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Finale Krise und Verelendungstheorie.


Die Krisentheorie und die Widersprüche der warenproduzierenden Gesellschaft.

Folgender Text behandelt einige zentrale Fragen marxistischer Krisentheorie. Er geht aus von einigen zentralen Vorbehalten gegen krisentheoretische Überlegungen, speziell jener, dass es sich bei derartigen Gedanken doch recht eigentlich um eine „Verelendungstheorie“ handeln würde – was aber als Generalabwatsch radikaler Gesellschaftskritik gelten muss. Es hat in der Linken Tradition, die marxsche Lehre als Verelendungstheorie zu disqualifizieren und ad acta zu legen. Jegliche Aussagen über den zerstörerisch-destruktiven Charakter von „Zivilisation“, „Moderne“, „Fortschritt“ und dergleichen beschönigenden Umschreibungen des Kapitalismus gelten dem bürgerlichen Subjekt als eine bis tief ins Mark reichende Bedrohung seiner schizophrenen Existenz. Revolutionäre und reformistische Theorien – diese beiden Formen affirmativen und systembejahenden Denkens innerhalb der Linken – hatten daher immer – meist abwechselnd – Hochkonjunktur. Das System „mitgestalten“ bzw. das System „zerstören“ und was neues aufzubauen schmeichelte dem Subjekt dieser Gesellschaft. Es kam dem Größen- und Gestaltungswahn bürgerlich geprägter Menschen entgegen. Marxens Lehre hingegen weist auf die Nichtigkeit des Einzelnen wie der halluzinierten Kollektive ebenso wie der Staaten und deren „Willen“ in einer von Warenproduktion geprägten Gesellschaft hin. Sie zeigt, dass es auf den einzelnen wie auf „Kollektive“ hier nicht ankommt.

1. Krisentheorie als Verelendungstheorie?

Wege aus der Krise #, 23.7k
Wege aus der Krise #1
Gegen die Aussage, dass das warenproduzierende System in sein historisches Endstadium tritt, werden oft unterschiedliche, ihrem Wesen nach aber ähnliche Argumente ins Feld geführt. So fragt man mich, wann denn nun „meine Krise“ komme oder ob man denn gar nichts tun dürfen und „nur noch auf die Krise warten“ solle. Dass es Menschen schlecht geht, sage noch nichts über eine Krise des Kapitalismus aus, meinen andere, mich belehren zu müssen. Oder: der Weltuntergang wäre schon oft prophezeit worden. Oder: schon der alte Bebel redete irgendwann um 1880 vom bevorstehenden Zusammenbruch des Kapitalismus (dem „großen Kladderadatsch“) und dieser ist jedes Mal ausgeblieben. Ebenso häufig bekommt man zu hören, dass „das mit der Krise doch letztlich eine Glaubenssache“ sei. Wieder andere bestehen darauf, dass Kapitalismus „immer furchtbar“ sei und dass dazu „nicht erst eine Krise nötig“ wäre.
Diese und ähnliche Aussagen bestätigen, dass die betreffenden Menschen, sofern sie nicht böswillig verleumderisch argumentieren, keinen hinreichenden Begriff von Krisentheorie entwickelt haben. Daher hier ein für alle mal: Krisentheorie beruht auf einer Analyse des warenproduzierenden Systems und lässt sich exakt mit dem Abschmelzen der Wertsubstanz (Arbeit) durch mikroelektronische Rationalisierung begründen. Daran ist nichts, aber auch gar nichts „Glaubenssache“. Wer das behauptet, hat leider von Marxscher Theorie nicht die Bohne verstanden. Es besteht freilich die Möglichkeit, dass die Krisentheorie nicht stimmt. Damit besteht die Möglichkeit, dass wir uns gar nicht im Stadium der finalen Krise befinden. Zur „Glaubensfrage“ wird die Krisentheorie damit noch lange nicht. Also: Krisentheorie kann widerlegt werden – was aber auf dem Marxschen Niveau bisher noch niemand getan hat – auch der Heinrich nicht (der schon gar nicht)– aber sie ist keine Glaubensfrage.
Ein weiteres häufiges Gegenargument ist der Verweis darauf, dass Krisentheorie so etwas wie eine „Verelendungstheorie“ sei. Diese besagt in gemeinüblicher Variante: die „Massen“ werden schon „revoltieren“, wenn’s ihnen so richtig dreckig geht. Aber solange sie in Saus und Braus leben, machen sie eben nichts. Das wird dann auf die Krisentheorie übertragen: Solange der Kapitalismus funktioniert, revoltiert niemand. Aber da „wir“ ja an die Krise glauben, glauben wir auch daran, dass die Leute dann wohl endlich mal aufbegehren werden.
Tatsächlich war die Verelendungstheorie ursprünglich anders gefasst worden: nämlich als Aussage darüber, dass es auf dem Boden der Warenproduktion perspektivisch nicht zu Wohlstand, Freiheit und Frieden, sondern zu Elend, Hunger und Krieg kommen wird. Sprich: das warenproduzierende System ist auf mittlere und längere Sicht nicht in der Lage, den Menschen zu einem glücklichen Leben zu verhelfen.

