home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[105][<<][>>]

„Die Musik steht über allem“


Interview mit Jan und Dennis von den Beginnern

Beginner, 4.7k

Warum habt ihr euren Namen – AbsoluteBeginner – in Beginner umgeändert?

Dennis: Da wir ohne unser fünftes Bandmitglied MARDIN nicht mehr komplett, d.h. absolut sind. Er ist vor fünf Jahren aus der Band ausgestiegen. Zur gleichen Zeit haben wir damals einen neuen Deal mit einem Major gemacht, der damals Angst hatte, dass unsere Fans nicht kapiert hätten, dass es sich um die absoluten Beginner unter einem neuen Namen handelt. Aber wir hatten in dem Deal die Option, beim nächsten Longplayer das „Absolute“ herauszustreichen – das haben wir nun getan.

In euren Interviews werdet ihr meistens zu eurer aktuellste Platte gefragt. Was bingen euch Interviews, die meist ausschließlich über das neue Werk berichten, wenn doch die Platte eigentlich für sich selbst stehen sollte?

Jan: Uns persönlich bringt das nichts und den Lesern geht es wahrscheinlich ähnlich. Immer wieder die gleichen Fragen. Wir könnten möglicherweise nach dem Erscheinen unseres Albums die Antworten auf Band sprechen und dann einfach immer auf ‚play’ drücken. Es gibt ein paar wenige Interviews, die cool und interessant sind, bei denen man dann auch länger verweilt, als verabredet war.

Dennis: Die besten Interviews, die wir zuletzt gemacht haben, waren das mit der TAZ und das mit Hannes von Anarchist Academy für die Intro. In dem TAZ-Interview ging es um Politik im Allgemeinen und nicht nur um unser Album.

Jan: In interessanten Interviews erzählen die Journalisten Sachen, die man selbst nicht wusste.

Wie steht ihr zu eurem Ruf als anspruchsvollere deutsche Hip-Hop-Band, weil ihr euch ja wirklich nie bei dem üblichen Battle-Quatsch beteiligt habt, an den die meisten deutschen Hip-Hop-Bands teilhaben, und immer irgendwie versucht, im Ansatz politische Postionen zu vermitteln?

Dennis: Wir sehen uns nicht als einzige deutsche Hip-Hop-Band, die politische Aussagen macht. Viele andere Bands werden diesbezüglich unterschätzt oder nicht wahrgenommen. Aber es stimmt schon, dass wir uns Gedanken machen, über das, was wir vermitteln wollen. Wenn jedoch so viele politische Aussagen wie damals von ADVANCED CHEMISTRY im heutigen deutschen Hip-Hop kämen, hätte Jan so einen Song wie „Chili-Chil Bäng Bäng“ vielleicht gar nicht gemacht. Wir machen das, was uns im aktuellen Hip-Hop fehlt, was uns beschäftigt, nehmen uns aber nicht vor, politisch zu sein. So gibt es von uns halt einerseits politische Lieder wie „St. Anger“, aber andererseits unpolitische positive Lieder wie „Gustav Gans“.

Welche Bedeutung hat daran die musikalische Sozialisation im kulturpolitischen Hamburg?

Jan: Wenn man in Buxtehude zur Schule geht, dann hast du ein anderes Input, einen anderen Freundeskreis, andere Möglichkeiten und keine Antifa. Als Hamburger hatten wir viel musikalischen und politischen Input. Ich als Hamburger finde zwar, dass Hamburg in Deutschland die coolste Stadt ist, denke aber zugleich, dass es in anderen deutschen Großstädten ähnliche Möglichkeiten wie in Hamburg gibt. Aber musikmäßig ging in den letzten Jahrzehnten das meiste in Hamburg, auch was linke Musik anbelangt.

Da ihr Wert auf eure Texte legt, muss gestattet sein zu fragen, warum ihr in dem Song „Scheinwerfer“, in dem es um Deutschland bei Nacht geht, die Nazis als welche darstellt, die sich auf ihren Treffen „kollektiv den Schwanz in den Mund (schieben)“. Gilt das unter homophoben Hip-Hoppern als ein überzeugendes Argument gegen Nazis?

Jan: Man sollte sich nicht über eine Sache beschweren, die in einen bestimmten Style verpackt wird und einem dient. An der blöden Hinterfragerei geht die Linke kaputt – alles wird tot diskutiert. Wenn ich mit diesem Text zwanzig Kampf-Türken überzeugen kann, Nazis zu bekämpfen, kann das nur gut sein. Wie man letzlich zu einer Einstellung gelangt, ist völlig egal.

Aber von Homophobie heilt man mit einer solchen Textpassage niemanden.

