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Quo vadis, Conne Island (Part VI)?


Bereits das 6. Mal weilte die BetreiberInnencrew des Conne Island nun schon zum jährlichen Arbeitswochenende, das die Entwicklung des Ladens Revue passieren lassen und Schwerpunkte für die nächste Saison setzen soll. Im letzten Bericht hieß es angesichts der politischen und kulturellen Perspektivlosigkeit hoffnungsvoll, dass sich „im nächsten Jahr an dieser Stelle wieder von Bewegung berichten“ lassen würde. Nun ja, das Rad ist in diesem Jahr nicht neu erfunden worden, dennoch läßt sich mit gutem Gewissen berichten, dass der Laden im Fluß bleibt.
Vorerst bestimmten die praktischen Belange der Ladenunterhaltung die Diskussionen. Wie jedes Jahr standen das Gastronomiekonzept, die Rechenschaft der einzelnen Arbeitsbereiche, die anstehenden Vertragsverhandlungen mit der Stadt wie auch die Einschätzung der einzelnen Kultursparten zur Debatte. Einhelliges Credo dieser Bestandsaufnahme war der Eindruck einer zunehmenden Professionalisierung einzelner Arbeitsbereiche. Der Hintergrund ist einfach wie problematisch zugleich. Der wachsende ökonomische Druck, einen eigentlich einer Nullsummenpolitik verpflichteten Kulturbetrieb wie das Conne Island rentabel zu gestalten, läßt den Laden professioneller arbeiten, etwa in der Abwicklung von Konzerten, kulturellen und sportlichen Events. Ebenso ist es notwendig, das Prinzip der Ehrenamtlichkeit in gewohntem Umfang aufrecht erhalten zu können, trotz der gestiegenen individuellen ökonomischen Zwänge. Auch wenn dieses Konzept aufgeht – der Laden steht ob der städtischen Förderung derzeit finanziell auf relativ gesicherten Füßen –, verbirgt sich dahinter natürlich die in Kretzschau geäußerte Befürchtung, so über kurz oder lang den einst stärker bindenden Low-Level-Anspruch über Bord zu werfen. Verkommt das Conne Island zu einem zwar angesagten, aber der politischen Beliebigkeit verfallenen Indie-Schuppen?
Nein. Die Diskussionen am Laden um Antisemitismus, Antiamerikanismus und den 11. September und die sie begleitenden Verlautbarungen belegen ein wachgebliebenes, im letzten Jahr wieder gestiegenes politisches Bewußtsein auch in Zeiten ökonomischen Drucks und allgemeiner kulturpolitischer Einöde. Besonders die hohe Wellen schlagende Stellungnahme des Ladens zu antiamerikanischen Umtrieben von Bands und Publikum wurde in Kretzschau allgemein als Erfolg gewertet, ja man stellte sogar die Frage, ob diese Positionierung als Kampagne in anderen Kontexten nicht weitergeführt werden sollte. Auch wenn der unmittelbare Widerhall bei Publikum und Szene letztendlich als gering einzuschätzen ist (und damit auch der Erfolg ein relativer ist), empfinden wir es als richtig und bestehen darauf, dass die Frage des Antiamerikanismus in ähnlicher Weise wie etwa Antifaschismus oder Antirassismus zur Wasserscheide wird, dass somit Standards gesetzt werden, an denen man, will man sich im Eiskeller in welcher Form auch immer einbringen, nicht vorbei kommen wird.
Hinter dieser, bisweilen als Zensurpolitik mit SED-Kadermentalität denunzierten Ladenposition wurde zugleich eines der Grundprinzipien des Eiskellers – sich als Schnittstelle zwischen Kultur und Politik zu begreifen – wieder prägnant sichtbar. Mittels anlassbezogener Interventionen im Popdiskurs lassen sich so politische Themen attraktiv aufbereiten – und, der Laden bleibt auf der Höhe der Zeit, ein Gefühl, dass sich lange Jahre nicht mehr so recht einstellen wollte. Dem damit bisweilen verbundenen Problem mangelnder Transparenz soll zukünftig mit Veranstaltungen entgegengewirkt werden, die die außerhalb häufig nur als Konfrontation verstandenen Verlautbarungen besser vermitteln können.
In eine ähnliche Richtung und darüber hinaus zielte auch die Veranstaltungsreihe „Kritische Popkultur?“, die begleitend zur als unzureichend diskutiert verstandenen „pop-up“-Messe Themen wie Popkultur nach dem 11. September, Geschlechterrollen und Pop und das Verhältnis von „Kulturindustrie“ und Popkultur aufbereitete und die in Kretzschau als Gewinn für ein Update des Ladenverständnisses eingeschätzt wurden. Über den Tellerrand hinaus blicken solche Veranstaltungen, die auch in Zukunft unabhängig von der einmal im Jahr stattfindenden Messe intensiviert werden sollen, weil jenseits der Frage des Antiamerikanismus auch andere Fragen zu Popkultur und Politik diskutiert werden sollten, die irgendwann vielleicht wieder einmal in ein neuartiges Identifikationsmodell münden können. Auf der Tagesordnung stand ebenfalls der Punkt „CEE IEH Newsflyer“, der wohl zu den in letzter Zeit von außen am meisten angefeindetsten und mißverstandensten Ladenbereichen zählt. Nachdem der rüde Umgangston im Heft und die „Krise“ des Kulturteils – kulturpolitisch ist einfach gerade nicht viel zu holen –, in der Redaktion von dieser dann selbst bemängelt wurde, ist in Kretzschau ein neues Redaktionskonzept verabschiedet worden, das zukünftig einerseits mehr Wert auf Vermittlung, andererseits die Wahrung der Ladeninteressen garantieren soll. Festzuhalten bleibt für all die Skeptiker: Das CEE IEH ist und bleibt in erster Linie ein Ladenorgan, das neben seinen Hauptfunktionen der Werbung für Veranstaltungen und der Vermittlung von Ladenpositionen vor allem Plattform sein will für die Diskussion der am Conne Island ansässigen und mit ihm verbundenen fühlenden politischen Gruppen.
Ist vor einem Jahr an gleicher Stelle die Rücknahme des politischen Anspruches angesichts des „Endes von Antifa“ konstatiert worden, so wurde beim diesjährigen Arbeitswochenende deutlich, dass, orientiert an gesellschaftlich aktuellen Themen, per deutlicher Intervention (z.B. Erklärung zu Antiamerikanismus und Popkultur) ein neues und zugleich im Wesen das alte Integrationsmodel aufscheint. So behält das aktuelle Selbstverständnis, das Conne Island sei „ein Ort von und für Linke, Pop- und Subkultur“, unter klaren Grundprämissen weiterhin seine Gültigkeit.

Philipp/Christian


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last modified: 28.3.2007