2. Rosa Luxemburg und die Realisierung des Mehrwerts

Die oben dargelegte Position wurde von Rosa Luxemburg gegen Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. frontal gegen den Bernsteinschen Revisionismus gerichtet. Dessen Kernposition kann in der Aussage „Der Weg ist das Ziel“ zusammengefasst werden: innerhalb des warenproduzierenden Systems soll durch Reformen unter der Führung einer demokratischen, sozialistischen Regierung von einer breiten gewerkschaftlich organisierten proletarischen Massenbasis flankiert ein solcher Druck auf die Unternehmer ausgehen, dass schrittweise immer mehr Verbesserungen für die Arbeitenden durchgesetzt werden könnten. Auch der kriegerische Charakter des Kapitalismus könne durch Politik und funktionierende Marktwirtschaft gezähmt werden.
Rosa Luxemburg hingegen stellte in ihrem Hauptwerk „Die Akkumulation des Kapitals“ von 1913 klar, dass es auf kapitalistischer Grundlage längerfristig nur Krieg und Elend geben kann, und dass dem Kapitalismus Zerstörungskräfte innewohnen, die schließlich gegen ihn selbst schlagen, ihn systematisch unterminieren und schließlich zerschellen lassen. Daher müssten sich die Arbeiter organisieren und eine kommunistische Revolution durchführen, bevor dieser Zusammenbruch geschieht. Es sollte also darum gehen, den Kapitalismus davon abzuhalten, die Welt in Schutt und Asche zu legen.
Rosa Luxemburg meint, dass im Kapitalismus zunehmend der von den Kapitalisten angeeignete, durch Vernutzung menschlicher Arbeitskraft geschaffene Mehrwert weniger realisiert wird. Realisiert wird der Mehrwert dadurch, dass die in der Produktion geschaffenen Güter gewinnbringend verkauft werden. Die Kapitalisten könnten dabei aber ihre Überschüsse nicht aneinander oder gar an sich selbst verkaufen. Aber auch wenn Arbeiter diese Überschüsse kaufen, käme dabei, so zumindest Luxemburg, kein kapitalistischer Gewinn, also keine Realisierung des Mehrwerts heraus, denn der Lohn ist ja nur ein Bestandteil des Kapitals. Wenn also ein Kapitalist einem Arbeiter Lohn gibt, und dieser dafür die Produkte des Kapitalisten kauft, dann könnte der Kapitalist die Produkte auch gleich an sich selbst verkaufen. Er hätte im einen wie im anderen Falle den Mehrwert nicht realisiert.
Wege aus der Krise #, 12.2k
Wege aus der Krise #2
Mehrwert wird nach Luxemburg nur durch Produktabsatz in nicht-kapitalistische Gebiete (nicht kapitalisierte Regionen der Welt und nicht kapitalisierte Strukturen innerhalb der kapitalistischen Länder) realisiert. Dazu werden unentwegt Naturalwirtschaften zerstört, bäuerliche Strukturen zerschlagen und in Warengesellschaften transformiert. Dadurch werden Produkte außerhalb des kapitalistischen Raumes abgesetzt und somit wirklich Mehrwert realisiert. Dabei wandeln sich die Gebiete, in denen man jetzt Waren absetzt, aber logischerweise selbst schließlich in Warengesellschaften um, werden also selbst kapitalistisch und taugen dann nicht mehr als Gebiete der Mehrwertrealisierung.
Demzufolge muss sich das Kapital immer mehr auf die Suche nach letzten nicht-kapitalistischen Gebieten und Strukturen begeben. Von denen findet es immer weniger vor und zudem treten sich die Kapitalisten, bzw. die sie repräsentierenden Staaten, sehr bald bei ihrer Suche gegenseitig auf die Füße. So entsteht das Zeitalter des Imperialismus: der Kampf um die letzten nicht-kapitalistischen Flecken der Erde entbrennt.

Fazit: Luxemburgs Theorie läuft auf die Position hinaus, dass zuwenig Mehrwert von den richtigen Leuten konsumiert wird, daher der Kampf um die letzten nicht-kapitalistischen Gebiete, daher perspektivisch Krieg der imperialistischen Zentren gegeneinander – daher laut Grossmann eine „Unterkonsumtionstheorie“ – es wird zuwenig konsumiert – daher Krise bzw. Zusammenbruch.

