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Gegen den Strom, 54.2k



Am 12.06.2007 fand im Conne Island eine Veranstaltung mit dem jüdischen Kommunisten Theodor Bergmann statt. Im Anschluss an die Vorstellung der filmischen Biographie Bergmanns, „Dann fangen wir von vorne an“, entspann sich eine kontroverse Diskussion, in der auch Diskrepanzen zwischen Publikum und Referenten zutage traten. Die Redaktion des CEE IEH hatte nach der Veranstaltung die Möglichkeit, einige der aufgeworfenen Themen in einem Gespräch mit Theodor Bergmann ausführlicher zu diskutieren.
interview, 3.9k

Dann fangen wir von vorne an.


CEE IEH: Wir sprechen mit Theodor Bergmann, einem 91-jährigen Kommunisten, der derzeit in Stuttgart lebt, ursprünglich aus Berlin kommt und dazwischen eine ganze Menge erlebt hat. Es gibt jetzt einen Film über Sie, der auch in Leipzig gezeigt wurde(1). Zunächst würde uns interessieren, wie der Film überhaupt zustande kam, war das ihre Idee oder ist jemand mit der Idee auf Sie zugekommen?

Theodor Bergmann: Am Anfang war ich im Grunde dagegen. Zu mir kam damals ein junger „Antideutscher“, der mit mir ein Interview für eine linke Wochenzeitung machen wollte. Das Wort „antideutsch“ akzeptierte ich damals nicht. Dieser junge Journalist, Thorsten Fuchshuber, entwarf dann mit drei Kolleginnen ein Konzept für einen Film. Sie bereiteten sich gut vor und reisten mit mir schließlich nach Berlin, Israel und Stuttgart-Hohenheim und filmten an diesen Orten. Aus Zeitgründen konnten wir nicht mehr in die Tschecheslowakei reisen, wo ich ebenfalls gelebt hatte.

Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie und ihre Geschwister, die ja aus einer Rabbinerfamilie stammen alle zu linken und säkularen Überzeugungen kamen?

Mein Vater hatte keinen großen Einfluss auf uns, die Zeit der Religion war vorüber. Es war damals die Zeit des Aufstiegs der Naturwissenschaften, der Revolution, des Krieges und des Hungers. Es war die Zeit des Aufstiegs des Faschismus, das alles hat uns beschäftigt. Die großen Veränderungen in unserer Umwelt haben uns geprägt, Rabbiner wollte keiner meiner Brüder werden. Natürlich hat uns auch der Aufstieg des Antisemitismus mehr beschäftigt, als die Sitten und Gebräuche der jüdischen Religion.

Uns würde interessieren, wie sie den Antisemitismus in der Weimarer Republik erlebt haben? Wie wichtig war ihre jüdische Herkunft für sie? Sahen sie sich ausschließlich als Teil der internationalen Arbeiterbewegung oder empfanden sie auch ihre jüdische Herkunft als konstitutiv für ihre Identität?

Man muss wahrscheinlich sehen, dass die Frage des Antisemitismus sich für die Linke anders als für das bürgerliche Lager stellte. Es gab damals drei Positionen unter den Juden zur so genannten „Judenfrage“. Eine Position war, sich taufen zu lassen, und zu versuchen sich zu assimilieren. Die Erfahrung zeigte, dass das nicht geht. Die zweite Position war die Emigration nach Palästina. Das lag den meisten Leuten, übrigens auch den Zionisten fern. Denn was würde sie in Palästina erwarten? Viele Zionisten waren bürgerlich, keine Arbeiter, aber in Palästina wurden damals keine Professoren oder Doktoren gebraucht, Palästina war also für die meisten keine realistische Option. Die dritte Möglichkeit war, mitzumachen bei den anderen Unterdrückten und Ausgebeuteten und die modernsten unter den Juden sagten „wir sind nicht alleine, wir wollen zusammenarbeiten mit den Sozialisten, die nationale Frage international, internationalistisch lösen“. Ich glaube, diese Idee war richtig, aber leider waren wir nicht stark genug, sie durchzusetzen, der deutsche Kapitalismus und der Kapitalismus in anderen Ländern hat sich durchgesetzt. Der Antisemitismus war stärker und hat schließlich zu Auschwitz geführt. Auschwitz konnte sich vorher niemand denken, das war unvorstellbar. Daher hofften wir, dass der Sozialismus die jüdische Frage ebenso wie alle anderen nationalen Fragen lösen würde.

Man kann also sagen, dass der Antisemitismus durchaus eine Motivation für viele war, kommunistisch zu werden?

Ja, natürlich hat der Antisemitismus für alle eine Rolle gespielt. Trotz aller formaler Gleichberechtigung konnte jeder die Grenze spüren, Antisemitismus gab es an den Universitäten, an den Schulen, überall. Um etwa als Jude Professor zu werden, musste man außergewöhnlich tüchtig sein. Mein Bruder war bereits als 24-Jähriger Privatdozent; ein Kollege sagte ihm aber, dass er sich für ein Weiterkommen würde taufen lassen müssen, was mein Bruder nicht wollte. So etwas war in den 20er Jahren fast das Übliche. Wir haben das aber nicht nur als Juden empfunden, sondern auch gemerkt, dass diese Gesellschaft eine Klassengesellschaft ist, in der Antisemitismus einen Teil der Unterdrückung darstellt, jedoch nicht alles.

