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Die Pervertierung des Gewaltbegriffes.

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Die allerorten praktizierte ‘akzeptierende Jugendarbeit’ mit rassistischen Deutschen kann sowieso nicht besser sein, als die ohnehin trotteligen Sozialarbeiter in diesem Land es möglich machen. Noch schlimmer ist nur das theoretische Rüstzeug, das man ihnen von Staats wegen mit auf den Weg in die ‘gewaltorientierten Milieus’ gibt.

Von Ralf.

, 0.0k Klausi Beimer aus der Lindenstraße gab Pfarrer Steinbrück sein Ehrenwort, sich nicht mehr rechtsradikal zu betätigen. Er gab es, nachdem er sich an einem Anschlag auf ein Flüchtlingsheim beteiligte. Und der Pfarrer wurde einmal mehr zum Prototyp des bundesrepublikanischen Sozialarbeiters stilisiert. Beispielgebend für alle, denen ein Jugendzentrum als überdimensionaler Beichtstuhl für rassistische und faschistische Sündenfälle vom Staate anvertraut wurde.
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„Diese Praxis kennt nur noch Deutsche“ – Spiegel-Titel vom 14.04.1997.
Was wunder, daß auch Angela Merkel in der realen Seifenoper des neuen Deutschland mit ihrem 1991 ins Leben gerufenen „Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt“ (AgAG) jene Hauptrolle spielen konnte, die ihr die Regierungspolitik zugedacht hat. Schließlich und letztendlich ist die Merkel so sehr Pfaffin, wie es fast alle sind, die sich zu Zonenzeiten jemals die Bürger-Bewegung zu eigen gemacht haben. Folgerichtig erfolgt dann auch in der Beschreibung des AgAG der Selbstverweis „als eine spezifische Folge der Deutschen Einheit“.
Zu verstehen ist dieses Programm, das 1996 ostweit auslief, nur mit einem Blick auf die hiesige Jugendforschung und deren Ergebnisse.
Getrieben von den „gewaltförmigen Äußerungen der frühen 90er Jahre“, die sich „systematisch von früheren Formen unterschieden“(1), gelangten die Arbeiten der Bielefelder Forschungsgruppe um Wilhelm Heitmeyer auf Platz eins der staatstragenden Jugendforschungscharts. Seitdem sind sie ein Dauerbrenner, dem je nach aktuellem Output Leute wie Burkhard Schröder, Eberhard-Seidel Pielen, Klaus Farin, Claus Leggewie, Bernd Siegler u.a. regelmäßig mit ihren Veröffentlichungen sekundieren.(2) Der Heitmeyersche Ansatz ist tief geprägt von der Totalitarismusdoktrin der Bundesrepublik. Bekanntlich ist diese ja das Fundament des Gemeinwesens BRD.(3)
Auf dieser Basis entwickelten Heitmeyer und Co. ihre „Individualisierungsthese“, mit der sie das „Gespenst der akzeptierenden Jugendarbeit“ heraufbeschworen.(4)
Der Begriff „akzeptierende Jugendarbeit“ geht auf Franz-Josef Krafeld zurück, der ihn aus der Praxis heraus entwickelte.(5) Diese Praxis kennt nur noch Deutsche. Entsprechend heftig wird auch jeder Ansatz bekämpft, der versucht, diese Tatsache zu kritisieren. So erging es auch der Sozialpädagogin Birgit Rommelspacher, die darauf hinwies, daß es „immer nur um deutsche Jugendliche, oder genauer: um deutsche männliche Jugendliche“ ginge und „die Opfer der Diskriminierung überhaupt nicht beachtet werden“.(6) Im besonderen versteht sich „akzeptierende Jugendarbeit“ als Ausdruck endgültiger Pervertierung des Gewalt-Begriffes. Dieser wird in der Praxis mit besonderer Vorliebe gegen alle stigmatisierend angewendet, die das jeweilige „akzeptierte“ Klientel aufgrund von Rassismus und Faschismus für bekämpfenswert halten. In noch größerem Ausmaß findet sich bei fast allen einschlägigen „akzeptierenden“ Sozialarbeitern ein ausgeprägtes Ignoranz-Faible für die tagtäglichen Übergriffe und Erniedrigungen, die Flüchtlinge und Migranten zu erdulden haben. Angelegt ist die Dreistigkeit in der akademischen Vorgabe, bei der die „jugendliche Subjektivität im Kontext der sich wandelnden gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen“ zu interpretieren sei.(7) Im Klartext heißt das: jegliche rassistischen Angriffe sind solange in einen konstruierten Zusammenhang zu pressen, bis die Tat darin als irgendwas wie ‘Hilfeschrei’ oder ähnlicher Quark interpretierbar wird und die persönliche, individuelle Verantwortbarkeit gänzlich verschwindet.(8)