Dennis: Man kann nicht alles so ernst nehmen. Gag und Witz sind auch Ausdrucksformen. Manchmal kann man über Sachen lachen, weil sie ein wenig unkorrekt sind. Wir sind ehrlich und benutzen unsere Sprache und unseren Humor. Abgesehen davon haben die Nazis doch wirklich in ihrem Style – was die unpolitischen Dinge anbelangt – extrem viele Parallelen zur Schwulenszene, obwohl sie die größten Schwulenfeinde sind: Sie erscheinen wie testosterongeladene schwule Glatzen, die sich nach ihren männerbündigen Aufmärschen gegenseitig durchficken.

Jan: Cool wäre doch, wenn irgendwann einer von diesen Nazis, nachdem er unser Lied im Radio gehört hat, vor dem Spiegel steht und denkt: „Stimmt, eigentlich ist das total gay, was wir hier machen.“ Leider wird das natürlich nicht geschehen, schließlich können Nazis gar nicht reflektieren.

Ihr gehört normalerweise schon zu jenen Bands, die sich gegen Nationalismus positionieren. Nun seid ihr aber demnächst neben Mia u.a. auf einem „Universal-Record“-Sampler namens „German Liedgut – Heimatkult. Vol 1“ vertreten. Für was soll das nun gut sein? Ein neues Marktsegment?

Dennis: Der Titel ist schon ziemlich komisch? Wir hören das erste mal von diesem Sampler? Bei uns läuft das so, dass wir aufgrund der zurückgehenden Verkaufszahlen schauen müssen, wie wir mehr verkaufen. Deswegen haben wir Buback erlaubt, uns auf allen Samplern zu veröffentlichen, die nicht grundsätzlich fragwürdig sind (Jan: Z.B. Bild- und McDonalds-Sampler). Uns bringt das Geld, das ist cool – das machen wir. Das geht natürlich auf Kosten einer kontrollierten Veröffentlichungspolitik. Wir finden den Titel, jetzt wo wir in hören, unschön – genau so, wie wir den Begriff Deutsch-Rap uncool finden. Aber trotzdem finden wir es nicht schlecht, ein wenig Lokalpatriotismus dort zu haben, wo man an coole Leute in Deutschland anknüpfen kann, die gute Musik machen. Die Leute in Deutschland, die gute Musik machen, haben es relativ schwer sich durchzusetzen gegen den Ami-Einfluss. Wir müssen mit einem Budget von 20.000 Euro für eine Video gegen ein Budget von 500.000 Euro konkurrieren, was einer Videoproduktion in Amiland zu Verfügung steht. Wenn man aber mit seinem Video nicht auf MTV und Viva landet, kann man sich auch nicht auf dem Musikmarkt etablieren. Deswegen ist es gar nicht so schlecht, wenn durch einen solchen Sampler auf deutsche Künstler hingewiesen wird.

Jan: Man muss dabei natürlich das schlimme Stigmata von Tim Renner (Chef von „Universal Deutschland“, A.d.R.) im Auge behalten, der irgendwann in seinem Konzern dafür plädiert hat, auf deutsche Texte und deutsche Songwriter zu setzen. Und dann werden halt solche Sampler gemacht, damit das Ganze besser läuft.

Uns wäre es trotzdem lieber, wenn die Bands, die bisher nicht für Deutschland einstanden, bei ihrer antinationalen Einstellung blieben – zumal ja auch die Käufer des Samplers durch einen positiven Bezug auf deutsches Liedgut geprägt werden.

Dennis: Einerseits wird sich doch kein Nazi diesen Sampler kaufen – wenn doch, wird er ihn gleich wieder weghauen –, andererseits identifiziert man sich doch trotz aller Kritik an seinem Land mit bestimmten Dinge, bzw. ist stolz auf sie. So kann man doch stolz darauf sein, dass es eine solche Band wie Blumfeld gibt.

Jan: Wir leben nun mal in Deutschland und sprechen die deutsche Sprache. Es ist doch klar, dass ein Sampler, auf dem deutsche Künstler vertreten sind, dementsprechend betitelt wird. Das gab es immer, dass sich Leute auf ihre Umgebung und Region bezogen haben. Auf Leute wie Goethe und Büchner kann man doch stolz sein.

Aber der Begriff „Deutsch“ steht unseres Erachtens für die deutsche Geschichte, aus der dass größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte nicht weggedacht werden kann, sondern vielmehr als deren Zentrum begriffen werden muss. In der jüngsten deutschen Geschichte haben uns die Angriffe von Neonazis auf Asylbewerberheime, autonome Jugendzentren u.a. beschäftigt. Mit dem Begriff „Deutsch“ können wir nichts Positives anfangen. Goethe ist zudem nicht mit dem Begriff „deutsch“ zu erfassen..