3. Form und Inhalt der Warenproduktion

Damit ist die Problematik Luxemburgs aber keineswegs ausgeschöpft.
Im Anschluss an den österreichischen Reformsozialisten und Luxemburggegner Otto Bauer stellte Henryk Grossmann klar, dass der Kapitalismus nicht an mangelnder Realisierung des Mehrwerts krankt. Es ist ihm schlichtweg egal, wo er seine Produkte absetzt – ob sie an deutsche oder sudanesische Arbeiter bzw. englische oder indonesische Handwerker vertickt werden. Daraus, dass die „dunklen Flecken auf der Landkarte“ und die nicht kapitalistischen Nischen innerhalb der kapitalistischen Zentren verschwinden, lässt sich kein Endstadium des Kapitalismus ableiten. Allerdings wäre Luxemburgs Zusammenbruchslehre nur verkürzt rezipiert, wollte man bei dieser Aussage stehen bleiben. Auch wenn ihre konkreten Aussagen bezüglich eines marktwirtschaftlichen Zusammenbruchs infolge mangelnder Realisierungsmöglichkeiten des Mehrwerts an sich falsch sind, so war doch der Ansatzpunkt, die Problemstellung, die Luxemburg zu ihrem Ergebnis führte, ein richtiger und wichtiger.
Ihre Analyse kreist nämlich um das für den Kapitalismus so zentrale Stoff/ Form- bzw. Inhalt/ Gestalt-Problem. Marxistische Theorien über den Kapitalismus nach Marx betrachteten stets immer nur die Verwertungsseite des Warensystems. Hauptaugenmerk wurde auf die tendenziell fallende Profitrate gerichtet. Nicht beachtet wurde, dass die kapitalistische Gesellschaft nicht nur auf einen Verwertungsprozess beruht, sondern dass da etwas verwertet wird. Die nur dialektisch aufdröselbare Verflechtung von Produktionsprozess und Verwertungsprozess wurde stets verkannt. Der menschliche Austauschprozess mit der Natur wurde stets ontologisch als „Arbeit“ konzipiert und sei angeblich nur von der bösen kapitalistischen Verwertung eingeklammert und demzufolge zu befreien.
Nun war Rosa Luxemburg gewiss weit davon entfern,t eine Kritik der Arbeit zu formulieren. Aber: Mit ihrem Insistieren auf den Schwierigkeiten der Mehrwertrealisierung im Verwertungsprozess rückte sie Probleme von Form und Inhalt der Warenproduktion ins Zentrum des Interesses. Sie greift auf, dass es ein Problem ist, dass im Kapitalismus eben nur bestimmte Waren produziert werden, während bestimmte andere auf dem Markt verlangt werden. Sind stofflich Computer auf dem Markt vorhanden, die aber grad kein Schwein haben will, so stellt sich eben ein stoffliches Problem. Denn die im Computer kristallisierte Wertmasse kann nicht so einfach mir nichts dir nichts in Butter oder Filzlatschen transformiert werden. Zwar ist es absolut richtig zu sagen, dass der Inhalt der Produktion im Kapitalismus egal ist. Ein marktwirtschaftlich ausgerichtetes Unternehmen will nur Profit machen, sonst nichts. Ob es den aus Brötchen, Tomaten oder Atombomben gewinnt, ist ihm Schnitte. Wenn aber auf dem Markt bestimmte Produkte vorliegen, so stellt es durchaus ein Problem dar, um was für Produkte es sich da handelt. Hier kommt der fetischistische Charakter der Marktwirtschaft in konkreter Gestalt zum Ausdruck. Einem Produktionssystem, welchem der Inhalt per definitionem schnuppe ist, bekommt auf einmal ein Inhaltsproblem, welches es auf seinem eigenen Boden nicht zu lösen vermag, da es auf stofflichen Schnörkel nun mal keine Rücksicht nehmen kann. Hier wird der grundlegende, das marktwirtschaftliche System durchziehende Gegensatz von stofflicher Produktion auf der einen Seite und einer Verwertung, in die kein Atom Naturstoff eingeht, mit schlagender Gewalt deutlich. An einem bestimmten Punkt nämlich droht den Menschen, die diesen Prozess zwar betreiben, aber nicht beherrschen, der gesamte Schlamassel um die Ohren zu fliegen.

