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Retro

Der Sommer ist vorbei. Die Tage werden kürzer und kälter. Dafür aber sind die Nächte wieder lang. Die nächste Konzertsaison hat endgültig begonnen.

Los ging’s im September mit SLAPSHOT. Bei diesem Gig bleibt mir nicht viel zu erzählen. Voll war’s, voller, als es sich mancher von uns hätte vorstellen wollen. SLAPSHOT und die beteiligten Vorbands boten musikalisch das Gewohnte, kraftvollen Hardcore. Ein paar Worte zum Publikum. Eine seltsam aggressive Stimmung lag über dem Saal. Woran dies lag, kann ich auch nicht restlos erklären, vielleicht verwechseln viele Hardcorefans einen mitteleuropäischen Konzertsaal mit den Straßen der Bronx? Tough, tougher am toughesten schien das Motto der meisten Besucher zu sein. Dabei hatte Hardcore mal was mit Denken zu tun. Schade.

Großer Respect sei an dieser Stelle den Leuten gezollt, die in letzter Minute aus einer Baustelle einen halbwegs sauberen Konzertsaal zauberten.

Am 6. September war es dann soweit, das absolute Wunschpackage Einiger war zu erleben: YO LA TENGO und THE NOTWIST. Als Support traten DAS WEETH EXPIRIENCE an. Ein Abend der absoluten Steigerungen. Wußte die erste Kapelle schon zu überzeugen, setzten THE NOTWIST einen drauf (blieben aber zu nah am CD Sound) und YO LA TENGO brachten dann das Faß sprichwörtlich zum Überlaufen. So sollte Noise Pop live klingen.

Das sprichwörtliche Faß zum Überlaufen, aber in negativer Hinsicht, brachten beim nächsten Date am 15.9. beim EARTH CRISIS Konzert einige Aktivisten von Animal Peace. Die nämlich verteilten ein Flugblatt, in dem über korrekte Ernährungsweisen und Tierbefreiung etc. polemisiert wird, und just in diesen Flugblatt tauchte doch der Vergleich Schlachthof-Treblinka auf. Liebe Ernährungs- und Tierbefreier im günstigsten Falle könnte ich diesen Vergleich unter zum Himmel schreiender Unwissenheit verbuchen, im ungünstigsten Fall wird hier eine gefährliche Nähe zu geschichtsrevisionistischen Bestrebungen der neuen und alten Rechten, und, da der allgemeine politische Mainstream mittlerweile auch unaufhörlich nach rechts trifftet, auch des allgemeinen Pöbels sichtbar. Seid ihr Euch im Klaren, in wessen geistiger Nachbarschaft ihr Euch damit befindet? Reichen Euch die Namen Zitelmann und Nolte? Der Vergleich, den ihr hier bringt, relativiert den industriell geplanten Massenmord an einer Bevölkerungsgruppe und bringt ihn in die Nähe der kulturell gewachsenen Ernährungsgewohnheiten der Menschheit. Euer Verrgleich hinkt oder habt ihr schon mal davon gehört, daß schwarzbunte Milchrinder aufgrund abstruser Sündenbocktheorien daran gegangen wären, meinetwegen die schwarzweisgefleckten Artgenossen industriemässig abzuschlachten? Ich will dieses Thema aber jetzt beenden, da ich sonst befürchte ausfällig zu werden.

Um mal wieder zum wesentlichen dieses Textes zurückzukommen noch ein paar Worte über das Konzert. Hardcore der derben Sorte wurde geboten und dem Publikum hat’s gefallen - ansonsten siehe oben.

