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Was so alles passiert
und's Conne Island mit muß

Politsch'mäßsch betrachtet - Stadtpolit'sch.

Connewitz und Conne Island
Vor vielen Wochen war’s, als die Stadt von der Straße her massiven Druck bekam, um die Offensive der Ordnungspolitik Leipzigs zurückdrängen. Was sind aber konkrete Ergebnisse?
Die Distillery hat sich selbst um ein neues Objekt gekümmert und die Majestät Bauordnungsamt hat’s sogar schon abgesegnet. Also in kürze Distille in der Kästnerstraße.
Der BewohnerInnenrat aller Connewitzer Wohnprojekte schiebt die Initiierung einer Genossenschaft an, die die Möglichkeit einer autonomen Struktur für die Projekte gewährleisten könnte. Gleichzeitig drängten sie in die vom Jugendamt ämterübergreifend ins Leben gerufene Arbeitsgruppe, um ständig vom Vetorecht Gebrauch machen zu können und um direkt in die Erarbeitung einer OBM-Vorlage zu Connewitz einzugreifen.
Der Stadtrat positioniert sich in der Sitzung vom 14.Juni mehrheitlich zugunsten Connewitz’, als dem Stadtteil mit einer „lebendigen und selbstbestimmten Stadtteilkultur“ (siehe Faksimile dazu).
Und, das Werk II paukte dank dem Pöbel von der Straße ein Bekenntnis zum Erhalt ihrer ominösen Struktur und Veranstaltungen durch, was den Werk II - Betreibern den Unredlichkeitsorden cleverster Prägung zuspielt. Herzlichen Glückwunsch. (Unser Geschenk für sie sollte sein, sie immer mehr in die Bahnen der Kommerzialität zu drängen, um ihr Gewissen für sie zu entlasten, damit sie endlich ihrem langgehegten Wunsch des ungehemmten Geldverdienens frönen können.)
Was das hier Aufgelistete mit dem Conne Island zu tun hat, fragt ihr? Nun, grundsätzlich ist das, was uns umgibt, unser Lebenselixier. Und deshalb: nicht fragen - handeln!

Connewitz feiert friedlich ohne Conne Island
Die Überschrift suggeriert die Lokalisierung des Gewaltpotentials und es fällt uns nur ein, daß, wenn der Begriff des Pazifismus mit derlei lächerlicher Festivität, wie unter obigen Motto (ohne das „ohne Conne Island“, versteht sich) verbunden ist, wir wirklich auf Schritt und Tritt gewalttätig sein müssen. So far (zu deutsch: soo weit weg das Thema), so good. Auf zur nächsten Unfriedlichkeit:

Kreuzer und Conne Island empfahlen,
und alle haben alles kapiert, außer die, die meinten, die Veranstaltung zum Thema, ob der Stadtteil Connewitz eingeht oder nicht, hinge vom Stadtmagazin Kreuzer ab, nur, weil der Anschub für diese Veranstaltung der unsägliche Abgesang von der Connewitzer Szene eines traumatisierten Einzelheinzes darstellte. Von der Veranstaltung blieb dann zurück: Wenn Perspektive für Alternatives in Connewitz, dann nur zugunsten der - wirklich so benannten - „heiligen Dreifaltigkeit“ aus Sozialem, Politischem und Kulturellem.

Der Stand zum Abschluß eines neuen Vertrages mit der Stadt
Seit 1991 existiert bekanntermaßen ein Vertrag zwischen dem Conne Island-Trägerverein „Projekt Verein e.V.“ und der Stadt. Der Rahmen dieses Vertrages ähnelt dem von NaTo, Haus Steinstraße, Anker und Frauenkulturzentrum. Im Jahre 1996 läuft dieser Vertrag aus und es gilt, neue Konditionen für ein neues Vertragswerk auszuhandeln.