4. Grossmanns Zusammenbruchstheorie (Profitrate und Profitmasse)

Grossmann legte in seinem Hauptwerk „Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesez des kapitalistischen Systems“ von 1929 eine fundierte Kritik an Luxemburg vor. Dabei greift er, wie dargestellt, zu recht Luxemburgs These an, nach der die Verwertung am nicht realisierten Mehrwert zusammenkracht. Stattdessen stellt er dar, wie überall in der Welt eifrig Mehrwert realisiert wird und nirgends Anzeichen einer Stockung auftreten.
Den Schwerpunkt bildet aber eine andere Aussage Grossmanns: selbst bei gesündestem Florieren bekommt der Kapitalismus ein Problem. Sei es nun dahingestellt, ob Mehrwert realisiert wird oder nicht – setzen wir einfach mal, es passiert vollkommenste Mehrwertrealisierung. Selbst in diesem, für ihn besten Fall erfolgt der alsbaldige gnadenlose Zusammenbruch des kapitalistischen Verwertungssystems.
Laut Grossmann teilt sich der aus einem Gesamtkapital C entspringende Mehrwert m in drei Teile. Der erste Teil wird in konstantem Kapital c (Rohstoffe, Maschinen…), der zweite Teil in variablem Kapital v (Ware Arbeitskraft) investiert, der dritte Teil, von Grossmann k („klein ka“) genannt, wird überhaupt nicht investiert, sondern konsumiert, und zwar vom Kapitalisten. Er stellt jenen Anteil des Mehrwerts dar, den der Kapitalist im „Luxuskonsum“ verjubelt. Laut Grossmann stellt k die einzige Motivation des Kapitalisten dar, überhaupt zu produzieren. Ziel ist also nicht, wertkritisch gesprochen, die „Selbstverwertung des Werts“, sondern individueller Luxus des Kapitalisten. Das Problem des Kapitalismus besteht nun für Grossmann darin, dass jener die Produktion anheizende k-Anteil mit fortschreitender kapitalistischer Entwicklungsdynamik systematisch sinkt. Die Ursache dafür ist die tendenziell fallende Profitrate des Kapitals. Mit wachsender technischer Entwicklung wendet das Kapital immer mehr konstantes Kapital (mehr aufgespeicherte Arbeit in Maschinen etc) und immer weniger variables Kapital (Arbeitskraft) an. Das Verhältnis zwischen dem Wert im konstanten und dem Wert im variablen Anteil verschiebt sich immer mehr zugunsten des konstanten Kapitals, also zu ungunsten des variablen. Verhältnismäßig wird also immer weniger Arbeitskraft verwendet. Dass sagt aber noch gar nichts über die tatsächlich vernutzte Arbeitszeit aus. Diese kann real steigen, obwohl sie im Verhältnis zum konstanten Kapital sinkt. Jedenfalls ergibt sich aus dieser Dynamik eine sinkende kapitalistische Profitrate, denn der Profit p bestimmt sich genau aus dem Verhältnis zwischen c und v nach der Formel p= v/c. Da c mit steigender Entwicklung wächst und Rückentwicklung nicht denkbar ist, muss sich p immer weiter verringern.
p wird also weiter kapitalisiert, in konstantes und variables Kapital investiert. Der Anteil, der in k fließt, wird dabei immer schmaler. Hintergrund ist der Umstand, dass die Bevölkerungszahl nicht in ausreichend großem Maße mit der kapitalistischen Entwicklung mit wächst. Es wachsen nicht genug Menschen nach, um die Massen an Mehrwert zu schaffen, die nötig wären, um die Verwertung so enorm zu steigern, dass der k-Anteil auf einem für den Kapitalisten erträglichen Level bliebe. Für den armen Kapitalisten bleibt dabei letztendlich nichts mehr zu essen übrig, ja er müsste am Ende selbst zubuttern, um wirklich noch verwerten zu können. An diesem Punkt hat er verständlicherweise keinen Bock mehr, produktiv Arbeit zu vernutzen, begibt sich auf das glatte Eis der Spekulation und beginnt mit seinem Kapital entweder an der Börse zu spekulieren, während die reale Produktion brachliegt. Es kommt zu einer zyklischen Krise, an deren Ende die reale Produktion zwar wieder aufgenommen wird, aber auf einem viel höheren Niveau, so dass immer mehr gilt: nach der Krise ist vor der Krise. In den immer häufigeren und heftigeren zyklischen Krisen bereitet sich so das immer schneller heranrollende endgültige Ende des Kapitalismus vor.
