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Gute Schwiegersöhne von nebenan.

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Main Concept & Absolute Beginner.

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beginner, 12.6k Zum was weiß ich wievielten Mal sind die Absoluten Beginner (A-Bies) nun im Haus. Und sie werden zum ersten Mal in einem knackevollen C.I. spielen, wo das Publikum zu mindestens 60 Prozent aus Leuten besteht, die die A-Bies noch nie gesehen und das erste Mal mit ihrer Scheibe „Bambule“ gehört haben. Die Dummen unter uns werden sagen, „die Band hat es geschafft“. Doch was, außer die Kohle, soll damit schon gemeint sein?
Läßt man einmal Revue passieren, wie die Bandgeschichte der A-Bies bisher verlief, stolpert man natürlich über den Track „K.E.I.N.E.“ – einer Slime-Coverversion, bei der es darum ging, daß man „keine Bullenschweine“ wollte. Mit dem richtigen Alter von 15/16 Jahren wurden sie also einschlägig sozialisiert. Die ehemaligen linksradikalen Punks aus Hamburg, die mit dem Ende von Punk zu linksradikalen Poppern wurden, – hinsichtlich der A-Bies der Ex-Goldene Zitronen-Typ Ale Sexfeind – nahmen sich im Rahmen eines laufenden linken Popdiskurses über Hip Hop und die Welt der damals von der puristischen Zulunation und deren Old School-Gesetzen beherrschten jungen deutschen Hip Hop-Szene an. Ale Sexfeind brachte auf seinem Label Buback Tonträger gezielt den Hip Hop Sampler „Kill the Nation with a Groove“ gegen den Kulturidioten Michael Reinboth und dessen Hip Hop Sampler „Krauts with Attitudes“ in Stellung.(1) Unter dem Eindruck der Wohlfahrtsausschüsse, einem anfang der Neunziger ins Leben gerufenem Zusammenschluß von Poplinken, Künstlern, Musikern, Journalisten, Politaktivisten und anderen Einzelpersonen, denen es um eine Reaktion auf die rassistischen Pogrome ‘91/‘92 ging, fanden die A-Bies leicht ihre Heimat bei den Hamburger Linken. Als mitte der Neunziger außer informeller Kontakte von den Wohlfahrtsausschüssen nicht sehr viel blieb und der Politsierungsgrad überall stark rückläufig war, besannen sich die A-Bies wieder viel stärker auf die eigene Szene. Zu dieser Zeit waren schon einige der wichtigsten Hip Hop-Szenegesetze der Old School großteils nicht mehr bindend. So gab es zum Beispiel die Dortmunder Too Strong, die als Persiflage auf die Zulu Nation ihre Silo Nation ins Leben riefen.
Mit dem Fun über alles, nicht zuletzt kultiviert von den Hamburger Gruppen Tobi und das Bo (heute 5 Sterne deluxe) und Fettes Brot, zog der deutsche Hip Hop endgültig in Funk und Fernsehen ein. VIVA tat dafür ein übriges. Die A-Bies waren jedoch zu ernsthaft, als sich da Hals über Kopf in dieses Fungetümmel zu stürzen. Infiziert von der damals grassierenden Dub-Epidemie in Hamburg legte ihr ‘96er Album „Flashnizm (Stylopath)“ eine beredtes Zeugnis ihrer viel abgehangeneren Hip Hop-Definition ab. Der Singleauskopplung des Albums, „Natural Born Chillaz“, war es trotz ambitionierter Hitverdächtigkeit auf Grund einiger richtiger Worte gegen fucking Deutschland nicht vergönnt, entsprechend Rotation und Airplay zu erfahren. Für solche Fälle ist da jederzeit abrufbar die sogenannte Schere der Zensur in den Köpfen der Medienverantwortlichen zuständig. Und so stellte sich, trotz großartiger Atteste, beispielsweise der SPEX, die vom „besten Hip Hop-Album mit deutschen Texten ever“ schwadronierte, der Popularitätsschub nicht ein. Mittlerweile haben die A-Bies den Major im Rücken (Universal) und genügend kapitalistisches Bewußtsein im Kopf. Man kann sich leider des Eindrucks nicht erwehren, daß sie jeden Blödsinn, der ihnen vom Management aufgedrückt wird, mitmachen. Das ist schade und kann nicht zuletzt über kurz oder lang zum Verlust des Rückgrates führen. Dennis von den A-Bies meinte letztens im SPEX-Interview, daß es heutzutage bei allen Dreien „aber auf jeden Fall nicht um Politik“ ginge. Das schien dann Jan Eisfeldt, neben DJ Mad der Dritte im Bunde, schon eine Korrektur wert: „Natürlich ist da irgendwo noch ein politischer Aspekt, doch wir wollen damit nicht auf die Nerven gehen“.
Ich frage mich immer wieder entsetzt, woher die Leute nur die Vermutung nehmen, sie würden mit politischer Transparenz alle Leute abnerven. Alle Welt redet heutzutage über alles, nur nicht über Politik. Sich da einzureihen, bedeutet letztendlich, daß man kaum mainstreamiger sein main concept, 4.6k kann. Vielleicht hat’s den A-Bies auch bisher niemand gesagt: Die Verlogenheit des Musikbusiness besteht auch darin, daß sie nur an der Vermarktung von unpolitischen Acts Interesse haben. Wenn diese Künstler sich dann aber „engagiert“ zeigen, mal für Greenpeace-Scheiße oder Aids-Hilfe-Hippie-Scheiß auftreten oder ein Statement ablassen, streichelt man ihnen die Köpfe und freut sich über ihr Image als gute Schwiegersöhne von nebenan.

Mit am Start sind außerdem die Münchener Main Concept, die sich seit 1990 in der Hip Hop-Welt tummeln. Ihr Konzept der „perfekten Beats, höchsten Reimkunst und feinster Scratches“ erfreut sich jahrein-jahraus höchster Beliebtheit in der Szene. Sie bestehen darauf, daß sich ihre bezüglich der A-Bies enger gefaßte Hip Hop-Definition „immer wieder selbst erneuert und findet“.
Auch Main Concept haben nach einer Phase der Politisierung und einschlägiger Transparenz in den Texten, siehe ihre 93er 12" „So hat das Volk den Verstand verloren/Auf der Jagd“, sich ihrer Szeneeinbettung rückversichert, ohne den Old School-Puristen auf den Leim zu gehen. So betonen sie auch immer wieder, daß sie ihre Definition von Hip Hop „jederzeit verteidigen“ können.
Ralf

Anmerkungen:
(1)Der Sampler „Krauts with Attitudes“ gilt als der erste deutsche Hip Hop-Sampler. Er wurde von Michael Reinboth herausgebracht. In linken Kreisen wurde dieser Sampler aber boykottiert und es entspann sich dort eine lange Debatte über Hip Hop und Differenz. Dabei ging es um die deutsche Frechheit, den selbstaffirmierenden Begriff vom „Nigga“, der unter afroamericans Anwendung findet und eine Jahrhunderte alte Geschichte der Versklavung und Unterdrückung von Schwarzen reflektiert, einfach adäquat ins Deutsche zu übernehmen und den Begriff „Krauts“ so zu verwenden, als stünde er gleichbedeutend bei den Deutschen für Unterdrückung u.ä. (Bekanntlich stammt ja der Begriff „Krauts“ von den englischen Soldaten des 2. Weltkrieges, die ihn für das deutsche Tätervolk verwendeten.)



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last modified: 28.3.2007