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„Platz eins der staatstragenden Jugendforschungscharts“
Die Ahistorizität, mit der die jugendliche Nazi-Szene grundsätzlich untersucht wird, ist ein ausschlaggebendes Moment für die Mär, es handele sich bei „rechtsorientierten gewaltbereiten“ Jugendlichen um „Modernisierungsverlierer“. Bei Heitmeyer kommt Geschichte gar nicht vor. Bei anderen gelten Neonazis als „modernisiert“.(9) Festzustellen bleibt, daß sich kaum Bezugnahmen auf Faschismustheorien, geschweige denn eigene diesbezügliche Ansätze ausmachen lassen. Das heißt, die Konstituierung der Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des NS-Staates und seiner personellen Kontinuietäten spielt bei der Betrachungsweise der (alten) BRD keine Rolle. Viel eher gilt es, die Schuld bei der 68er Generation zu suchen.(10) Für das Gebiet der ehemaligen DDR wird mit Vorliebe „der verordnete Antifaschismus“ als Quell aller „rechten Gewalt“ benannt.(11)
Man kann nicht oft genug wiederholen, daß die Jugendforschung und deren theoretische Untersetzung einzig und allein die gesellschaftliche Oberfläche bearbeiten will. Nur dafür werden auch Sozialarbeiter und -pädagogen ausgebildet. Potentielle Kritiker sollen so gar nicht erst zum Zuge kommen. Denn immerhin vermag linke Gesellschaftskritik den Zusammenhang zwischen der politischen Orientierung von deutschen Jugendlichen und ihrer festen Verankerung im Gesellschaftsgefüge des neuen Deutschland herzustellen. Daß dabei hinsichtlich einer historischen Betrachtung die Bundesrepublik nicht gut wegkommen kann, wissen diejenigen, die die deutsch-nationalistische Jugend von heute reinwaschen, im besten Falle nicht - im schlechteren aber ganz genau.
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Essentials akzeptierender Jugendarbeit für Sozialarbeiter.

(zusammengestellt aus dem Material von Gunda Heim u.a.: „Jugendarbeit mit rechten Jugendcliquen - Handlungsansätze aus der Praxis“)
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  • Einfach da sein, ohne damit schon die Erwartung zu verbinden, einbezogen oder in spezifischer Weise gefordert zu werden.
  • Damit umgehen können, daß die Jugendlichen gerade am Anfang vor allem unter sich etwas machen, ohne uns aktive Handlungsmöglichkeiten zu offerieren oder zuzugestehen.
  • Bereit sein, andere anzuhören, ihnen zuzuhören - so haarsträubend und erschreckend manche Aussagen auch sein mögen.
  • Auffassungen und Meinungen äußern, ohne damit den Anspruch zu verbinden, daß sie irgend jemand überzeugen müßten.
  • Die Arbeit als Beziehungsarbeit begreifen, die situativen Einzelgesprächen (soweit diese von Jugendlichen gewünscht werden) das größte Gewicht beimißt.
  • Versuchen, daß eigene Wahrnehmungs - und Reaktionsebene nicht auseinanderklaffen.
  • Die Jugendlichen immer wieder damit vertraut machen, daß wir andere Umgehensweisen und Konkliktregelmuster verwenden als sie - und daß wir diese auch für geeigneter halten.
  • Die Jugendlichen nicht zu Aktivitäten „hinleiten“ oder mit Anregungen „animieren“ wollen, sondern auf ihre Ideen und Vorstellungen reagieren.
  • Bei Aktivitäten davon ausgehen, daß die Jugendlichen darin ihre eigene Dramaturgie entfalten, statt pädagogisch inszenierte vorgeben zu wollen.
  • Die emotionalen Erlebnis- und Actionwünsche der Jugendlichen ernst nehmen, in denen Regelverletzungen oft unverzichtbare Bestandteile darstellen.
  • Das eigene Funktions - und Aufgabenverständnis durchsichtig machen.
  • Androhung oder Umsetzung von Sanktionen an persönlichen statt an abstrakten pädagogischen oder institutionszentrierten Maßstäben festmachen.