Sie und zwei ihrer Brüder waren in der kommunistischen Bewegung aktiv, allerdings in der KPD(Opposition). Wenn man aus heutiger Perspektive an Kommunisten in der Weimarer Republik denkt, denkt man zumeist an „DIE“ KPD. Warum hat sich die KPD (O) von der KPD abgespalten, was waren ihre Positionen?

Die kommunistische Bewegung in Deutschland hat eine lange Geschichte mit vielen Wendungen. Die letzte große Wendung war Anfang 1928, als man endgültig beschloss, dass die Sozialdemokraten Sozialfaschisten sind, die es zuerst zu bekämpfen gelte, bevor man die Nazis bekämpfen kann. Man beschloss damals auch, dass vor den Sozialdemokraten die kommunistischen Rechtsabweichler, die noch gefährlicher seien, bekämpft werden müssen. Es gab damals ein Abkommen zwischen Stalin und Thälmann, das die Partei endgültig auf einen ultralinken Kurs festschrieb, der die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung ungeheuer vertiefte und den Nazis geholfen hat aus der Verwirrung der Arbeiterbewegung ihren Weizen blühen zu lassen. Für die KPD waren die Sozialdemokraten Sozialfaschisten, für uns waren das Klassengenossen, mit denen wir gemeinsam als Einheitsfront gegen die Nazis kämpfen wollten. Unsere Genossen, wie z.B. August Thalheimer, erkannten schon 1928 die Nazis als Gefahr und hatten als erste eine gute Faschismus-analyse. Außerdem lehnten wir im Gegensatz zur KPD eine Bevormundung und Kontrolle durch die Stalin-Fraktionen der anderen Parteien ab. Wir wollten Solidarität mit der Sowjetunion, aber gleichzeitig Unabhängigkeit in der Gestaltung der Politik. Wir lehnten auch die von der KPD forcierte Spaltung der Gewerkschaften ab. Die KPD fing 1928 das zweite Mal in ihrer Geschichte an, revolutionäre Gewerkschaften zu gründen. Wir sahen die Gewerkschaften hingegen, wie Rosa Luxemburg, als eine Möglichkeit zur Diskussion und zur Überzeugung der Arbeiter davon, dass die Kommunisten klüger sind als die Reformisten. Das waren die Unterschiede zu den Positionen der KPD.

Obwohl sich Kommunisten und Nationalsozialisten in der Weimarer Republik erbittert bekämpften, gab es auch partikulare Zusammenarbeit z.B. beim Streik der Berliner Verkehrsarbeiter 1932. Auch inhaltlich gab es teilweise Überschneidungen, zum Beispiel die weit verbreitete Rede vom internationalen Finanzkapital etc. Würden sie das als Taktik oder als Verirrung werten? Oder gab es auch Überschneidungen bei den wichtigsten Paradigmen?

Ich glaube, es gibt keine inhaltlichen Überschneidungen zwischen Kommunisten und den Nazis. Aber es hat Dummheiten gegeben, die allerdings im Verhältnis zu anderen Dingen gering waren. Ganz offensichtlich waren Kommunisten keine Nazis, aber es gab zwei Versuche der KPD zur Zeit ihres ultralinken Kurses. Der eine fußte auf der Annahme, bei der SA handle es sich um „irregeleitete Revolutionäre“, die man durch ein Entgegenkommen in der Sprache für sich gewinnen könne. Das ist politisch falsch und wir haben das kritisiert. Zum anderen hat die KPD zwei Sachen mit den Nazis zusammen gemacht: Als die Nazis und die Deutschnationalen den Volksentscheid gegen die sozialdemokratisch-bürgerliche preußische Koalitionsregierung von Otto Braun organisierten, sagte die KPD auf einmal „da machen wir mit, wir machen den bürgerlichen Volksentscheid zum roten Volksentscheid!“. Auch beim Verkehrsarbeiterstreik in Berlin, den sie organisiert hat, ging die KPD sehr – wie soll ich sagen – naiv, sehr unfähig und unverständig vor. Die NSBO(2), die nicht antikapitalistisch war, schaltete sich ein und versuchte das mangelnde Verständnis der Arbeiter demagogisch auszunutzen. Es hat tatsächlich ein, zwei Veranstaltungen gegeben, wo Hans Neumann, selber Jude, gesagt hat „wir sind ja gemeinsam gegen das raffende Kapital!“. Das hat aber den Kommunisten nichts genutzt, sie wurden ja trotzdem von den Nazis als Feinde betrachtet. Die Nazis haben aber die Verwirrung der KPD genutzt für ihre Demagogie. Die KPD war dumm, aber sie war nicht faschistisch! Sie war auch nicht antisemitisch, es hat allerdings ein paar solcher Dummheiten gegeben, was man aber nicht verallgemeinern kann. Allgemein waren die kommunistischen Arbeiter nicht antisemitisch und in ihrer übergroßen Mehrheit Antifaschisten und Widerstandskämpfer, lange bevor die deutsche Bourgeoisie am 20. Juli 1944 aufgewacht ist. Heute wird behauptet, dass sei der Widerstand gewesen, das ist aber nicht wahr! Der Widerstand hat 1929 mit den ersten Warnungen von Thalheimer, Zetkin und anderen begonnen, er hat illegal 1933 begonnen und alles andere ist bürgerliche Geschichtsfälschung.

