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Auf den nächsten Seiten folgt der Beitrag der antinationalen Gruppe Leipzig zur Veranstaltung im Mehringhof am 8.11.97 unter dem Titel: „Gollwitz – die nationale Solidarität mit dem antisemitischen Mob“.
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Leipziger Verhältnisse sind deutsche Verhältnisse.

Leipziger Verhältnisse sind deutsche Verhältnisse, und deutsche Verhältnisse sind Gollwitzer Verhältnisse. Damit meinen wir die deutsche Gegenwart als von allen akzeptierte Normalität. Diese bestimmt den Alltag in Gollwitz genauso wie an jedem anderen Ort in Deutschland.

Das weiß selbst Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almuth Berger, die zur Entlastung der Gollwitzer anführte, daß in jedem brandenburgischen Dorf ähnliches möglich wäre (taz 2.10.97).
Zum Beispiel in Dresden, wo der dort geplante Neubau der Synagoge eine „noch nie dagewesene Flut antisemitischer Äußerungen hervorgerufen hat“, wie der Sprecher des Förderkreises zum Bau der Synagoge, Jan Post, anläßlich des Jom Kippur-Feiertages betonte.
Oder auch Leipzig, wo jener Dr. G. Lewin wohnt, der in einem Leserbrief an die junge Welt folgendes schrieb: „Angenommen, die Gollwitzer wären tatsächlich Antisemiten, so hat man durch die eigenartige Beauflagung, in einer 300-Menschen-Gemeinde 50 jüdische Umsiedler anzusiedeln, den besten Vorwand geliefert, den Antisemitismus zu praktizieren.“ Allein schon die Anwesenheit von 50 Juden gilt also als bester Vorwand, d.h. guter Grund, um Antisemitismus zu praktizieren. Schließlich haben die Gollwitzer ja „ganz schlimme Erfahrungen mit Juden“ (taz, 29.9.97). Die hat auch ein anderer Leipziger Briefeschreiber, nämlich der Sozial-Pädagogikstudent und Tierschützer Ray H., der an den Zentralrat der Juden in Deutschland schrieb, was er über „die“ Juden weiß und denkt:
„Quälen und Schächten der Tiere grenzt an mittelalterliche Barbarei. Man will quälen, ergötzt sich an der Qual wehrloser Geschöpfe.“ Ob er das wortwörtlich aus NS-Propagandamaterial abgeschrieben hat, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Der Sprachduktus jedenfalls ist wahrlich mehr als adäquat.
Die letzten beiden Beispiele zeigen, daß Antisemitismus wie auch Rassismus in Deutschland in keinster Weise auf Rechte und Konservative beschränkt sind, sondern eine ganz spezielle Unterstützung erfahren durch Deutsche, die ein besonderes soziales Engagement, ein linkes Verständnis, alternatives Leben, Minderheitenpositionen oder Fremden-Freundlichkeit für sich in Anspruch nehmen. Kurzum, all diejenigen, die in ihrer Lesart das bessere Deutschland verkörpern wollen. in gollwitz, 15.1k So wie das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer, welches in der 95er Januarausgabe von der örtlichen jüdischen Gemeinde einen Beitrag zum Nutzen der deutschen Volksgemeinschaft forderte: „In Leipzig, nach dem Willen der „Stadtväter“ eine weltoffene Stadt ohne spießiges Provinzlertum, wäre es sicher auch angemessen, an die Eröffnung eines jüdischen Restaurants oder mehrerer koscherer Läden zu denken“.
Diese Läden könnten doch, so die Autorin Ulrike Dannert, die „Juden aus dem Osten, aus Kiew, St. Petersburg, Moskau und Tadschikistan eröffnen, die „Ballettmeister, Optiker, Uhrmacher, die jüngeren Leute mit Doktorgrad und Informatikkenntnissen“, für die somit auch das Arbeitsplatzproblem sinnvoll gelöst werden könnte.
Wieder einmal also eine echt deutsche Lösung der „Judenfrage“.
Damit aber ja kein Zweifel aufkommt, was in den Gehirnen „der Juden“ herumspukt, endet der Beitrag so: Rolf Isaacsohn, Mitglied der winzig kleinen jüdischen Gemeinde in Leipzig, wird von der Autorin danach befragt, wie er sich denn das denkt mit jüdischen Läden und Gaststätten in Leipzig. Und um ja allen Assoziationen freien Lauf zu lassen, schreibt die Kreuzer-Journalistin dann: „Herr Isaacsohn lächelt auf eine diesbezügliche Frage und tut diesen Gedanken mit einem einzigen Wort ab: ‘Geld’“.