  • Die Jugendlichen deutlich damit konfrontieren, wo wir existentielle, ja lebensbedrohliche Probleme auf sie zukommen sehen.
  • Die Grenze der Bereitschaft zum Anhören und Zusehen da setzen, wo wir etwas vom inneren Empfinden her nicht aushalten.

Fussnoten:

(1)
vergleiche dazu: Roland Merten: „Jugend im Kontext von Gewalt, Rassismus und Rechtsextremismus, in: Jugendhilfe 4/1993. Er schreibt dort: „Jugendgewalt, verstanden als körperliche Form der Regulierung sozialer Konflikte, ist in der Bundesrepublik kein neues Phänomen. Es ließe sich geradezu eine Genealogie der Gewalt von den Halbstarken-Krawallen der 50er Jahre bis zu den rechtsextremen Übergriffen in den 90er Jahren zeichnen, ohne daß diese Phänomene jeweils inhaltlich ineinander übergehen. Es deutet sich hier an, daß offensichtlich zu allen Zeiten der bundesdeutschen Geschichte der (männlichen) Jugend ein bestimmtes Maß an Devianz gesellschaftlich zugebilligt wird, daß körperliche Formen sozialer Konfliktregulierung jugendtypisch sind. Gleichwohl scheinen sich die gewaltförmigen Äußerungen der frühen 90er Jahre, wie sie sich zur Zeit abspielen, systematisch von früheren Formen zu unterscheiden und somit die Schwelle der gesellschaftlich tolerierten Devianz zu überschreiten. Das historisch Neue an der jetzigen Gewaltwelle ist einerseits ihr geradezu exzessiver Charakter, andererseits ihr serieller Verlauf. Dieses Phänomen bedarf der sozialwissenschaftlich geleiteten Aufklärung, um dann in einem zweiten Schritt zu problemadäquaten Handlungsstrategien zu gelangen.“
(2)
Wichtig ist dabei das Erklärungsmuster. Bei allen genannten Autoren ist dieses gleichlautend. Heitmeyer z.B. macht das angebliche Fehlen sozialer Beziehungen unter Jugendlichen dafür verantwortlich, daß sie auf „surrogathafte kollektive Identitäten“ setzten. Diese Erkenntnis verbinden Heitmeyer und Co. mit einer prinzipiellen Offenheit der jeweiligen Lebensläufe. Daraus folgt unisono der Schluß, die Jugendlichen seien durch entsprechende Jugendarbeit intensiv beeinflußbar.
(3)
wunderbar veranschaulicht ist dies im drei Bände umfassenden Standartwerk von Uwe Backes/Eckhard Jesse, „Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deuschland“, Köln 1989
Im weiteren bezieht sich insbesondere Heitmeyer außerdem auf Ulrich Becks „Risikogesellschaft“. Beck sieht diese als „reflexive Modernisierung“, die durch „Enttraditionalisierung“ vollzogen werde.
vergleiche Ulrich Beck, „Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne.“, Frankfurt/Main, 1986
(4)
Das „Gespenst der akzeptierenden Jugendarbeit“ stammt im O-Ton aus dem Aufruf zur Antifa-Demonstration am 16. November in Wurzen.
vergl. dazu: Wilhelm Heitmeyer, „Rechtsextremistische Orientierungen bei Jugendlichen. Empirische Ergebnisse und Erklärungsmuster einer Untersuchung zur politischen Sozialisation.“ Weinheim/München 1987
Wilhelm Heitmeyer/Kurt Möller/Heinz Sünker (Hg), „Jugend - Staat - Gewalt. Politische Sozialisation von Jugendlichen, Jugendpolitik und politische Bildung“, Weinheim/München 1989
W. Heitmeyer, „Jugend und Rechtsextremismus – Von der ökonomisch-sozialen Alltagserfahrung zur rechtsextremistisch motivierten Gewalt-Eskalation“, in: Gerhard Paul (Hg), „Hitlers Schatten verblaßt“, Bonn 1990
Wilhelm Heitmeyer, „Rechtsextremismus: ‘Warum handeln Menschen gegen ihre eigenen Interessen?’ Materialien zur Auseinandersetzung mit Ursachen, Köln 1991
Wilhelm Heitmeyer: „Die Widerspiegelung von Modernisierungsrückständen im Rechtsextremismus“, in: Karl-Heinz Heinemann/Wilfried Schubarth, „Der antifaschistische Staat entläßt seine Kinder“, Köln 1992
Wilhelm Heitmeyer, Heike Buhse, Joachim Liebe-Freund, Kurt Möller, Joachim Müller, Helmut Ritz, Gertrud Siller, Johannes Vossen, „Die Bielefelder Rechtextremismus-Studie. Erste Langzeituntersuchung zur politischen Sozialisation männlicher Jugendlicher.“ Weinheim/München 1992
(5)
vergl. dazu Kasten „Essentials der ‘akzeptierenden Jugendarbeit’“ auf diesen Seiten.