Sie flohen 1933 alleine nach Palästina, nach dreijährigem Exil kehrten Sie aber wieder zurück, um ihr in Palästina begonnenes Studium der Landwirtschaft in der Tschechoslowakei wieder aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt rührte Nazideutschland bereits kräftig die Kriegstrommel, das Saarland war wieder deutsch und die so genannten „Nürnberger Rassegesetze“ waren bereits erlassen worden. Was bewog sie zu diesem Schritt? Hatten Sie keine Angst?

Angst hatte ich keine. Ein junger Mensch hat nicht viel Angst, das lohnt sich nicht. Das Leben ist sowieso immer riskant, man kann immer unters Auto kommen. Es ist ein Risiko zu leben und nur der Tod ist nicht riskant, den erlebt jeder. Die CSSR war nicht riskant, es hat zwar Dinge gegeben wie den Mord an Prof. Theodor Lessing. Es hat Entführungen gegeben von Leuten aus der Schweiz und Frankreich, aber kleine Leute wie Theodor Bergmann haben sie im Allgemeinen nicht sehr interessiert. Meine Absicht war, meinen deutschen Freunden bei der Grenzarbeit der kommunistischen Opposition zu helfen, denn meine Universität lag in einer kleinen Grenzstadt der CSSR, in Dín (Tetschen), so dass ich den Kontakt über die Grenze hinweg aufrecht erhalten konnte. Sie haben mir Berichte übergeben, die für das Auslandskomitee der Partei in Paris bestimmt waren, sie konnten sich bei mir satt essen und wir diskutierten politische Fragen. Tschechische Genossen übernahmen die technische Organisation.

Wir würden gerne nochmals zum Nationalsozialismus nachhaken, worüber ja auch bei der Filmvorführung schon diskutiert wurde. Wir wüssten gerne, wie sie den NS interpretieren und was sie von Dimitroffs These halten, nach der der Faschismus „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ ist?

Das ist sehr wortradikal, aber politisch vollkommen falsch. Das hängt damit zusammen, dass eine offene Debatte über die eigenen Fehler nicht erlaubt war. Man durfte damals auf dem VII. Weltkongress der Komintern 1935 nicht sagen, dass Sinowjew und Stalin den Stumpfsinn vom „Sozialfaschismus“ erfunden hatten; das war den Leuten nicht erlaubt. Sie mussten radikal reden, um die neue Volksfrontpolitik der Sowjetunion öffentlich zu erklären. Die These beinhaltet, dass es auch demokratische Kapitalisten gebe, das ist aber Unsinn! Alle deutschen Kapitalisten, bis auf wenige Ausnahmen, waren für Hitler, insofern ist die These falsch. Die These diente dazu, den Kommunisten die neue sowjetische Außenpolitik begreifbar zu machen, denn Stalin, der ja kein Idiot war, merkte nach 1933 sehr schnell, dass die Sozialfaschismustheorie, und somit die Politik der KPD, falsch war und man nun alleine war.
Stalin musste dann aber sehen, dass die englischen Kapitalisten bereit waren, die Nazis nach Osten ziehen zu lassen. Das war die Antwort der Engländer auf die Volksfrontangebote. Deshalb hat Stalin dann 1938/39 mit beiden parallel verhandelt, mit Nazideutschland und mit England. Aber Stalin hat nicht geglaubt, dass er ewig mit Hitler zusammenarbeiten könnte, er hat gedacht, er bekommt dadurch eine Atempause. Und die hat er dann genutzt, er hat in den zwei Jahren sein Vorfeld organisiert, indem er große Gebiete in Osteuropa okkupierte. Auch der Krieg gegen Finnland diente der Vorbereitung auf die Belagerung Leningrads. Stalin wollte Hitler entgegenkommen, denn er hatte Angst. Warum? Weil er die Rote Armee 1937 enthauptet hatte. Die ganze Führung hingerichtet, mit welcher Brutalität und Niedertracht! Das muss man sich mal vorstellen, als Kommunist! Stalin war ja unfähig und der finnische Winterkrieg wurde beinahe verloren, weil man keine Generäle mehr hatte! Als der Krieg gegen Deutschland begann, hatte er keine Militärführer und musste deshalb etwa den Marschall Rokossowski aus dem Lager zurückholen. Das ist Geschichte, das habe ich alles erlebt und weiß es noch wie heute. Die Kommunisten waren verwirrt, denn die KP erklärte 1939, dass wir mit Hitler befreundet seien. Die KP hat erklären müssen: „Hitler ist ein Friedenskämpfer, die Engländer sind Kriegstreiber“. Das hat kein Kommunist mehr verstanden. Es gab den Rat an die deutschen Freiwilligen in Spanien „geht zurück nach Deutschland, es passiert nichts, wir sind Freunde.“ Und die Leute sind zurück nach Deutschland, ins KZ. Das wisst ihr alles gar nicht, aber das ist Geschichte, und deshalb muss ich kommen und euch mal Geschichte erzählen!