Grossmanns Ergebnis ist spannend und paradox: es kommt letztendlich zu einer Arbeitslosigkeit infolge eines Bevölkerungsmangels. Aufgrund fehlender Menschenmengen lohnt sich die Verwertung nicht mehr – mit dem Kapital wird eher an der Börse spekuliert, als dass es produktiv vernutzt werden würde. Daher gibt es tendenziell immer weniger produktive Arbeitsvernutzung – demzufolge Arbeitslosigkeit. Unbewusst bringt Grossman hier ein fetischistisches Realparadox der Warengesellschaft auf den Punkt: es gibt quasi zu viele Menschen, weil es zu wenig gibt.
Vieles ist an Grossmanns Zusammenbruchslehre unstimmig. Der k-Anteil kommt bei Marx gar nicht vor, er ist eine von Grossmann hineingeschmuggelte Größe. Das Motiv kapitalistischer Produktion ist kein k-Anteil, sondern eben die Selbstverwertung des Werts. Perspektivisch läuft Grossmanns Konzeption lediglich auf eine Verwertungskrise hinaus. Es stören ihn eigentlich nur die „luxurierenden“ Kapitalisten, die nur produzieren, wenn sie nebenbei noch in Luxus leben können. Da sie dies immer weniger können, werden sie für Grossmann ihrem „Beruf“ immer weniger gerecht und müssen deshalb weichen, damit sich der Produktionsprozess, nunmehr ungehemmt von kapitalistischem Luxus, entfalten kann.
Dennoch leistet Grossmanns Betrachtung wichtiges und wesentliches: Bei Grossmann erfolgt Krise nicht lediglich infolge einer sinkende Profitrate, sondern er stellt – wie vor ihm erstmals Marx - die sinkende Profitmasse in Rechnung. Bei Grossmann liest sich das wie folgt: da der k-Anteil fällt, also kein kapitalistisches Motiv der Produktion mehr vorliegt, gibt es auch keine reale Produktion mehr. Damit sinkt nicht nur die Profitrate, also das relationale Verhältnis der auskristallisierten Arbeit zur vernutzten lebendigen, sondern es sinkt die absolute Gesamtmasse der vernutzten Arbeit, es sinkt also die Substanz des Verwertungsprozesses selbst, die Arbeit – erst damit tritt schließlich der Zusammenbruch ein. (Marx kannte empirisch nur ein zeitliches Zusammentreffen von sinkender Profitrate und steigender Profitmasse. Einen endgültigen Zusammenbruch hat er damit zwar theoretisch gedacht, aber praktisch als möglichen Zustand nicht denken können.)
Mit seiner Antithese gegen Luxemburgs These vom Zusammenbruch infolge mangelnder Mehrwertrealisierung erzielt Grossmann bei allen Schwächen drei nennenswerte Erkenntnisse: 1) er entwickelt eine Zusammenbruchstheorie, die immanent argumentiert – also nicht auf äußeren störenden Größen aufbaut, sondern aus dem immanenten Funktionieren des kapitalistischen Systems dessen Kollaps erklärt, 2) er zieht die vernutzte Gesamtmenge menschlicher Arbeitskraft in Rechnung, erkennt, dass deren Sinken krisenrelevant ist, 3) er erkennt, dass die Realproduktion, sobald sie nicht mehr rentabel ist, zugunsten von Spekulation fallen gelassen werden muss und dass damit das Kapital Hand an sich selbst legt, weil es seine Substanz ja in der produktiv vernutzten Arbeit hat.
Für diese Erkenntnis zahlt Grossmann allerdings einen hohen Preis. Er lässt das von Luxemburg aufs Tableau gebrachte Form-Inhalt-Problem klammheimlich unterm Tisch verschwinden. Bei Grossmann zählt nur die Verwertung, während Luxemburg ausdrücklich stofflich argumentiert, indem sie sich fragt, wo denn welche Produkte abgesetzt werden können. Bei Grossmann kommt einzig die Verwertung in die Krise. Der Krisenprozess ist kein zweiseitiger, keiner des Produktions- und Verwertungsprozesses. Thematisiert Grossmann das Verhältnis von Profitrate und Profitmasse, so erscheint es so, als ob der an sich natürliche ontologisch verankerte Produktionsprozess lediglich von der ihm fremd polypenhaft aufsitzenden Verwertungsstruktur erstickt wird. Somit läuft Grossmanns immanente Krisentheorie letztlich auf eine schlecht zusammengeleimte Theorie hinaus, die Profitrate und Profitmasse gerade nicht zusammen denkt, sondern nur willkürlich zusammenpappt.

