu befürchten hat als ein „Exportverbot für westliche Lebensstile“, scheut sich auch nicht, auf Lücken in der nationalen Geschichtsschreibung hinzuweisen, um diese zugleich schließen zu wollen. Bekanntermaßen geht es dabei stets darum, den Opfern der Deutschen zumindest eine Teilschuld an ihrem KZ-Aufenthalt zukommen zu lassen. So erfahren wir von einer „Schwulenbewegung aus der Weimarzeit“, die sich „eingeschüchtert in die Konzentrationslager abführen ließ“, nachdem ihnen „eine Haltung der Aufopferung der sexuellen Freiheit“ aufgezwungen worden war. Mal ganz abgesehen davon, dass es gewiss nicht eine „Schwulenbewegung“ gewesen war, die sich in die Konzentrationslager „abführen ließ“, sondern einzelne Menschen, die besseres verdient haben, als für die Sinnstiftungsprogramme der Enkelgeneration vereinnahmt zu werden, zeugt die Rede von einer Opferbereitschaft der Betroffenen von der Bereitschaft zur Tat noch heute in diesem Land. Die Rede von einer Mitschuld der Opfer der Deutschen ist nicht neu. Sie wurde stets und mit besonderer Vehemenz mit Bezug auf Juden angewandt. Ganze Bücherregale existieren darüber, wie sie sich widerstandslos in die Vernichtungslager hätten deportieren lassen. Die Gegner solcher Diskurse antworteten darauf mit historischen Untersuchungen, wo sie nachweisen wollten, dass es da und dort doch Juden gegeben habe, die Widerstand leisteten, anstatt diesen Diskurs selber anzugreifen. Was die sog. Antideutschen betrifft, so wissen sie genau, dass sie derartige Vorwürfe gegenüber Juden nicht bringen dürfen. Sie verspüren aber umso mehr den Drang dazu, und so lenken sie ihn auf ihr neuestes Objekt ihrer Begierde. Israel wird löblich attestiert, der einzige Staat im Nahen Osten zu sein, „in dem Schwule, Lesben und Transsexuelle Bürgerrechte genießen.“ Wieder einmal haben die Juden Glück gehabt, die richtigen Gesetze verabschiedet zu haben. Anderenfalls hätte ihnen womöglich ein Marsch auf Tel Aviv gedroht, direkt im Anschluss an die Parade auf der Straße des 17. Juni.
Die zukünftigen Bedingungen einer Solidarität mit Israel sind markiert: ihre Brauchbarkeit für die deutsche Ehehygiene. Auch die Leute vom WHK, in ihrer Stellungsnahme zum Geschehen, versäumen es nicht, die Bedingungen ihrer Solidarität mit Israel zu nennen: „dass Israel, bei aller notwendigen Kritik an seiner rechten Regierung, noch immer das einzige nah- und mittelöstliche Land [sei], in dem Homosexualität legal und ohne Gefahr für Leib und Leben lebbar ist, ein Land, das im übrigen auch wegen ihrer abweichenden Sexualität verfolgten Palästinensern Asyl gewährt.“ Bei dieser Gelegenheit sei noch mal die einzige Notwendigkeit genannt, die Deutsche bezüglich Israel für alle Zeiten zu bedenken haben: einfach die Fresse zu halten.
Immerhin mochte das WHK den rassistischen Aufruf des „Bündnisses“ nicht mitunterschreiben, weil er „neben wichtigen Informationen Thesen enthielt, die beim WHK als zu simpel und undifferenziert angesehen werden“. Doch fraglich, womit hier was gemeint ist. Mit „wichtigen Informationen“ ist wohl die Warnung gemeint, sich als deutsche „sexuelle Minderheit“ in Kreuzberg oder Neukölln, vor migrantischen Jugendlichen in Acht zu nehmen. Nachdem es den Antideutschen nicht gelang, den IDF mit ihren Spendenaufrufen zu imponieren (Zum Glück ist Israel aufs Wohlwollen deutscher Linker nicht angewiesen), sind sie nun weiter auf der Suche nach einer namhaften „Opfergruppe“, der sie väterlich unter die Arme greifen könnten. Sie sind fündig geworden – erinnert sei an dieser Stelle auch an das mangelnde Interesse migrantischer Frauen daran, sich von deutschen Jungs über Sinn und Unsinn von Kopfbedeckungen aufklären zu lassen. Ausgerechnet der deutschen „Schwulenbewegung“, deren Akteure anstatt ihr Land und ihre Familien zu hassen, sich in „vorauseilendem Gehorsam“ schon mal in selbstgeforderten Rosa-Listen registrieren lassen – damit aber beim nächsten Ernstfall alles reibungslos verlaufe – fällt nun die Rolle des revolutionären Kindes zu. Die queerteutonischen Eiferer wären sicherlich überrascht zu erfahren, dass auf dieser Welt Homosexualität stattfindet, auch ohne nach dem deutschen Standard zu fragen. Mit ihrer großherzig bekundeten Sorge um die „tausend Flüchtlinge aus dem Süden“, wollen sie wohl den Verdacht loswerden, bei ihrer Rede vom „Schwulenhass migrantischer Jugendlicher“ und ihrer sonstigen Hetze gegen nichtdeutsche Menschen in diesem Land könne es sich um das linksdeutsche Komplement zur Mordlust des Staates und des übrigen Mobs handeln. Doch es ist eine „persönliche und politische Entscheidung“, die homophobe Gewalt, die täglich hierzulande stattfindet, auf einen „Schwulenhass migrantischer Jugendlicher“ zurückzuführen, und als solche werden wir sie ernstnehmen.

Morgenland, Inc. July 2003


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last modified: 28.3.2007