Wir hätten noch eine eher theoretische Frage: Was halten Sie von der Kritischen Theorie und teilen sie deren Einschätzung, dass es einen Umschlag von Aufklärung in Barbarei gab, es nach dem NS ein revolutionäres Subjekt in dieser Form nicht mehr geben könne und das Projekt der proletarischen Weltrevolution gescheitert ist?

Ich muss ehrlich sagen, ich bin kein Philosoph. Von Adorno habe ich wenig gelesen, den amerikanischen Marcuse habe ich gelesen, ich muss sagen, ich bin davon nicht sehr beeindruckt. Für mich sind das, etwas grob gesagt, Akademiker, die einen wirklichen Kontakt zu der Arbeiterbewegung, mit der Fabrik nicht gehabt haben, da sie in der academia lebten und nicht in der Arbeiterbewegung. Man kann natürlich sagen, dass das sowjetische Experiment gescheitert ist. Aber damit ist nicht der Kommunismus gescheitert, sondern nur ein Versuch, der erste Großversuch, die Grenzen des Kapitalismus zu überschreiten. Aber wer sagt denn, dass jeder Versuch gelingt? Der Versuch der Pariser Commune ist misslungen und die Sowjetunion ist auch – nach 70 Jahren – gescheitert. Aber haben sie nicht auch etwas geleistet? Haben sie nicht auch den Kampf gegen Hitler geführt und ihn besiegt, haben sie nicht Russland alphabetisiert und eine Agrarreform durchgeführt? Sie haben manches gemacht, aber nicht alles.
Wir müssen sehen, dass der Stalinismus nicht der ganze Kommunismus ist, sondern eben nur einer der Versuche, eine misslungene Alternative, eine Degeneration des Kommunismus. Meine Freunde und ich haben sich deshalb mit den Alternativen im Kommunismus beschäftigt, es gibt viele Kommunismen, z.B. begründet von Bucharin, Trotzki, Rosa Luxemburg, Gramsci, Mao etc. Es stimmt nicht, dass der Kommunismus monolithisch und einfältig ist, der Kommunismus ist vielfältig. Und er muss in jedem Land anders aussehen, weil die Bedingungen in den Ländern unterschiedlich sind. Marx hat keine Bibel für uns alle geschrieben, in der er uns sagt, wie wir es machen müssen. Wir müssen selber nachdenken, was wir nach der Revolution machen, was für unsere Verhältnisse, unsere Tradition, unsere Geschichte, unsere Ökonomie, unsere demokratischen Erfahrungen und unser Bewusstsein passt, das müssen wir suchen und das können wir nicht von Stalin lernen.
Aber natürlich müssen wir uns auch die Frage stellen: Wie kommt es, dass Stalin siegt und nicht Bucharin oder Trotzki? Das ist aber eine lange Geschichte, die wir hier nicht diskutieren können (T. Bergmann verweist auf sein Buch: „Die Ketzer im Kommunismus“). Dass das Projekt misslungen ist, liegt aber nicht nur an Stalin, sondern ist auch unsere Schuld, weil wir keine Solidarität geübt haben, weil unsere Sozialdemokraten Luxemburg, Liebknecht und viele andere ermordet haben. Es sind die Verhältnisse, die da mitgewirkt haben.

Wie schätzen sie die Möglichkeiten einer weltweiten Revolution heute ein? Welche Kräfte finden sie in dieser Hinsicht stützenswert?