Jan: Es geht nicht, einfach nur zu meckern. Ihr müsst einen Vorschlag machen, wie dieser Sampler heißen soll?

Wie wär es mit „Popkultur“?

Jan: Es geht doch aber um dieses Land und um diese Sprache. Wenn du z.B. eine Platte mit Liebesliedern machst und dann sagt jemand, das der Begriff ‚Liebe’ von der Vergangenheit belastet ist, kann man doch die Platte deswegen nicht sonst wie nennen.

Liebe finden wir aber ziemlich gut im Gegensatz zu Deutschland.

Dennis: Ihr könnt den Leuten nicht absprechen, den Begriff „Deutsch“ wertfreier zu sehen als ihr es tut. Es gibt einfach Leute, die mit dem Begriff „Deutsch“ vielleicht freier beziehungsweise natürlicher umgehen – als Definition der Sprache, eines Ortes oder einer Identifikation, die überhaupt nichts mit den anderen neunzig Prozent der Deutschen zu tun hat, gegen die wir uns wehren. Man sollte aufhören, über Wörter zu streiten. Letztendlich geht es um die Sache, die dahinter ist und was gemacht wird. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern zumeist Grauzonen – alles ist ein Drahtseilakt. Man muss anfangen zu reflektieren, um alles miteinander abwägen zu können, um eventuell auch mal was politisch unkorrektes zu sagen, was dann in dem Kontext, in dem es steht, nicht soviel Gewicht hat.

Jan: Es geht doch um die Ideale, die dahinterstehen und nicht darum, wie die Ideale buchstabiert werden.

Nun haben Begriffe aber eine Geschichte...

Dennis: Das muss man halt schlucken...
Jan: Wahrscheinlich seit ihr mit dem Begriff „Mongoclique“ auch nicht klar gekommen.

Das war uns ziemlich egal.

Jan: Euer Typus im Westen ist aber nicht mit dem Begriff „Mongoclique“ klar gekommen.

Kommen wir zu einer anderen Frage. Auf eurer Platte formuliert ihr einerseits an vielen Stellen eine Kritik an der amerikanischen Regierung, andererseits, dass „die in den Staaten“ eurer Vorbilder waren. Wie denkt ihr, geht das zusammen?

Dennis: Das geht nur sehr schwer zusammen. Wenn auf einmal die eigenen Helden – wie z.B. Madonna für Jan – nicht mehr ernst zu nehmen sind. Es ist schon eine Enttäuschung, wenn MISSY ELLIOTT zwei Monate nach den Anschlägen auf die USA auf einmal ein Video herausbringt, wo eine große USA-Flagge im Hintergrund ist, wenn DESTINYS CHILD beim Amtsantritt von G.W. Bush im weißen Haus spielen oder wenn niemand – außer irgendwelche Underground-Hip Hopper – irgendwas gegen die Regierung gesagt haben. Da hätte man doch erwartet, dass sie das Thema feinfühliger behandeln. Ich würde aber deswegen nicht anfangen, solche Leute nicht mehr zu hören. Ich respektiere sie als Musiker und dafür, wie sie aufgewachsen sind. Das sind schließlich zumeist Leute, die ganz andere Probleme hatten, als wir; die sich durchboxen mussten. Solche Leute haben trotzdem mehr Würde als wir jemals bekommen können, obwohl sie – um vielleicht erfolgreich zu sein – Hand in Hand mit der Regierung gehen.

Jan: Womit wir wieder beim Thema wären, dass wir uns nicht von irgendwelchen Wörtern abhalten lassen, etwas anzuhören und gut zu finden. Es würde einem zu viel verschlossen bleiben, wenn man sich danach richtet, was die Leute wirklich sagen.

Unser Problem war jetzt aber gar nicht, dass ihr amerikanische Musik hört, sondern eher die Kritik an der amerikanischen Regierung, die ihr in vielen Passagen äußert. Keine Kritik hingegen äußert ihr an islamistischen Despotien, oder an Ländern wie Cuba oder anderen Reimen, in denen es Musikern unmöglich ist, eine ablehnende Meinung zu artikulieren. Beispielsweise ist es Jugendlichen im Iran nur unter Gefahr möglich, westliche Musik zu hören, und Punks in Cuba können es vergessen, legal Punkkonzerte zu veranstalten. Währenddessen ihr eine Kritik an einer Regierung artikuliert, die ein Land weitgehend demokratisch verwaltet, das ein Schmelztiegel und somit auch ein Nährboden für Hip Hop war und ist, kümmert euch die viel größere Scheiße in anderen Regionen der Welt nicht.