5. Finale Krise Heute

Wege aus der Krise #, 8.5k
Wege aus der Krise #3
Eine den heutigen Verhältnissen angemessene Krisentheorie hat das Abschmelzen der Wertsubstanz infolge mikroelektronischer Rationalisierungsprozesse zum Schwerpunkt zu haben. Die Krise erfolgt also nicht nur, weil die Verwertung nicht mehr funktioniert. Vielmehr treibt der sich fortentwickelnde Produktionsprozess aus seiner eigenen Funktionslogik heraus selbst eine Produktivkraft hervor (nämlich die Mikroelektronik sowie die Kybernetik und Informatik als Wissenschaften), die ein reibungsloses Weiterlaufen des Verwertungsprozesses nicht mehr möglich machen. Somit kommt es zu einem Zusammenbruch von Arbeits- und Verwertungsprozess. Das Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen wird also so weit getrieben, dass schließlich 1) durch die Produktivkräfte Produkte erzeugt werden, die keine Warenform mehr annehmen können, die nur noch mit äußerer physische Gewalt in die Warenform gepresst werden können (Kopierschutz bei CDs zum Beispiel oder die nicht mögliche Einsicht in die Programmstruktur von Betriebssystemen): der Inhalt kann in dieser Form, der Warenform, nicht weiter wachsen, er schreit nach einer Vermittlungsform, die sich nicht mehr über Arbeit, Geld und Waren regelt. Auf dem Boden der Warenproduktion ist alsbald kein weiteres Wachstum möglich, da 2) die Substanz dieser Gesellschaft schwindet, nämlich die Arbeit. Der Warenform, dem abstrakten Wertverhältnis kommt somit sein Inhalt, die betriebswirtschaftlich vernutzte Arbeitszeit systematisch abhanden.
Marx formulierte die Position in den „Grundrissen zur Kritik der politischen Ökonomie“, seinen Vorarbeiten zum „Kapital“: „Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört und muß aufhören die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert [das Maß] des Gebrauchswertes. Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehört die Bedingung des allgemeinen Reichtums zu sein... Damit bricht die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen,... „ (Marx, Grundrisse, 593, Hervorhebung von mir). Das Kapitalverhältnis bricht also durch innere Widersprüche zusammen: „Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: daß das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck der Produktion erscheint“ (Karl Marx, Das Kapital 3, 231). Damit steht Marxens Analyse im ersten Band des „Kapitals“ über die „Tendenz der kapitalistischen Akkumulation“ in einem anderen Licht, als sie im traditionellen marxistischen Verständnis wahrgenommen wurde: „Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist... Die kapitalistische Produktion erzeugt mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses ihre eigene Negation“ (Karl Marx, Das Kapital 1, 790).
Bisherige linke Strömungen – so auch die marxistischen Krisentheorien Luxemburgs und Grossmanns – gingen davon aus, dass das Kapital in der Arbeiterklasse jene Kraft entwickelt, die es zerstört. Es würde also nur die Form aufgelöst. Die Arbeit, welche die Substanz der Wertgesellschaft darstellt, soll dann erst noch voll aufblühen. Es muss also eine weiter gefasste Vorstellung von Krise entwickelt werden. Dieses betrachtet nicht nur die Form, die Verwertung, als krisenhaft, sondern sieht Substanz und Gestalt der Warenproduktion in sich zusammensackennicht lediglich den Verwertungsprozess, sondern auch den Arbeitsprozess. Mit dem Zusammenbruch der Warenproduktion gerät nicht nur die Verwertung in die Stagnation, sondern die gesamte warenproduzierende Gesellschaft einschließlich ihrer Substanz, der Arbeit, damit das duale patriarchale Verhältnis der Geschlechter, also auch das männliche Prinzip. Die Matrix der Warenproduktion bricht damit in sich zusammen. Die Grundlegungen der Gesellschaft werden verhandelbar.

Theoretischer Exkurs: Mensch, Natur und Krise

Nachfolgend soll marxistische Krisentheorie in einem weiteren Kontext diskutiert werden. Dabei soll der grundlegende Gegensatz zwischen Form und Inhalt, welcher die Warengesellschaft kennzeichnet, hervorgehoben werden.
Mensch und Natur sind eines. Der Mensch ist 100% Natur. Aber als Natur hat er sich historisch von der Natur besondert, nicht jedoch gesondert. Er ist als Natur das Gegenteil von Natur. Er ist ein Teil der Natur und doch ihr Gegenteil. Nur als Natur ist er ihr Gegenteil (Schandl, Dialektik der Ökologie, in Weg und Ziel). Damit stehen Natur und Gesellschaft in einem steten wechselseitigen Austauschprozess. Es ist dies der Stoffwechselprozess des Menschen mit der Natur. Er muss sich mit der Natur, deren Teil er ist, vermitteln. Dies vollzieht er über Tätigkeit. Er muss sein Leben reproduzieren. Dass heißt, er muss für die Erhaltung seines Lebens und seiner Nachkommen sorgen.
Im Kapitalismus vollzieht sich der menschliche Austausch mit der Natur vermittelt über den Wert. Damit unterliegt dieser Austauschprozess einem grundlegenden Gegensatz zwischen materieller, also stofflicher Produktion und der Vermittlung durch eine Abstraktion. Diese ist die in den Waren vergegenständlichte Arbeit, die sich im Tauschwert ausdrückt, in welchen bekanntlich kein Atom Naturstoff eingeht. Das Ziel der Produktion wird die pure Wertverwertung. Aber diese kann sich nicht anders darstellen denn stofflich.
Menschliche Tätigkeit unter diesen Umständen verwandelt sich in Arbeit. Die Arbeit löst sich als Realabstraktion aus dem menschlichen Reproduktionszusammenhang. Sie beginnt, als losgelöste, wiederum die menschliche Gesellschaft zu beherrschen. Der Herauslösung der Arbeit liegt das patriarchale Geschlechtermodell ebenso zugrunde wie die Teilung in geistige und körperliche Arbeit. Beide teilen die Menschen in jeweils entgegen gesetzte Gruppen. Die Arbeit stellt die Substanz des Werts, der ein soziales Verhältnis ist, dar. Der Tauschwert der Ware, das Verhältnis, worin sie sich mit einer anderen Ware tauscht, ist sein Ausdruck. Als Geld verselbständigt sich der Tauschwert von den übrigen Waren und gewinnt eine Eigengesetzlichkeit, die ihn als Kapital unter ständiger Einsaugung menschlicher Arbeitskraft und stetem Formwandel (Geld-Ware-Geld) als automatisches Subjekt die menschliche Gesellschaft bestimmen lässt.
Bricht die Arbeitssubstanz im hoch entwickelten Kapitalismus weg, so erledigt sich die Vermittlung durch den Wert. Er wird eine Form ohne Inhalt. Die Entwicklung der Produktivkräfte erzeugt eine Produktivkraft, die eine weitere Entwicklung der Produktivkräfte in der Warenform nicht mehr möglich macht. Hier kommt der eklatante und auf warengesellschaftlicher Grundlage unlösbare Gegensatz zwischen stofflicher Produktion und Vermittlung über den Wert in der Krise zum Ausdruck.
Spricht Marx von der Ware, welche einen inneren Gegensatz zwischen Gebrauchswert und Tauschwert darstellt, so spricht er genau auf diesen Sachverhalt an. Indem Marx den Gebrauchswert als ökonomische Kategorie einführte und somit den Doppelcharakter der Ware aufdeckte, konnte er zu einer grundlegenden Kritik der bürgerlichen Gesellschaft vorstoßen, die vor ihm niemand erreicht hat. Er konnte damit aufdecken, dass die Ware einerseits als Ware als „nützliches Ding“ erscheint und sie andererseits als Ware der Ausdruck eines gesellschaftlichen Verhältnisses ist. Damit verwies er genau auf den oben angesprochenen grundlegenden Gegensatz zwischen stofflicher Produktion und Vermittlung via Wert. Damit verwies er darauf, dass kapitalistischer Reichtum, da er in der Warenform erscheint, kein Reichtum für die Menschen ist, sondern einer, der sich ihnen gegenüber verselbständigt und sie seinerseits beherrscht. Nicht sie verfügen über ihn, sondern er verfügt über sie. Sie werden beherrscht von ihrem eigenen Spiegelbild. Sie müssen sich ihm unterwerfen, um leben zu können und sie müssen sterben, wenn er sie nicht mehr braucht. In Form der Krise kommt dieser Gegensatz zum endgültigen Durchschlag. Hier brechen stoffliche Produktion und Verwertung derartig auseinander, dass eine andere Form der Vermittlung gefunden werden muss.