Radikale Gesellschaftsveränderungen lassen sich nicht synchronisieren, lassen sich nicht von einem Zentrum aus steuern, es muss aus den jeweiligen Ländern selbst entspringen. Das haben wir inzwischen gelernt. Man kann eine radikale, gesellschaftsverändernde Bewegung nicht von außen leiten, sondern nur wenn 95 Prozent der Kraft des Umsturzes aus dem eigenen Lande kommt, kann die Hilfe von außen ein bisschen helfen. Wenn aber Che Guevara alleine nach Bolivien fährt, um die Revolution nach Bolivien zu bringen, dann muss das misslingen. Revolutionen wird es daher in jedem Lande dann geben, wenn die Menschen dort dafür reif sind und wenn die kommunistische Partei wirklich führen kann, das heißt, wenn sie überzeugen kann, nicht wenn sie kommandieren will!
Es gibt natürlich auch heute radikale sozialistische Bewegungen: Es gibt vier Länder, die sich zum Kommunismus bekennen, das sind Kuba, Vietnam, China und Nordkorea. Und ich wundere mich, warum viele Sozialisten fest davon überzeugt sind, dass in China der Kapitalismus herrscht.
Fahrt mal nach Kuba und schaut euch das an, Castro ist von der amerikanischen Regierung seit fast 50 Jahren völkerrechtswidrig blockiert, sie haben versucht ihn umzubringen, aber die Kommunisten sind immer noch da. Es muss also irgendetwas geben, was mehr ist als nur das Kommando von Castro. Es muss auch in China irgendetwas geben, was die amerikanische und die deutsche Regierung dazu veranlasst, sich immerzu zu bemühen, die Kommunisten mit allen Mitteln kaputtzumachen. Mit Hilfe der „demokratischen“ Propaganda, mit ein bisschen Falun Gong, mit ein bisschen menschlicher Hilfe, mit der Unabhängigkeit von Tibet, der Unabhängigkeit der Uiguren. Wir haben also verschiedene Methoden, um den Kapitalismus zu fördern und die kommunistischen Versuche zu bekämpfen. Wir haben aber außer diesen vier Inseln im kapitalistischen Ozean auch Evo Morales in Bolivien, ich bin dort gewesen, der von seiner Bewegung als einer sozialistischen spricht. In Nepal führen die Kommunisten bereits seit 15 Jahren einen Bürgerkrieg, so etwas gibt es ja angeblich gar nicht mehr. Die sind jetzt anerkannt und haben den König offenbar abgesetzt.
Es gibt also noch ein bisschen Revolution und soziale Veränderung und das muss man zur Kenntnis nehmen. Es gibt ganz verschiedene Sozialisten, aber der Sozialismus lebt nicht von Mao, sondern von der Kraft der Arbeiter und Bauern, die etwas verändern möchten, sowie einer kommunistischen Partei, die gelernt hat, dass wir uns verändern müssen, dass wir nicht weiter in die Sackgasse laufen können. Wir müssen sehen: da geht es nicht weiter, wir müssen zurück und einen neuen Weg suchen. Große Kommunisten versuchen, aus der Sackgasse wieder herauszukommen, aber Idioten oder Lumpenhunde wie Jelzin und Schabowski, die gehen zur anderen Seite.

Sie haben gesagt, dass in verschiedenen Regionen der Welt, also bspw. Bolivien und China, Kommunismus herrscht oder sie ihn dort wahrnehmen. Uns würde dazu noch eine theoretische Frage interessieren: Was ist eigentlich ihr Begriff von Kommunismus? Was unterscheidet Kommunismus von Kapitalismus, ist es die Herrschaft der KP, oder ist es was anderes?

Ich kann das jetzt nicht wörtlich zitieren, aber Karl Marx schrieb sinngemäß in der Deutschen Ideologie, dass Kommunismus das Gegenteil von Kapitalismus ist (so ungefähr). Das heißt, es ist der Gegensatz zu dem, was wir heute haben. Das wird aber hier im Land ganz anders aussehen. Ich habe kein Bild vom Paradies, weil es keins geben wird. Die sozialistische Gesellschaft wird mit ihren Gegensätzen existieren, weil die Gegensätze der Motor der Entwicklung sind und es wird natürlich Widersprüche geben müssen. Ein widerspruchsfreies Paradies ist eine dumme Idee von Mao, der vollendete Kommunismus, der wissenschaftliche Kommunismus. Es gibt kein Paradies, sondern es wird auch immer einen Widerspruch geben zwischen dem Bauern, der einen hohen Reispreis will und dem Arbeiter, der einen niedrigen Reispreis will. Zwischen dem Bauern der 3 Kinder möchte und der Plankommission, die sagt, lieber ein Kind. Zwischen dem kommunistischen Fabrikdirektor, der hohen Mehrwert erzielen will, und dem Arbeiter, der möglichst viel Geld haben will. Ein Widerspruch zwischen der Plankommission und dem Lokalkönig, die unterschiedliche Ansichten vertreten.
Diese Widersprüche sind nicht antagonistisch, sondern es sind Widersprüche, die sich lösen lassen, durch Bargaining, durch Verhandlungen und Kompromisse.Deswegen ist meine Vorstellung, dass wir eines Tages unabhängige Gewerkschaften haben werden, unabhängige Bauernverbände, unabhängige Lehrerverbände, unabhängige Ärzteverbände. Die werden zusammenkommen mit ihren autonomen Vertretern, nicht mit Sekretären der KP. Die werden in der Plankommission beraten, wie verbraten wir den Mehrwert: Wie viel brauchst du für die Ärzte, wie viel brauchst du für die Fabriken, wie viel brauchst du für das Militär. Das wird beraten und diskutiert. Das sind keine antagonistischen Gegensätze. Aber der Gegensatz zum Kapitalismus ist antagonistisch, der lässt sich nicht auflösen, der führt zum Klassenkampf, und wenn wir nicht kämpfen, dann kämpfen die anderen und nehmen uns das weg, was wir gestern gehabt haben. Das ist das, was Rosa Luxemburg die Sisyphosarbeit der Gewerkschaften genannt hat (da waren andere zutiefst empört, weil sie das missverstanden haben). Aber RL hat das anders gesehen: in der Krise, wenn wir schwach sind, nehmen sie dir alles, was wir gestern erkämpft haben. Und das sieht man jedes Mal wieder.
1929 in der Krise haben die Kapitalisten das gleiche geschrieben, wie heute: Die Arbeitslosigkeit macht die Leute faul, die Gewerkschaften verhindern, dass ein Arbeitsloser Arbeit findet zu den Löhnen, die er akzeptiert (deswegen müssen wir die Gewerkschaften abschaffen, 1929 nicht 1933!) Die gleichen Verlogenheiten heute wieder – die lassen sich nicht mal was Neues einfallen. Das habe ich in einer Broschüre gefunden, das wird auch in meinem Buch zitiert, was bald erscheint (Über die Metallarbeiter). Aber die Kapitalisten haben keine neuen Ideen. Das ist Geschichte. Darum bin ich optimistisch. Ich glaube diesen Lügen nicht, auch von damals nicht. Die sind genau so dumm wie gestern, deswegen lese ich ein bischen alte Bücher. Der gleiche Quatsch von 1929 wird wieder erzählt: Wenn wir die Gewerkschaften abschaffen, dann haben alle Arbeit. Deswegen fangen wir wieder von vorne an. Wir lassen uns nicht bescheißen.
Ich bin Mitglied der PDS geworden Ende 1989, weil es Solidarität geben muss. Ich übe Solidarität mit allen politischen Zweifeln an der Politik der PDS. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was die PDS macht und mit den Köpfen, die an der Spitze der Partei sitzen. Diese Politik und diese Organisation von heute ist nicht das letzte Wort. Aber es hat keinen Zweck, dass ich als einzelner mit ein paar Leuten eine neue Partei gründe. Radikale Parteien müssen entstehen, wenn die Arbeiter im Aufbruch sind, aber nicht in Zeiten des Niedergangs, das ist Unsinn. Diese Erfahrungen haben wir gemacht, das hat die SAP gemacht, das hat Trotzki gemacht usw. Deswegen gründe ich keine Parteien, sondern ich mache mit, wenn ich einverstanden bin und ich kritisiere, wenn ich nicht einverstanden bin. Ich helfe der PDS, ich unterstütze sie bei aller Kritik und mit allen Zweifeln.
Es gibt bei vielen Linken in Westdeutschland mehr Klassenbewusstsein als im Osten…