Roland Merten schreibt zur Definition des Begriffes: „‘Akzeptierende Jugendarbeit’, ein Begriff, der sich in diesem Zusammenhang mit dieser Form von Jugendarbeit etabliert hat, beansprucht nicht mehr, als die Jugendlichen in ihrer schwierigen gesellschaftlichen und biographischen Situation als Person anzunehmen, ohne deshalb ihre politischen Überzeugungen zu teilen, das ist die professionelle Gratwanderung. Den Jugendlichen muß ersteinmal ein - im konkreten Sinne des Begriffes - sozialer Raum geboten werden, innerhalb dessen sie sich austauschen und entfalten können.“ In: Jugendhilfe 4/1993, „Jugend im Kontext von Gewalt, Rassismus und Rechtsextremismus“
(6)
zitiert aus uni-konkret 1/94, Birgit Rommelspacher, „Die Opfer bleiben draußen“
Besonders heftig wurde sie von Richard Stöss attackiert. Er schreibt: „Der Vorwurf des Verwechselns (von Tätern und Opfern - R.) trifft vielmehr Rommelspacher selbst. Sie bringt ständig die unterschiedlichen Dimensionen des Rechtsextremismus durcheinander, wenn sie beispielsweise die jugendlichen Gewalttäter, die Wähler, die organisierten Rechtsextremisten und die rechtsextrem eingestellten Personen über einen Kamm schert und Untersuchungsergebnisse, die sich auf ein spezifisches Segment des Rechtsextremismus beziehen, ungeprüft verallgemeinert. So gelangt sie auf methodisch zweifelhaftem Weg zu der These, daß ‘ökonomische Ängste, psychosoziale Probleme im Zuge des Verlusts von sozialen Netzen, Milieus und familiären Halt und schließlich ... globalperspektivischen Risiken’ für den Erfolg von Rechtsextremismus bedeutungslos seien. Diese These ist nicht nur wegen ihrer Pauschalität unhaltbar. Sie verkennt die Bedeutung von sozialem Wandel und technologischer Modernisierung für den neuerlichen Aufschwung des Rechtsextremismus. Im übrigen scheint mir die Täter-Opfer-Debatte am Problem vorbeizuzielen, solange nicht Verharmlosungsabsichten zweifelsfrei nachgewisen werden.“ (Aus: Richard Stöss, „Forschungs - und Erklärungsansätze - ein Überblick“. In: Wolfgang Kowalsky, Wolfgang Schröder (Hg), „Rechtsextremismus. Eiinführung und Forschungsbilanz“, Opladen 1994.)
Wie sehr Rommelpachers Kritik an der ausschließlichen Männerfixierung berechtigt ist, läßt sich an folgendem Beispiel sehr schön nachvollziehen. So schreibt K. Möller in „Jugendarbeit und Rechtsextremismus“ (aus: Franz Josef Krafeld u.a., „Jugendarbeit in rechten Szenen. Ansätze - Erfahrungen - Perspektiven, Bremen 1993): „Wenn es ein Arbeitsfeld gibt, auf dem Jungenarbeit heute aktuell gefordert ist, dann ist es gerade die Arbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen, denn sie sind in ihrer erdrückenden Mehrzahl männlich. Dies ist kein Zufall, sondern hat mit den Schwierigkeiten des Aufbaus von männlicher Identität und den Verunsicherungen der Jungen- und Männerrolle zu tun, die die Modernisierung unserer Gesellschaft und die ihrer Geschlechterverhältnisse im Schlepptau nach sich zieht.“
Literatur von Birgit Rommelspacher:
„Rechtsextreme als Opfer der Risikogesellschaft. Zur Täterentlastung in den Sozialwissenschaften“, in: 1999, 6. Jg., Heft 2, 1991
„Rechtsextremismus und Dominanzkultur“, in: „Rassismus - Nationalismus - Sexismus“, Duisburg 1992
„Männliche Jugendliche als Projektionsfiguren gesellschaftlicher Gewaltphantasien. Rassismus im Selbstverständnis der Mehrheitskultur.“, in: W. Breyvogel (Hg.), „Lust auf Randale. Jugendliche Gewalt gegen Fremde“, Bonn 1993
„Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht“, Berlin 1995
(7)
aus: Richard Stöss, „Forschungs- und Erklärungsansätze - ein Überblick“, in: Wolfgang Kowalsky, Wolfgang Schröder (Hg), „Rechtsextremismus. Einführung und Forschungsbilanz“, Opladen 1994
(8)
dazu eine längere Passage aus Roland Merten, „Jugend im Kontext von Gewalt, Rassismus und Rechtsextremismus“, in: Jugendhilfe 4/1993: „Jugendgewalt ist hier also, und dies muß nochmals deutlich betont werden, ein Gruppennphänomen. Die Gruppen definieren Anlässe für Aggression und liefern gleichzeitig die Legitimationsmuster für die Gewalt. Reste moralischer Hemmungen zu gewalttätigen Übergriffen werden durch die klassische Einstiegsdroge dieser Gruppen, Bier, abgebaut, wobei Alkohol bewußt in dieser Funktion zu sich genommen wird, so daß die (rassistischen) Gewalttaten als instrumentelle, und nicht als programmatische Akte (fester rechtsextremistischer oder neonazistischer Orientierungen) verstanden werden müssen.
