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The second wave of detroit techno

Linie, 1.0k

Carl Craig (Detroit/Planet E)
Mapache (Conne Island/VelocitySounds Rec.)
Sevensol (Violet Kashmir Connection)


Liebe Leser,

Hier ein paar Zeilen zum Abend mit Carl Craig, die hoffentlich „those who know“ nicht langweilen, aber den Unwissenden über dieses Schwergewicht in Sachen Musik aufklären. Das ist er nämlich. Wer ihn bzw. seinen Output in den letzten Jahren verfolgt hat – und irgendwie sollte mich das zu diesem Text befähigen –, hat eigentlich die besten Momente in ... naja ... modern music miterlebt.
Aber immerhin ... so ein Abriss ist ja auch ein Stück weit eigenes Sichzurückerinnern!

Carl Craig, 23.1k Aufgemerkt nun also:
Carl Craig gilt quasi als das Wunderkind an der Seite von Derrick May, dem selbsternannten „Innovator“ von Detroit Techno, und ist technogeschichtlich gesprochen Teil der „second wave of detroit“ – einer Clique um Toptypen wie Kenny Larkin oder Stacey Pullen. Während also May mit Kevin Saunderson und Juan Atkins als namentlich ersten den Motorcity-Funk aus der Maschine ließen, ging es bei den youngsters mehr musikalisch und (ok) teils geschmäcklerischer zu – immer natürlich Kraftwerk und Funkadelic mitgedacht.
Dabei war und ist der Name Carl Craig fast immer unter Alter Egos (check discogs.com) zu finden, die ihm verschiedene styles ermöglichen und (manchmal auch tatsächlich) die Musik über den bekannten Künstlernamen stellt. (Unter uns: `ne Craig`sche Dramaturgie kann man schon erkennen!)
Wir sprechen hier also über – anfangs – schmucklose Platten auf Oldschool-Labels wie Transmat, KMS, R&S oder Fragile: rohe beats, offene snares und schwelgerische strings veröffentlicht als psyche, bfc oder 69. Und es gab unglaublich pumpende Housemusic als paperclip people. Und dann ... kurzum: er hat alle floors bespielt, den ganzen Technozirkus erlebt. Mit musikwissenschaftlichen Kategorien sollte man ihm eh nicht kommen, seine Musik ist – so sagt er es selbst in einem Interview, in dem er sich mit dem Ansatz von Miles Davis vergleicht – timeless intendiert. Und oft erreicht er das, wenn dann Beat/Rhythmus nur der Träger einer höheren Idee ist (und man sich überrascht in einem 10-minütigen Loop mit shuffles und kleinen breaks wiederfindet).
Mit der Wahlheimat London ist er dann schnell dem innercircle Detroits entwachsen und war im alten Europa bei Labels wie MoWax oder A.R.T. genauso am Start wie bei Basic Channel. Während die alten Kumpels von UR über die suburbs von Detroit diskutieren, schöngeistert Craig in Interviews über Charles Eames oder Charles Mingus. Vieleicht so viel.
Als die zweite Phase empfinde ich die Arbeit als Band/Liveprojekt/Sessionprojekt, unter Namen wie innerzone orchestra (hier wurde mit „bug in the bassbin“ kurz mal Drum`n`Bass ein gehöriger Kick weg vom Amen-Break gegeben) oder the detroit experiment. Ersteres wurde, als es zum Format-Album reifte, glattweg von (damals hippen) Label talkin`loud gesignt, letzteres 2004 bei rope-a-dope verlegt. In beiden Fällen war Craig der Initiator, der so gestandene Typen wie Francisco Mora oder Craig Taborn mit Weggefährten wie Richie Hawtin, local Rapper Lacksidaisical oder Amp Fiddler in einen Aufnahmeraum packte. Die Ergebnisse sind großartig und packend, die korrekten Links immer mit präsent: HipHop, Dub, Breakbeats, Techno und über all dem immerwieder JAZZ.
Seine Remixe sind seit Jahren der heiße Scheiß, machen aus der laschesten Elektroplatte einen Epos. Seine Produktionen haben das kleine Mehr an Musikalität (oh das klingt hart!), ohne dabei cheesy oder advanced zu sein. Craigs Position im Techno ist wohl wenn überhaupt mit der von 4 Hero innerhalb von Drum`n`Bass zu vergleichen: dabei, doch irgendwie über den Dingen stehend. Nachahmungen in aller Coleur, sorry Zitate, gehen damit einher, Bootlegs und offizielle Reissues älterer Platten sind normal.
Sein Label Planet E – mit Veröffentlichungs-Auszeiten hier und da – brachte Talente wie Recloose oder Moodyman an die Öffentlichkeit und ist ein Dauergast im gutsortierten Fachhandel.
Ok, wer jetzt all das in einem DJ-Set erwartet, könnte aber enttäuscht werden. In unseren Breiten ist er (meist doch) Techno-DJ – nämlich der, als der er gebucht ist. Trotzdem erwartet uns wohl ein (überdurchschnittlich) vielseitiges Set ... Ich erinnere mich an die ersten Platten des heißersehnten Sets von 4 Hero`s Dego vor einigen Jahren im Conne Island: Detroit-Techno. Expect the unexpected sozusagen.
Zudem haben wir mit den beiden locals Mapache und Sevensol zwei ausgewiesene Alleskönner am Start, die (sicherlich) klarmachen werden, dass Stumpfsinn Deepness nicht ausschließt.

Hier noch ein paar essentielle Longplayer, die wo ihr bittesehr checken solltet:

Carl Craig: more songs about food ... (planet e/ssr)
Innerzone Orchestra: programmed (planet e/talkin loud)
Detroit Experiment: same (planet e/rope-a-dope)
Carl Craig: Designer Music – the Remixes Vol.1 (planet e)
alle Mix-CDs

Achso: Am Dienstag den 23. Mai wird es bei Radio Blau eine Spezialsendung zu Carl Craig geben (Panorama, 21.00-22.00). Mit Chance auf Tickets und `ner Menge Musik.

Ein Fan


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last modified: 28.3.2007