Woran würden sie das festmachen?

Das mache ich daran fest, dass wir wissen was Gewerkschaften sind, dass wir wissen, was Streik ist, dass keiner von meinen Freunden sagt, wir müssen in der BRD ankommen. Wir sind da angekommen
Ich bin 1946 da angekommen und ich weiß was das für ein Laden ist, das ist eine kapitalistische Demokratie, wo Ackermann, Merkel, Stoiber, Oettinger etc. regieren und nicht wir. Schröder war auch nur ein Kapitalistenknecht.
Ich habe Freunde, die Gewerkschaftslinken, die sind zum großen Teil in der WASG, und wir werden versuchen durch die neu entstehende Linkspartei das Klassenbewusstsein zu stärken und den Klassenstandpunkt zu festigen.
Wenn selbst die Industriearbeiter und Professoren abgewickelt werden, wo soll es denn dann Klassenbewusstsein geben? Das sind ja arme Teufel, Arbeitslose und Rentner. Aber die brauchen wir auch, die können keine Kampf mehr führen, weil sie nichts mehr haben: Kampf heißt demonstrieren und Streik, das können sie nicht mehr und deswegen hat sich das ein bisschen verändert. Solidarität muss sein. Wir sitzen in einem Boot, gerade was das Drücken des Lohnes angeht, deswegen brauchen wir Solidarität. Deshalb muss die Gewerkschaftslinke schauen, dass sie wieder Klassenbewusstsein reinbringt und die Führer zum Teufel jagt, das haben wir schon mal gemacht, nicht 1933, aber 1919. Da hat es mal Situationen gegeben, wo der deutsche Metallarbeiterverband einen radikalen Vorsitzenden bekam, den Robert Dißmann. Es gibt noch ein bisschen Demokratie und deswegen sind die Gewerkschaften, die wichtigsten Organisationen die wir haben, potentiell demokratisch. Wenn wir nur zu Hause bleiben und schimpfen, bringt das nichts. Es sollten sich alle in Gewerkschaften organisieren.

Auf ihrer Homepage ist der Slogan „dann fangen wir von vorne an“ sehr zentral und prägt scheinbar ihre optimistische Einstellung zum Weltgeschehen. Sind sie ein Optimist?