Dennis: Die anderen Länder haben auch nicht die Macht. Die Macht hat Amerika. Deswegen ist Amerika der größte Feind. Wir zeigen eher mit dem Zeigefinger auf jene, die Verfügungs- und Entscheidungsgewalt über andere und eine falsche Moral haben. Andere Länder spielen im ganzen globalen System einfach keine Rolle, weil sie niemanden unter Druck setzen können und eher selber unter Druck gesetzt werden. Vielleicht herrschen in diesen Ländern gerade Missstände, weil sie unter Druck gesetzt werden. Es gibt ja auch viele Länder, in denen die USA Despotien unterstützt und das ganze Land in Grund und Boden zerstört haben. Aber es wäre auch wichtig, das Unrecht in anderen Ländern anzuprangern. Vielleicht sind wir da aber auch nicht politisch genug.

Es ist ja in Deutschland gerade ziemlich ‚in’, Amerika zu kritisieren. Dabei wird im Falle des Iraks z.B. der Blick dafür verloren, dass es unter der Herrschaft Saddam Husseins Hunderttausende verschwunden sind beziehungsweise umgebracht wurden – da kann man doch nicht behaupten, nur Amerika hätte die Macht über andere.

Jan: Klar. Aber die Amis hätte es einen Scheißdreck interessiert, wenn es im Irak kein Öl zu holen gegeben hätte. Man kann wahrscheinlich 17 andere Länder aufzählen, in denen genau das gleiche passiert, wo sich Bush aber nicht mal mit der Arschbacke hinbewegt. Was wir machen, verdanken wir letztlich einer Sache, die aus Amerika kommt. Ich liebe Hip Hop und Hip Hop ist aus Amiland. Das ist mein Bezugspunkt. Deswegen baut man dazu eine ganz andere Verbindung auf als zu Cuba, Chile oder den Irak. Seit ich klein aufgewachsen bin, schau ich amerikanische Filme, weil das die besten sind. Deutschland kritisieren wir auch, weil wir viel damit zu tun haben. Amerika kommt an zweiter Stelle.

Dennis: Es würde wahrscheinlich auch niemanden interessieren, wenn wir irgendwas über Angola oder sonst was singen würden. Man versucht auf jeden Fall etwas zu finden, was die Leute auch annehmen können.

Jan: Die ganze Zeit dürft ihr eine Sache nicht vergessen. Das haben wir irgendwann erkannt. Die Musik steht über allem. Egal, wo Menschen umgebracht oder gefoltert werden. Die Musik steht darüber. Deshalb darf man uns auch nicht auf irgendetwas festnageln.

Dennis: Es muss sich gut anhören, es muss entertainen, es muss rollen, es muss zum Beat passen. Die Musik entscheidet letztlich, was für Gedanken wir auf die Platte packen und welche wir zu Hause lassen.

Was bedeutet es für euch, diese Musik in Läden wie dem Conne Island zu spielen – Läden, die etwas kleiner sind und eine linke Geschichte haben?

Jan: Normalerweise ist das Essen in solchen Läden nicht so gut wie hier – das nervt. Auch die Hygiene ist in linken Läden immer beschissen – auch im Conne Island. Und wenn man sich beschwert, steht man gleich als Spießer da. Leute, die sich früher in der Hafenstraße über Dreck und Ungemütlichkeit beschwert haben, wurden schnell wie Aussätzige behandelt – jetzt hat sich zum Glück einiges in der Hafenstraße getan.

Dennis: Unser Tour- und Produktionsmanager Lars hat sich gefragt, ob es faschistoid sei, saubere Toiletten zu haben. Schließlich trifft man in linken Läden immer auf dreckige Toiletten. Auch hier. Es ist schade, nach fünf Jahren hier her zu kommen und zu sehen, dass sich nichts geändert hat – hier fehlt eine Schraube, dort sind die Klos im Arsch usw. Dass hat nicht nur etwas mit Geld zu tun, sondern auch mit der Liebe zu den eigenen Details. In linken Projekten wird leider kein Wert gelegt auf Wohnlichkeit bzw. Gemütlichkeit.
Jan: Wahrscheinlich werden wir hierher nicht noch mal kommen. Weil hier kein Strom funktioniert, alles durchgeraucht ist, jede Schraube fehlt und allgemein alles im Arsch ist. Wir müssen hier deswegen unsere Produktion, unsere Bühnenbild fast komplett weglassen. Das macht dann einfach keinen Spaß mehr, hier zu spielen, wenn man sich derbe Gedanken für eine derbe Show gemacht hat und letztlich alles an den Bedingungen vor Ort scheitert. Allerdings ist die Atmosphäre allgemein in kleineren Läden sehr geil, ob das nun linke Zentren oder irgendwelche Bürgervereine sind. Man kann jedem ins Gesicht gucken und beim mitrappen zusehen – alle sind derbe bei dir. Es hat natürlich auch was, wenn bei großen Konzerten 10.000 Leute mitsingen.