Fußend auf der Tatsache, daß alle genannten 5 Häuser gleichdatierenden und gleichlautenden Vertragsbedingungen unterliegen - als Begriff dafür hat sich „Modell freier Träger“ durchgesetzt -, existiert ein Zusammenschluß aller 5 Häuser, dessen Grundlage die gemeinsame Ausgangssituation ist und inhaltliche Differenzen berechtigterweise auf einem anderen Blatt geschrieben sieht. Gilt es nämlich, an diesem Punkt beide Dinge zu trennen. Die Zuspitzung einer inhaltlichen Auseinandersetzung, die gerade von uns als Conne Island ebenso immer wieder eingefordert wird und im Kasten zu diesem Artikel auch dokumentiert ist, und die Koppelung an eine sozusagen intern entstehende Hackordnung spiegelt dann nicht die Realität einer immerhin gegebenen Akzeptanz untereinander wieder. Insofern ist also ein gemeinsames Auftreten gegenüber der Stadt in punkto Vertragsneuverhandlung gegeben.
Durch das Kulturamt sind im Zuge der auszuhandelnden Verträge sachliche und wirtschaftliche Kriterien aufgestellt worden, anhand derer die Stadt die Abwägung einer Vertragswürdigkeit in ihren Augen vornimmt.
„Die etablierten fünf freien Träger haben mittlerweile eine Notsolidarität entwickelt, obwohl sie gar nicht in Not sind. Sie kämpfen darum, daß sie ihre Verträge behalten. Aber sie tun auch alles, damit niemand anderes in dieselben Vergünstigungen kommt. Sie könnten auch sagen: ‘Wir sind inzwischen mindestens zehn, die diese freie Trägerschaft in Anspruch nehmen könnten, zum Beispiel Mühlstraße, Geyserhaus, Buddehaus und wer da noch alles dazukommt. Und für die sind wir fünf jetzt einfach mal Lobby, denn wir sind die Soziokultur in Leipzig.’ Das wäre eine Zwecksolidarität, bei der jeder eigenständig weiterarbeiten könnte.“ So der O-Ton der Kulturamtsleiterin Kucharski-Huniat in der Juni-Ausgabe der „Zeitlupe“. Gerne wüde man demzufolge ein Stück Verantwortlichkeit der Verwaltung an die Vereine abgeben, um sich so einigermaßen den Rücken für eine nicht minder knallharte Entscheidung freihalten zu können, die mit Sicherheit mit der gefällten Entscheidung, Pro oder Contra, die wahre Konstellation verdeutlichen wird: Es geht hier nämlich in der Endkonsequenz ausschließlich um Kohle, die nicht im ausreichendem Maße vorhanden ist.
Was da gerne hintenrum eingefordert wird, widerspricht der Realität, wie sie die Stadt mit den Vertragsabschlüssen ‘91 selbst vorgegeben hat. Vorgegeben mit Vereinen, die unter anderen Vorzeichen auf der Matte standen, als die jetzigen.
Und genau diese Vorzeichen gilt es zu untermauern. So war es im Verbund der 5 freien Träger zum Beispiel angeraten, im Fachausschuß Kultur als dem politischen Gremium vorstellig zu werden, um dort quasi ein gewichtiges politisches Bekenntnis zu den 5 Häusern einzuholen. Dargelegt wurden die Intentionen, die uns für neue Verträge plädieren lassen, die Eigendarstellung anhand der vom Kulturamt aufgestellten oben genannten Kriterien und der Stand der bereits laufenden Vertragsverhandlungen, wie der bereits vorgelegte Entwurf eines Vertragsentwurfes (so richtig betitelt) und der zu erwartende Vertragsvorschlag von Kulturamtsseite selbst im September.