Kann man das heute sein? Ich würde sagen, dass die Lebenserfahrungen natürlich verschieden sind: Die einen sind 1989 aufgewacht aus einem schönen Traum und haben vorher entweder nicht kritisieren können oder nicht kritisieren wollen, weil sie nicht die Informationen hatten und deswegen war für sie 1989 ein furchtbarer Schock. Ich bin in Japan gewesen und war bei der kommunistischen Partei und stellte fest, dass sie die gleichen Dinge, die ich sehe, ganz anders sehen. Chruschtschow hat am 20. Parteitag auf mich befreiend gewirkt, indem er Stalin als Verbrecher bezeichnete, sagte ich; für sie war Chruschtschow ein Verräter und der Verrat schade der kommunistischen Bewegung.
Wir sehen das gleiche an verschiedenen Enden der Welt, aus verschiedenen Standorten, aus unterschiedlichen Altersperspektiven heraus, aus unterschiedlichen Biographien. Vom Süden sieht die Welt anders aus als vom Norden, das ist meine Lebenserfahrung. Ich habe außerdem erfahren, dass die deutschen Kapitalisten x-mal schon gesiegt haben, z.B. 1914 haben sie gesagt, Weihnachten sind unsere Jungs wieder siegreich daheim. Aber sie kamen nicht 1914; es war 1918 und sie kamen als Kriegsinvaliden zurück und ohne Lorbeerkranz; das war die erste Erfahrung.
Die zweite Erfahrung war 1933, da sagte A. Hitler, „dass wir Marxismus, Bolschewismus und Judentum endgültig besiegt haben, wir werden 1000 Jahre regieren.“ 1939 „wir siegen“, „die unüberwindliche, unbesiegbare deutsche Wehrmacht“. 1941 „in vier Wochen nehmen wir Leningrad, in sechs Wochen nehmen wir Moskau.“ Am 18.9. kommt ein Sprecher des Führers aus dem Führerhauptquartier und teilt mit: „Der Krieg in der Sowjetunion ist beendet, wir haben gesiegt, westlich des Urals gibt es keine Rote Armee mehr und ob die Russen östlich des Ural noch eine Armee aufstellen können, darüber haben die noch nicht nachgedacht und wir auch nicht; es bleiben nur noch Säuberungsaktionen übrig.“ Da prüfte ich auf meinem Bauernhof nach und kam zu dem Ergebnis, das ich meinen Bauern mitteilte: Leningrad haben sie nicht, Moskau haben sie nicht und da ich Russland geographisch kenne, wusste ich, dass das so nicht stimmen kann und die Deutschen den Krieg verlieren würden.
Es gibt keine Endsiege. Die Geschichte ist der Klassenkampf. Wir müssen uns organisieren, dann werden wir was machen.

Also speist sich ihr Optimismus aus einem Festhalten am Arbeiterkampf. Auf der Veranstaltung im Conne Island (12.6.2007) meinten sie, dass sich China auf dem Weg zum Sozialismus befinden würde. Woran sehen sie das?

Ich denke, dass die Chinesen riesige Probleme haben, die Kubaner haben riesige Probleme, die Vietnamesen haben riesige Probleme. Aber die Chinesen haben das größte, weil sie 1,3 Milliarden Menschen satt zu machen haben (Arbeitslosigkeit, Schulausbildung, hygienische Bedingungen etc.), aber sie arbeiten daran.
Es gibt keinen großen Sprung nach vorn wie bei Mao; das ist Blödsinn. Es ist eine lange mühselige Arbeit. Man muss den Arbeitern die Möglichkeit geben zu empfinden, dass sie von ihrer Arbeit etwas haben und darf ihnen keine Versprechungen machen, in 6 Generationen sind wir im Paradies. Das wird es nicht geben. Sie müssen heute oder morgen sehen, dass das was sie heute gearbeitet haben, ihnen auch ein bisschen weiterhilft – das haben die Kommunisten gemacht nach Mao. Die Arbeit hat nicht nur wenigen was gebracht, sondern allen. Aber ich sehe die großen Probleme. Um wieder auf Marcuse zurückzukommen, ich glaube nicht dass es ein revolutionäres Element gibt, das ich idealisiere. Aber ich denke, dass die arbeitenden Menschen die wichtigsten sind, die im Stande sind, Waffen anzuwenden, bevor sie Waffen haben, den Streik z.B. Sie können die Fabriken besetzen und können streiken. Das können die Rentner nicht.

Warum denken sie dass die Arbeiterklasse prädestiniert ist, Revolution zu machen?

Weil sie gezwungen ist; weil der Kapitalismus alle paar Jahre das wegnimmt, was wir gehabt haben: Wir haben kürzere Arbeitszeiten erkämpft, jetzt verlängern sie trotz 6 Millionen Arbeitslosen die Arbeitszeiten. Wir haben höhere Löhne erkämpft, jetzt sagen sie, dass wir dadurch wettbewerbsunfähig werden – das ist eine Lüge. Es gibt da einen Gegensatz, der nicht durch Konsensus zu überbrücken ist. Dieser Gegensatz kommt immer wieder zum Ausdruck, wenn wir schwach sind. Der Arbeiter fürchtet sich vor Arbeitslosigkeit, weil die Gewerkschaften schwach sind und nicht kämpfen. Wir müssen uns wehren, der Arbeiter ist der einzige der eine Waffe hat, der Arbeitslose hat keine Waffe. Er hat noch nicht mal die Waffe der Demonstration. Heute gibt es nicht mehr die Schlangen vor dem Arbeitsamt, die es vor 1933 gab. Auf dem Arbeitsamt sagt man, dass es zwar keine Arbeit gibt, aber trotzdem muss man 10 Bewerbungen pro Monat schreiben. So werden die Leute behandelt, bis sie weg bleiben. Früher kam man auf die Stempelstelle, Tausende haben in der Schlange gestanden in der Sonnenallee in Berlin Neukölln, da haben wir uns zusammengerottet, der kommunistische Verein hat geworben, es gab ein kommunistisches Erwerbslosenkomitee, was haben wir jetzt? Jetzt haben wir Caritas, es gibt aber keine wirkliche Arbeit, es gibt doch keine wirkliche Hoffnung – deswegen brauchen wir Klassenkampf und die Arbeiter müssen mit den Arbeitslosen mitkämpfen. Deshalb kämpfen wir um Arbeitszeitverkürzung, damit Arbeitslose wieder regelmäßige Arbeit bekommen.
Deswegen brauchen wir andere Führer; die müssen wir wählen und die kann man nur wählen, wenn man sich organisiert