6. Krisentheorie als Überwindungsaufruf

Krise passiert also nicht, weil es den Menschen immer schlechter geht, sondern andersrum: ihnen wird es immer schlechter gehen, weil der Kapitalismus nicht mehr funktioniert – auf dem Boden von Markt und Staat ist einfach nichts mehr zu holen. Dies wird besonders deutlich beim Thema Arbeitslosigkeit: weil das Kapital nicht mehr effektiv verwerten kann, können die Menschen nicht mehr produktiv eingesaugt werden. Würde das Kapital noch effektiv verwerten und demzufolge auch „gesund“ wachsen, dann würde es auch die Menschen brauchen. Ein funktionierender Kapitalismus hatte immer zuwenig Menschen und wollte die Bevölkerungszahl nach oben treiben (entscheidende Erkenntnis Grossmanns!). Dass er dies nicht tut, weißt entweder darauf hin, dass er noch nicht entwickelt genug ist oder eben historisch sich überlebt hat. Heute trifft explizite zweites zu, während im frühen 19. Jahrhundert das erstere richtig war: in diesem Kontext formulierte damals Malthus seine Thesen bezüglich der „Überbevölkerung“, die heute von brachialkapitalistischen Ideologien und Ökonazis wieder hervorgezaubert werden. Allein ihr Kontext ist heute ein völlig anderer als in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Malthus seine Texte verfasste. Damals war die kapitalistische Infrastruktur noch derart schwach, dass sie nicht so viele Menschen einsaugen konnte. Daher erschienen diese als bedrohliche und nutzlose Esser. Als sich der Kapitalismus entwickelte, verschwand diese Bedrohung und der gute alte Malthus wurde vergessen. Der heute aufkommende „Neomalthusianismus“ alias „Neoliberalismus“ ist nur seine schlechte Kopie. Er weist darauf hin, dass heute der Kapitalismus derart überentwickelt ist, dass er sich selbst sprengt, weil er kaum noch Arbeit einsaugen kann und kaum noch Menschen benötigt.

Es ist klar, dass der Kapitalismus von seinem Wesen her nicht das Ziel hat, es den Menschen gut gehen zu lassen. Meine Behauptung ist auch nicht, dass er sich in der Krise befinde, weil es heute immer mehr Menschen schlecht geht. Sondern: die Gründe sind entscheidend, warum es ihnen heute schlechter geht. Nicht, weil sie ausgebeutet werden, sondern (bei der übergroßen Anzahl), weil sie nicht mehr gebraucht werden, weil sie nicht einmal mehr ausgebeutet werden. Sprich: weil das Kapital sie nicht mehr vernutzen kann. Das wiederum weist auf dessen Krise hin. Es ist also durchaus statthaft, die Wiederkehr der Armut als ein Krisensymptom zu fassen, ohne sich dafür gleich anhören zu müssen, dass es doch gar nicht das Ziel des Kapitalismus sei, die Menschen satt zu machen und dass man folglich „moralisch“ argumentiere. Umgekehrt: wer meint, allein das kapitalistische Elend – und sei es das von Auschwitz - sei ein Argument gegen diesen, der liefert zwar gute moralische Argumente gegen den Kapitalismus, aber keines, weswegen er aufhören müsse (also systemgesetzlich – und nicht „nur“ weil er brutale Zustände hervorbringt).