Am Tag danach gab’s Erfreulicheres. Der erste Leipziger Open Air Soundclash am Nachmittag und am Abend dann im Saal ein weiterer Wettstreit der Soundsystems waren angekündigt. Die nachmittägliche Musikbeschallung wurde vom Publikum nicht so richtig angenommen, die Soundsystems blieben weitestgehend allein und nutzten die Zeit um ordentlich Lärm zu machen. Warum kommt in dieser Stadt eigentlich niemand auf die Idee, auch mal vor Einbruch der Dunkelheit das Tanzbein zu schwingen, zumal das Wetter an diesem Tag in vorbildlicher Weise mitgspielt hat? Der erste Teil dieser Veranstaltung konnte damit als Mißerfolg abgebucht werden. Mit einbrechender Dunkelheit wandelte sich das Bild jedoch radikal... Die Leute strömten zuhauf in den Saal und wußten die Leistungen der DJ’s und Selecter und - auch nicht zu vergessen - derjenigen, die die Dekoration besorgten, durch Abfeiern einer gediegenen Party zu würdigen. Die Soundsystems trieben sich gegenseitig zu Höchstleistungen und wem nicht mindestens das Knie zuckte, der konnte einem nur leid tun. Resumee: Absolut gelungenster Abend des Monats und die Hoffnung, nun derlei Musik endgültig in den Hirnen unseres Publikums etabliert zu haben. Für all diejenigen, die sich nun endgültig mit dem DUB’n’Dancehall Virus infiziert haben noch ein kleiner Hinweis: Im November gibt’s derartige Musik satt live zu erleben - GARY CLAIL, ZION TRAIN und DUB SINDYCATE werden unsere heiligen Hallen beehren.

Eine Woche darauf gab’s Musik für den schwermütigen Teil der Bevölkerung zu erleben. MY DYING BRIDE boten Doom Metal vom feinsten. Ausgiebiges schwenken langer Haare und Hände-in-den-Himmel-recken bestimmten das Bild dieses Abends. Die mitgebrachte Supportband war meiner Meinung nach schlichtweg unter aller... KINDTOT der Name dieser Herde.

Am 23.9. gab’s dann ein Hardcorepackage mit den KRISHNA Bands 108 und ABHINDA zu sehen/hören. Höhepunkt des Abends waren in jeder Hinsicht 108, da die angetretenen Vorbands musikalisch allenfalls Durchschnittliches zustande brachten. Wenn das, was 108 auf der Bühne zeigten religiöse Musik war: Alle Achtung! Emocore, dessen ruhige Passagen immer wieder von brutalen Attacken auf die Ohren der Zuhörer unterbrochen wurde. Da blieb kein Auge trocken.

Unsere Pleite des Monats erlebten wir am 29.9. beim langersehnten ATR-Gig. Technische und Soundprobleme, ein etwas überfordertes Publikum und diverse private Bandquerelen führten zum Abbruch des ATARI TEENAGE RIOT Gigs. Obwohl z.B. der DJ, der nach dem Support an den Turntables stand, ein Breakbeatgewitter ohne Gleichen auf das Publikum losließ, fanden sich kaum Leute, die sich dazu bewegen wollten und so die Leistungen des Plattendrehers richtig zu würdigen wußten. Kleine Episode am Rande: Da fanden sich doch einige Zuschauer, die, ob des Hinweises auf dem Plakat „Digital Hardcore“, meinten, irgendwann müßte doch irgendwer gitarrenbehängt auf die Bühne steigen und Lärm machen. Also ATR stehen für Punk und Hardcore aber nicht im landläufigen Sinne, sondern mehr so für die elektronische Variante. Und wer meint, Rotzlöffeltum manifestiert sich nur durch Abspielen dreiakkordigen Gitarrengebolzes, der darf sich, glaube ich, jetzt schon zu den Ewiggestrigen der 90iger zählen (siehe auch Hippies). Hängt Euch, wenn ihr dieser Meinung seid, wenigstens Hirschbeutel um, dann erkennt man Euch schon von Weitem und kann Eure Ohren mit der entsprechenden Schonung behandeln.

ATR werden ihren Gig unter hoffentlich besseren Vorzeichen Anfang Dezember wiederholen. Die Eintrittskarten behalten selbstverständlich ihre Gültigkeit - deswegen nicht wegschmeissen!!!

KAY

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last modified: 28.3.2007