Die De-Thematisierung von Jugend und ihrer Probleme im Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten hat dazu geführt, daß sie in ihren Bedürfnissen und Erwartungen nicht ernstgenommen wurden. Politik hat für sie keine Plattform bereitgestellt, auf der sie ihre berechtigten Forderungen hätten artikulieren und im politischen Entscheidungsprozeß umsetzen können. Auf diese Weise sind sie zu einem Neben-Objekt der offiziellen Politik geworden. Erst durch die Reaktion der offiziellen Politik auf die gewalttätigen Exzesse und rassistischen Übergriffe auf Ausländer ist es ihnen gelungen, sich - wenngleich auch nur für kurze Zeit - ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit zu stellen, sich zum Subjekt ihrer eigenen politischen Ansprüche und Anforderungen zu machen. Die offizielle Politik hat keine Integrationsleistungen für die Jugendlichen bereitgestellt, sie hat erst auf die Segregationstendenzen durch Jugendliche reagiert.“
(9)
vergleiche dazu: Kurt Möller, „Jugendarbeit und Rechtsextremismus - gängige Verständnisse bröckeln weiter“, in: Franz Josef Krafeld u.a., „Jugendarbeit in rechten Szenen. Ansätze - Erfahrungen - Perspektiven“, Bremen 1993
(10)
beispielsweise Gunter Hofmann in: Die Zeit Nr.1/1993: „Kulturkampf gegen die Kulturrevolutionäre“. Er fragt dort bejahend u.a.: „Anklage von rechts: Gehört die 68er-Generation mit ihren Tabubrüchen zu den Urhebern der Welle von Gewalt und Fremdenhaß in Deutschland?“
oder auch Dieter Rucht in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 4. Jahrgang, Heft 2, 1991,“Das Kräftefeld soziale Bewegungen, Gegenbewegungen und Staat: Einführende Bemerkungen“. Er schreibt dort u.a.: „In diesem Sinne könnte man den Aufschwung der Neuen Rechten in den achtziger Jahren als eine mittelbare Reaktion auf den kulturellen Liberalisierungsschub seit Mitte/ Ende der 1960er Jahre sowie auf die Entfaltung und den Einfluß der neuen sozialen Bewegungen in vielen westlichen Industrieländern interpretieren.“
(11)
So schreibt beispielsweise Kurt Möller in „Jugendarbeit und Rechtsextremismus - Gängige Verständnisse bröckeln weiter“: „Die DDR-spezifische Verordnung des Antifaschismus konnte dem Schwenk nach rechts offenbar wenig entgegensetzen. Seine Ineffektivität, ja Kontraproduktivität lag dabei sowohl in seiner Ritualisierung, die ihn für die nachwachsende Generation oftmals zur Pflichtübung degradierte als auch in seiner theoretischen Fundierung.“
Ein wichtiger Verweis sei hier noch gestattet. Jürgen Elsässer (junge Welt, konkret) vertritt die nach meinem Verständnis einzig richtige These im Bezug auf den DDR-Antifaschismus. Er stellt fest, daß es in der DDR nicht zu viel Antifaschismus gab, sondern zu wenig.

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last modified: 28.3.2007