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Ein zweites München?

Von 20.Januar bis zum 1. März 1998 gastiert in Dresden die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“. Im Rahmen ihrer „Pro-Wehrmachtskampagne“ kündigte die rechtsextreme NPD an, im Januar eine Großdemonstration in Dresden zu veranstalten. Werden auch in Dresden 5000 Nazis marschieren?

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aufmarsch vor der frauenkirche, 11.7k
Fiktion oder Realität?

Die neue Rolle der NPD/JN in Sachsen und Dresden

Spätestens seit dem Achtungserfolg vom 1.März in München hat sich die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) auch in Sachsen zur stärksten und aktivsten rechten Organisation entwickelt. Als Sammelbecken für Neonazis jeglicher Coleur ist der NPD-Landesverband durch 17 Kreisverbände vertreten und beziffert seine aktuelle Mitgliederzahl mit 800; allein 1997 gab es ca. 500 Beitritte. Diese hohe Zahl erklärt sich aus der Rekrutierung vor allem junger und bisher unorganisierter militanter Faschos, die nach den Verboten offen faschistischer Organisationen der vergangenen Jahre u.a. der JN zur Entwicklung des stärksten Landesverbandes und einer „Kaderschmiede national gesinnter deutscher Jugendlicher“ verhelfen sollen. Potential und Charakter dieser überwiegend im vergangenem Jahr geschaffenen, fest organisierten und vor allem funktionierenden Struktur zeigte sich am 29. November in Görlitz, wo ca. 300 Fascos aus ganz Sachsen unter dem Motto „Gegen politische Gewalt!“ ungestört und ohne große Mobilisierung durch die Stadt marschierten und im Anschluß regelrechte Menschenjagden veranstalteten.
Als „nationales Zentrum“ sticht in letzter Zeit Dresden heraus, wo besonders die JN Aktivitäten entwickelt. So hat seit August ’96 der Landesverband dort seine Zentrale, was auf den Wohnsitz der JN-Bundesmädelbeauftragten [sic!] Katharina Handschuh zurückgeht. Mit dem Zuzug Oliver Händels im Juli dieses Jahres, seineszeichens Bundesgeschäftsführer der JN, nahm die Bedeutung Dresdens als Schwerpunkt für die bundesdeutsche Neonaziszene kontinuierlich zu. Inzwischen befindet sich in Dresden die JN-Bundesgeschäftsstelle; außerdem werden von hier sämtliche NPD/ JN-Internetaktivitäten organisiert. Neben den allgemeinen Konsequenzen, die sich aus der Konzentration und dem hohen Organisationsgrad der Faschos für die Region ergeben, entsteht daraus auch eine ernstzunehmende Gefahr für den qualitativen Gehalt der geplanten Aktivitäten gegen die Austellung.

Rechtskonservative Kreise und Dresdner Öffentlickeit

Darüber hinaus ist aber – ähnlich wie in München – auch ein Zusammengehen neofaschistischer und rechtskonservativer Kräfte zu vermuten. Hatte sich dort, neben revanchistischen Verbänden etc., vor allem die CSU hervorgetan, engagieren sich hier u.a. Vertreter der Deutschen Sozialen Union (DSU). In den Dresdner Freitagsgesprächen, einem Diskussionzirkel von Republikanern, Burschenschaftlern, DSU- und NPD-Mitgliedern existiert inzwischen eine „Initiative gegen die pauschale Verurteilung der Wehrmacht“, die zu Protestaktionen gegen die „linke Geschichtsklitterung“ aufruft. Während die Grünen und die PDS die Ausstellung unterstützen, ist eine Positionierung der Dresdner Verbände von SPD und CDU allerdings noch nicht abzusehen. Besondere Brisanz könnte der mögliche Schulterschluß außerdem durch den Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 erfahren. Es ist zu befürchten, daß sich neben den Vertretern rechtsextremer und konservativer Kreise auch die Dresdner Öffentlichkeit, unter dem schon 1995 bei den offiziellen Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag in Erscheinung getretenem Eindruck der „deutschen Opferrolle“, gegen die Ausstellung ausspricht bzw. offen mit den Nazis sympathisiert.

Fazit

Ein erneuter Erfolg á la München für die Nazis hätte fatale Folgen, da der Aufmarsch in Dresden als Auftakt für zahlreiche NPD-Aktivitäten im Wahljahr ’98 – nicht zuletzt für den 1. Mai in Leipzig – gelten dürfte. Die damit einhergehende Stärkung ihrer Strukturen, die immer Auslöser für Pogromstimmungen war, ist nicht zu unterschätzen. Für die antifaschistische Praxis ergibt sich daraus eigentlich nur eine Perspektive: In München protestierten 20 000 Menschen gegen den Naziaufmarsch und brachten ihn so schließlich zum Stocken. Auch wenn dies in Dresden, aufgrund von Zonenmief und nie existenter linksliberaler Gesellschaft illusorisch scheint, ist dieses Zusammengehen aller demokratischen und wenigstens auf dem Papier antifaschistischen Kräfte, der einzige Weg zur Verhinderung des Naziaufmarsches und der wiederholten Diffamierung der Ausstellung. Bereiten wir also den Nazis – in diesem Sinne – ein zweites München! Alexander

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last modified: 28.3.2007