Jüdisches Geld ist auch für deutsche Linke immer ein ganz besonderes Problem gewesen. Erst kürzlich wurde in einem Aufruf zur Antifa-Demo im sächsischen Freiberg, welche am vergangenen Samstag stattfand, die Investition eines israelischen Großindustriellen in einen alten DDR-Betrieb als besonders gravierendes Beispiel für den zu bekämpfenden rechten Konsens genannt.
So arbeiten also Linke und Multikultis erfolgreich an der Identifizierung des Juden, die sie in Verbindung mit der Konstruktion des Fremden zur Konstituierung eigener, deutscher Kollektivität benötigt. Darin besteht der deutsche Konsens, der im Falle Gollwitz, Rostock, Lübeck, Mannheim vor allem eines bewirkt: die Solidarität mit dem völkischen Mob, die um so unverbrüchlicher ausfällt, je ekelhafter und mörderischer dieser seine deutsche Identität im Kampf gegen alles undeutsche herstellt.
Bereits im Mai 1992, anläßlich der damaligen Pogrome, veröffentlicht der Kolumnist des Leipziger Kreuzer, Nikolaus Schneider, einige Gedanken, die seiner LeserInnenschaft in keinsterweise Unbehagen bereiteten. So schreibt er: „So wie der Mensch konstruiert ist, muß das massenhafte Zerstören von Vertrautem hier wie da zu Ablehnung und Mißtrauen führen.
Was wir also gegenwärtig erleben, daß die Menschen ihnen Fremdes ablehnen, ist normal und hätte eigentlich vorausgesehen werden können. Hier sollte angefangen werden: Beim Bewahren dessen, worauf sich ein gesundes Selbstbewußtsein gründet.“
Thomas Löffelholz, der Kolumnist der konservativen Tageszeitung DIE WELT, hat den KREUZER höchstwahrscheinlich nie gelesen. Trotzdem liest sich sein Kommentar zu Gollwitz vom 11.10.97 wie aus dem Kreuzer abgeschrieben:
„Da lebte ein Dorf jahrzehntelang hinter dem sozialistischen Mond. Dann kommt die Wende. Alles, was sicher war, wankt. Ist es da so widernatürlich, daß sie sagen: Wir haben Angst, wenn das Dorf nun um ein Sechstel größer werden soll, wobei die neuen Nachbarn aus einem anderen Kulturkreis kommen?
Es ist bitter, aber wahr: Man kann Menschlichkeit auch überfordern. Wenn die Verängstigten dann hassen und Gewalt üben, dann sind nicht nur sie selbst schuldig, sondern auch jene, die – oft aus sicherem Hafen – den anderen mehr Menschlichkeit abverlangt haben, als diese geben konnten... Die hochmütige Art aber, aus sicherem Hafen Menschen, die unsicher sind, mit Totschlagworten niederzumachen, hilft nichts, sie macht eher Verständnis kaputt. Das Gute kann manchmal gnadenlos sein.“
Was der Löffelholz von der großgeschriebenen WELT denkt, unterscheidet sich hingegen wiederum nur in unwesentlichen Details von der in der „jungen Welt“ veröffentlichten Anklageschrift gegen die Antinationalen, die der Nationalbolschewist Pirker auf der neoliberalen Täterseite verortet. Auch für ihn sind selbstredend allein die Gollwitzer die Opfer, denn: „Wo es keine Kindergärten, Jugendclubs, ja nicht einmal eine Kneipe zur zwischennationalen Kommunikation gibt, hält sich die christliche Nächstenliebe in Grenzen... Solidarität wird durch bloße Denunziation des „Rassistenpacks“ nicht zu haben sein.“
Der Unterschied zwischen den hier zitierten Gollwitz-Freunden besteht lediglich darin, daß der eine den LPG-Sozialismus mit der dunklen Rückseite des Mondes vergleicht, während für den anderen die DDR eher die ohne Unterlaß scheinende Sonne war. Doch das ist völlig unerheblich, weil man sich in jedem Fall einig darin ist, das Zonenpack, die deutschen Arbeiter und Bauern, das deutsche Volk gegen jeden Vorwurf des Antisemitismus und Rassismus in Schutz zu nehmen.
Trotzdem sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, inwieweit nicht gerade von gewissen, an DDR-Traditionen hängenden Teilen der Zonenlinken besondere Gefahren ausgehen.