Auf ihrer Website ist ein Bild zu sehen, auf dem sie in Yad Vashem in Jerusalem zu sehen sind. Inwiefern hat sich ihre persönliche Erfahrung des NS, die Gründung des Staates Israel und die Gedenkstätte selbst auf ihre jüdische Identität ausgewirkt?

Meine eigene Identität ist durch Yad Vashem nicht beeinflusst worden. Ich habe Freunde aus Deutschland selbstverständlich dort hingeführt. Aber ich hatte meine Position zum Zionismus und zum Judenstaat auch schon vorher. Ich finde es fürchterlich, was man da sehen muss, aber ich bin selbstverständlich nicht durch Yad Vashem aufgeklärt worden. Denn ich bin ja ein Mensch mit offenen Augen und alles was es darüber zu lesen gab und was man darüber erfahren konnte, habe ich versucht zu erfahren. Ich bin nicht als Blinder durch die kapitalistische Welt gegangen. Aber natürlich muss ich sagen, dass meine Vorstellungen über den Zionismus sich geändert haben. Weil wir nach Auschwitz anders denken müssen als vor Auschwitz. Natürlich hat die Gründung des Staates Israel sehr, sehr viel mit dem deutschen Faschismus zu tun. Wenn es diesen Antisemitismus in Europa, den Versuch alle Juden planmäßig zu vernichten, nicht bloß die deutschen, sondern in ganz Europa, wenn es diesen Versuch nicht gegeben hätte, das können wir uns gar nicht mehr vorstellen, wie schön die Welt wäre, wenn wir den Hitler besiegt hätten oder ein paar seiner Leute umgebracht worden wären, wenn wir nicht sozialdemokratische Führer (Trottel und Weicheier) gehabt hätten. Wie schön könnte unsere Welt heute aussehen? Die deutschen Bauern würden noch an der Weichsel ackern. Wir hätten kein Flüchtlingsproblem, wir hätten keine Eva Steinbach, wie schön wäre das. Nach Auschwitz sieht die Welt anders aus. Nach Auschwitz hat Israel ein Existenzrecht, das nicht bestritten werden darf. Wer das bestreitet ist ein Verbrecher oder ein Dummkopf. Wenn heute jemand sagt „Achmadinedjad hat Recht“ oder diese jüdischen Idioten von der neturei karta, die auch gegen Israel sind, dann sieht man, dass Auschwitz und der deutsche Faschismus gar nicht mehr zur Kenntnis genommen wird.
Ohne den deutschen Faschismus wäre die Welt ganz anders. Aber diese Alternative von gestern gibt es nicht mehr. Wir müssen heute mit dieser Verrücktheit leben und müssen es akzeptieren. Es sitzen so viele Länder in der UNO, aber warum hat Achmadinedjad das Recht Israel von der Landkarte zu streichen? Wer gibt ihm das Recht, wer beauftragt ihn dazu? Und das sollen deutsche Linke für richtig halten, das ist absurd. Das kann ich nicht akzeptieren, dagegen protestiere ich. Und deswegen werde ich bei der „jungen welt“ nichts mehr schreiben, die haben mir verwehrt über den Israelkonflikt zu schreiben. Zensur gibt’s bei mir nicht, dann lieber schweige ich.

Wie stellen sie sich ihre Zukunft vor?

Das ist eine 16.000$-Frage! (lachen) Meine Zukunft?
Meine Zukunft liegt in der Vergangenheit. Ich bin 91 und ein paar Monate alt. Ich denke, meine Zukunft ist nicht mehr sehr weit und versuche sie zu nutzen. So lange mein Kopf noch mitarbeitet, werde ich versuchen zu schreiben und Vorträge zu machen, so lange mir meine Freunde nicht sagen, „Theo, halt dei’ Gosch!“ Und so lange meine Füße mich tragen, werde ich versuchen von der Welt noch was zu sehen und die Probleme der Welt zu verstehen; deswegen bin ich letztes Jahr in China gewesen, in Bolivien, in Vietnam, in Israel und dieses Jahr noch mal Indien und Japan. Ich versuche an die Orte zurückzukehren, an denen ich schon mal war (Schweden zum Beispiel), um zu sehen, was sich verändert hat.
Das ist meine Zukunft.

Das Interview mit Theodor Bergmann führten Johannes K. und api


Theodor Bergmann, 47.9k


Anmerkungen

(1) www.dann-fangen-wir-von-vorne-an.de

(2) Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation, eine Arbeiterorganisation der NSDAP (1928 gegründet)

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last modified: 22.8.2007