Das Conne Island merkt ständig, wie sich Kulturindustrie herstellt und anfühlt. Einerseits muss zu den Agenturen ein gutes Verhältnis gewahrt werden und der Laden nach betriebswirtschaftlichen Kalkül und nicht nur nach sozialen, kulturellen und politischen Maßstäben betrieben werden, andererseits ist man als Projekt, das Subkultur fördert, automatisch eine Art Innovationsbeauftragter der Kuturindustrie. Letztlich sind und waren so gut wie alle Sparten, die klein und gemein im Conne Island gepusht wurden, mit ein paar Exponenten in den Charts und im Musikfernsehen vertreten. Recht angenehm an euch aufgefallen ist, dass ihr offen zugebt, Geld verdienen zu müssen und nicht die Mär von der Unkommerzialität auftischt. Wie reflektiert ihr sonst eure Einbindung in die Kulturindustrie?

Jan: Erstmal muss eine andere Mär zurückgewiesen werden: Wir sind keine reichen Popstars, sondern verdienen in etwa so gut wie Lehrer. Schon bei Bambule ist uns klar geworden, dass man Teil der Kulturindustrie ist. Dennis und ich sind damals beim Dreh für das „Liebeslied“ früh um sechs aus aus den Federn geschmissen worden und in so einem riesigen Studio gelandet, in dem plötzlich Hunderte Menschen rumgerannt sind, die alle für uns gearbeitet haben. Auch die ganzen Leute, die unsere Tour betreuen, arbeiten für uns und sind von uns abhängig. Wenn ich oder Dennis tot umfallen, können die einpacken. Da steckt man schon in einer gewaltigen Maschine.

Dennis: Wichtig ist es, dabei die Kontrolle zu behalten, um selber entscheiden zu können. Mad, der unsere Regie macht, unser Tourmanager, unser Label-Boss und andere, die in unserem Umfeld Stellungen innehaben, sind alles gute Freunde, die wir schon lange kennen. Zwar wird alles professioneller und mehr Business und es ist uns auch wichtig, so viel Geld wie möglich zu verdienen – schon um sich und die Familie zu versorgen –, aber dennoch glauben wir, die Kontrolle behalten zu haben. So haben wir uns vor anderthalb Jahren ernsthaft gefragt, ob wir noch Lust haben und ein neues Album wirklich wollen. Ob wir also nur Geld machen wollen, oder auch wirklich ein geiles Album. Erst nach dem wir uns für das Album entschieden haben, kamen die anderen Aspekte wie Budgetplanung etc. ins Spiel.

Was und wen meint ihr eigentlich mit „ferngesteuerten Jubelmenschen“, über die ihr singt?

Jan: Damit meinen wir die ersten zehn Reihen beim „Liebeslied“ auf unserer Tour, die da waren, weil sie die Charts gehört haben und nicht weil sie wussten, was Hip Hop ist. Leute die gestern zu Scooter und heute zu den „Absolutly Beginner“ gehen – oder wie die heißen; die mit dem „Liebeslied“. Das ist jetzt aber nicht mehr so. Jetzt haben wir ein geiles Publikum. Es ist ein super Erfolg seit dem letzten Sommer, dass wir die Kreischer durch unsere Konsequenz in Interviews und unseren Texten abhalten, zu unseren Konzerten zu kommen. Selbst wenn wir jetzt wieder einen großen Hit hätten, würden diese Leute (hoffentlich) nicht mehr kommen. In erster Linie sind wir Rapper und sagen dementsprechend, auf was wir Bock haben und auf was nicht.

Dennis: Jubelmenschen sind diese Leute, die sich sonst für „The Doom“, Bravo und Handy-Klingeltöne interessieren, die völlig verstrahlt sind, sich von irgendwelchen Institutionen anleiten lassen, überhaupt keine eigene Persönlichkeit haben und unsere Musik überhaupt nicht verstehen. Es hat uns auch ziemlich traumatisiert, als die ersten Kuscheltiere geflogen sind.

Wir bedanken uns für das Interview.

Das Interview führten Hannes und Jeremy.




home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[105][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007