Die Leipziger Szenezeitschrift Klarofix hat soeben dankenswerterweise einen Brief des PdS-Mitglieds Wolfgang Bludau an seine sächsische Landtagsfraktion veröfffentlicht. Bludau ist stellvertretender Bürgermeister von Grimma, einer Kleinstadt im als braune Zone bekannten Muldentalkreis bei Leipzig. Hauptberuflich ist er Leiter eines Asylbewerberheims. Über die MigrantInnen in seinem Haus schreibt er in seinem Brief vom 15.9.97:
„..ich frage mich, was wollen diese Menschen hier in unserem Kulturkreis. Ich denke daran, daß diese Asylbewerber von meinen Steuergeldern ernährt und gekleidet werden und welches fette, sorglose Leben sie auf Kosten der hier lebenden Menschen in Deutschland führen können. Ich denke an die vielen arbeitslosen Frauen aus meinem ehemaligen Meisterbetrieb, die Tag für Tag ums nackte Überleben kämpfen müssen und vergleiche das mit dem Leben der Asylbewerber, denen es an nichts fehlt, die dafür unsere deutschen Kinder mit Drogen und anderen Giften verführen... Ich denke an die vielen Gespräche mit Ausländern, denen das Wort Sozialismus nichts sagt und aus deren Worten erkennbar ist, daß sie sich hier in Deutschland nur aus wirtschaftlichen Gründen aufhalten.“
Das also ist das real existierende sozialistische Potential in Deutschland, die Massenbasis der PdS, deren Verständnis von Sozialismus de facto nationalsozialistisch ist. Sozialismus in Deutschland, das ist die Solidarität mit dem rassistischen Mob, der Kampf gegen ausländische Kriminelle und gegen die Juden, die immer nur Geschäfte machen.
Gerade aus diesen volksgemeinschaftlichen Sozialbewußtsein, aus den gerade auch in der DDR wohl angesehenen Tugenden von ehrlicher Arbeit und deutscher Ordnung und Sauberkeit entspringt der mörderische deutsche Vernichtungswahn gegen alles Nichtdeutsche, ohne den Achmed Bachir heute noch am Leben wäre.
Achmed wurde am 23. Oktober 1996 in einem Leipziger Gemüseladen von zwei ganz normalen deutschen Mördern erstochen. Der Prozeß gegen die Täter Daniel Zinsmeyer und Norman Eisenschmidt ist gestern mit wohlwollenden Jugendstrafen von neun bzw. viereinhalb Jahren zu Ende gegangen.
Obwohl die beiden rassistischen Mörder, die nach Aussage der deutschen Jugendgerichtshilfe natürlich ganz liebevolle, kreative Jungs sind, die nur wegen ihrer schweren Kindheit Probleme mit ihrer Identitätsfindung hätten, an jenem 23. Oktober stundenlang pöbelnd durch die Stadt zogen, ihr Messer zeigten und aus ihren Absichten mit Sprüchen wie: „Den scheiß Moslem stechen wir ab!“ und „Du Türkenschwein, wir machen Dich tot“ kein Geheimnis gemacht haben, hat es das Leipziger Landgericht geschafft, bei der Urteilsbegründung den Mord im Gemüseladen minutiös zu rekonstruieren, ohne über irgendein rassistisches Motiv zu reden.
Die Täter seien mit sich und der Welt unzufrieden gewesen, behauptete die Staatsanwältin. Eine Absprache habe es nicht gegeben, es habe sich um eine spontane Tat gehandelt.
Wie zu erwarten war, ist damit juristisch als „Wahrheit“ erklärt worden, was der Leipziger Ausländerbeauftragte Gugutschkow schon vor einem Jahr gleich nach der Tat wußte: „Es hätte auch irgendeinen Deutschen treffen können“.
Das Urteil des Leipziger Landgerichts entspricht ebenso wie die Entlastungsreflexe von Pirker und anderen linksdeutschen Volksfreunden im Grunde genau der Art und Weise, wie die Deutschen seit mehr als 50 Jahren mit ihren Verbrechen umgehen.
Sobald sie sich in irgendeiner Weise für Auschwitz, für ihre Vernichtungskriege verantworten müssen, leugnen sie mit allen Mitteln, daß die Täter aus den eigenen Reihen, aus den eigenen Familien, aus dem eigenen rassistischen, antisemitischen Milieu kamen und kommen. Wenn überhaupt, dann waren es immer nur DIE NAZIS, also die anderen, und auch das waren nur ziemlich wenige verrückte Einzeltäter, angeblich nur unglücklich verführte Mitläufer.
Sie wollen nicht aus irgendwelchen rassistischen Äußerungen auf eine entsprechende Gesinnung und schon gar nicht auf eine daraus motivierte Mordbereitschaft schließen. Wie sollten sie auch? Schließlich müßten sie dann auch ihre eigenen Rassismus, ihren eigenen Antisemitismus betrachten und daraus schließen, daß vielleicht auch sie potentielle Mörder sind.
Und gerade das wollen sie am allerwenigsten. Die anständigen guten Deutschen wollen sich in den mörderischen Taten, die aus ihrem gemeinschaftlichen Ausgrenzungs- und Vernichtungswahn gegenüber Nichtdeutschen entstehen, nicht mehr wiedererkennen.


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last modified: 28.3.2007