Dienstag, 03.12.2013, Einlass: 18:30 Uhr, Beginn: 19:00 Uhr
Myths of Cascadia
Über die Synthese von anarchischen Archaismus und Black Metal, sowie die Ideologie des Ursprungs.
Vortrag und Diskussion mit Jacques Blum.
Seit seiner Entstehung in den späten 80ern ist der Black Metal programmatisch mythologisch. Musiker der skanidinavischen Bands Darkthrone, Burzum und Ulver beklagen den Verlust altheidnischer Religion und Lebensweise. Diese sei vom, oft verschwörungstheoretisch mit dem Judeochristentum identifizierten Kapitalismus zerstört worden. Wird nicht die völkische Identität des Wikingertums und seiner Kulte besungen, geht es im Subtext dennoch immer um eine ursprüngliche Authentizität die mit Naturhaftigkeit und archaischer Männlichkeit in enger Verbindung steht. Die musikalische Formsprache ist Ausdruck spätkapitalistischer Subjektivität und vom mythologischen Inhalt nicht zu trennen. Das ewig um sich selbst kreisende Riff, regrediert immer wieder auf seinen Ursprung und ist Nachahmung archaischer Zeit, die sich in der ewigen Wiederholung der Jahreszeiten, der zyklischen Wiedergeburt ohne Progress sich erschöpft. Black Metal Hörer und Musiker wollen dem immer qualitätsloser empfundenen Voranschreiten abstrakten Zeit, die den Takt der Arbeit schlägt und den als bedrohlich empfundenen gesellschaftlichen Wandlungen entkommen, indem sie die „Ewigen Wiederkunft des Gleichen“, das sich selbst Gleichbleiben in der Natur, zelebrieren und sich eins fühlen mit der verlorenen Heimat. Nun wird dem Cascadian Black Metal, der in den frühen Nullerjahren im Pacific North West der USA und den kanadischen Anreinern, eben in der Region Cascadia, entstandenen ist, bis tief in die Mainstreammedien hinein eine Emanzipation von den menschenfeindlichen Inhalten des traditionellen Black Metal nachgesagt. Tatsächlich setzten die Musiker der Kapellen Wolves in the Throne Room, Echtra oder Wilds Reprisal sich gegen Rassismus und Homophobie ein und dünken sich herrschaftskritisch, was, wenn man sich der mitunter neonazistischen Exzesse vieler Black Metal Formationen aus Europa erinnert, durchaus einen gewissen Wandel darstellt. Auch musikalisch tritt die Subszene über ein angestammtes Black Metal Repertoire hinaus. Elemente aus Black Gaze, Post Metal und Hardcore sind stark vertreten. Dennoch bilden diese Bands eine selbstproklamierte Gesinnungsfamilie und die musikalischen Grundzüge, die ihre Vorbilder (etwa Burzum) geliefert haben, bleiben bestehen. Was die Bands an Inhalten liefern, geht ideologisch auf den amerikanischen Anarcho-Primitivismus zurück, der ein Programm des Rewilderings vertritt, also die Rückführung des Menschen in eine vorzivilisatorische vermeintlich herrschaftsfreie Zeit. Das ist der Angelpunkt des Mythos im Cascadian Black Metal, der in Form und Inhalt eben Black Metal also mythologisch und reaktionär bleiben muss.