Dass die Marktwirtschaft nicht erst im Stadium ihrer finalen Krise großes menschliches Elend hervorbringt, ist auch mir klar. Aber hier soll es nicht um eine moralische Anklage des Verwertungs – und Arbeitssystems gehen, sondern um Analyse und Prognose. Einer analytischen Betrachtung aber ist Elend nicht gleich Elend. Eine derartige Betrachtung unterscheidet zwischen dem Elend, welches der Kapitalismus in seiner Frühphase im 18. und 19. Jahrhundert hervorbrachte, zwischen dem relativen Wohlstand, den er in seiner Blütezeit erzeugte (nicht nur in Japan, Nordamerika und Westeuropa – sondern auch, wenngleich abgeschwächt in den „sozialistischen“ Ländern und großen Teilen der „Dritten Welt“.) und der heutigen Wiederkehr des Elends. Diese erfolgt nicht, weil heute wieder so heftig ausgebeutet wird, wie vor 150 Jahren, sondern weil das System selbst krank ist und nicht mehr produktiv ausbeutet. Damals wurde verhungert, weil das System so gut funktionierte, heute weil es zusammenbricht. Damals waren demzufolge radikale und Reformprogramme sowie Klassen-, Verteilungs- und Umschichtungsprojekte absolut notwendig und sinnvoll – heute sind sie historisch in ihrer hergebrachten Form überholt.

Fazit: Krisentheorie ist kein Aufruf zum „Warten auf die Krise“, sondern ein Aufruf zur Überwindung der Warenproduktion und zur Entwicklung von Überwindungskonzeptionen. Die Krisentheorie ruft auf, die affirmative und zutiefst das marktwirtschaftliche System bejahende Trennung von „kleinen Schritten“ und „großem Ganzen“ zu überwinden.
Krisentheorie geht nicht davon aus, dass die Menschen revoltieren werden und den Kapitalismus beseitigen werden, wenn’s ihnen im Zuge der finalen Krise nur dreckig genug geht. Ihr ist klar: sie können sich auch barbarisch verhalten und gegenseitig abschlachten. Aber sie versteigt sich darauf, auf einen Zustand hinzuwirken, in welchem Menschen ihre Produktion und Reproduktion in eigenem Interesse vollbringen. Ihre erste Frage ist nicht, ob das auch möglich ist. Sie geht aus von der Feststellung, dass es nötig sein wird. Krisentheorie vertritt die Überzeugung, dass es notwendig ist, den Kapitalismus zu überwinden, weil er perspektivisch nur Elend bringen kann, weil er keine weiteren Entwicklungschancen mehr in sich birgt und sukzessive absteigt. Krisentheorie ist daher nicht als Verelendungstheorie abzuqualifizieren, sondern sie ist die radikalisierte, ernst genommene Verelendungstheorie. Krise ist dabei als Prozess zu verstehen. Krise kommt nicht. Krise ist. Wir sind mitten drin. Dass bedeutet, es wird keinen neuen Akkumulationsschub geben. Nie wieder Aufschwung. Dabei läuft der Zusammenbruch von Arbeit und Verwertung nicht zwangsläufig auf die Apokalypse hinaus. Wenn die bahamas-Apologeten aus Berlin uns beim Thema Krise gleich apokalyptische Visionen unterschieben, so sagt das mehr über sie als über uns: sie können sich vielleicht jenseits von Arbeit und Verwertung nur Weltuntergang vorstellen?

Martin Dornis

PS: Ich verwende die Begriffe „Kapitalismus“, „Marktwirtschaft“, „Industriegesellschaft“, „warenproduzierendes System“, „warenproduzierendes Patriarchat“, „Herrschaft des männlichen Prinzips (der Wertverwertung)“ „kapitalistischer Charakter des Mensch-Natur-Verhältnisses“, „Zivilisation“, „Moderne“ oder „Wertvergesellschaftung“ synonym. Sie haben alle ihre Berechtigung und drücken jeweils bestimmte Seiten des Gesamtprozesses aus.

Literatur
Rosa Luxemburg: Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus; Berlin 1913
Henryk Grossmann: Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems. Zugleich eine Krisentheorie, Leipzig 1929
Derselbe: Aufsätze zur Krisentheorie
Karl Marx: Grundrisse zur Kritik der politischen Ökonomie
Ernst Lohoff: Zusammenbruch einer Zusammenbruchstheorie. Henryk Grossmann und die Reproduktionsschemata, in Marxistische Kritik 6

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last modified: 28.3.2007