Ralf

Wir drucken hier den Redebeitrag, der zur Einleitung der Conne Island-Veranstaltung zum Tag der Soziokultur am 27.Mai gehalten wurde. Die Veranstaltung selbst war mit ca. 40 Leuten annehmbar besucht und wurde jedoch inhaltlich ziemlich schnell in Richtung ‘Wie können wir wo mehr Gelder bekommen’ verschoben. Nichtsdestotrotz wurden verschiedentliche Vereinsmenschen, die gut und gerne inflationär mit dem Begriff Soziokultur hantieren, mit einer inhaltlichen Ausrichtung konfrontiert, die sie zu gerne immer ausblenden, bzw. zu deren Ausblendung sie bisher nie kamen, weil ihnen die Dimension dieses Begriffes völlig unbekannt ist.
Gegenkultur als Grundlage von Innovation und Veränderung Soziokultur versus Hochkultur

Soziokultur als Begrifflichkeit hat seine Wurzel in der Tradition der 68er sozialen Bewegung der Bundesrepublik. Die Begriffsbestimmung funktioniert ohne existentielle Brüche bis heute.
Jedoch sieht sich die Soziokultur durch den Anschluß der DDR an die BRD einer Begriffsdehnung ausgesetzt, die berechtigtermaßen von der West-Soziokultur als eigenständiges Ost-Vehikel verstanden wird.

Im Vorwort zur Publikation „Soziokultur in Sachsen“ stellen die 3 sächsischen Minister, Dr.Hans Geisler (Soziales, Gesundheit und Familie), Friedbert Groß (Kultus), Pro.Dr.Hans Joachim Meyer (Wissenschaft und Kunst) fest: „Als Oberbegriff für sozialkulturelle Betätigung, die von Gruppen oder einzelnen Bürgern getragen wird, hat sich der Terminus Soziokultur eingebürgert.“ Genau da aber liegt der Knackpunkt. Der Ost-Begriff von Soziokultur hat sich also irgendwie „eingebürgert“. Er macht es möglich, daß sich in einem undifferenzierten Verhältnisbrei alle, die dies wollen, darunter versammeln können. Dieses Sammelsurium jedoch, bedeutet eine Rückgratlosigkeit, die Soziokultur zu einem hin-und hergerissenem Instrumentarium jeglicher coleur macht, ohne das Profil des Begriffes bewußt in Abgrenzung und Einschränkung perspektivisch wachsen lassen zu können.

In dem Arbeitsprogramm der LAG Soziokultureller Zentren und Initiativen Sachsen e.V. findet sich zum Profil soziokultureller Einrichtungen in Sachsen folgende Feststellung: „Soziokulturelle Einrichtungen sind nach ihrem Selbstverständnis Häuser, in denen eine Angebotsstruktur besteht, die verschiedene traditionelle Sparten und Rezeptionsformen einschließt...Typisch für die neuen Bundesländer ist es, daß soziokulturelle Zentren Aufgaben erfüllen, die in den alten Bundesländern von den Verbänden der Wohlfahrtspflege oder von Jugendorganisationen abgedeckt werden.“ Wenn die LAG in ihrem Arbeitsprogramm weiterhin einschätzt, daß die sogenannte „repräsentative Kultur“ -was nichts anderes als Hochkultur meint- ihre Basis größtenteils in den 18. und 19.Jahrhunderten hat und gleichzeitig meint, diesen antiquierten Status durch „Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Stellen des Landes, insbesondere des Sächsischen Staatsministerien“ aufheben zu können, irrt sie. An anderer Stelle nämlich stellt sie selbst fest: „Die LAG soll eine Vertretung GEGENÜBER der Landespolitik“ sein.
Es ist also auch praktisch ein Widerspruch in der Arbeit der LAG zu konstatieren, der einen Grauzonenzustand schafft. Auf der einen Seite die LAG als Interventionslobby- auf der anderen Seite als verlängerter Arm der Ministerien, der von denselben immer wieder zu Kompromissen genötigt wird.
Zur Begründung des Kulturentwicklungsplanes für Leipzig stellt der Kulturbeigeordnete Dr.Girardet fest: „In Leipzig stehen sich Hoch- und Basiskultur nicht so isoliert gegenüber, wie in manchen anderen Städten. Vielmehr gibt es ein bemerkenswertes Engagement der großen Häuser auch für die wichtigen Bereiche der freien Szene in ganz unterschiedlichen Formen.“ Damit beschreibt Girardet ganz bewußt den status quo, wie er bezeichnend ist für den Stellenwert der Soziokultur in Sachsen. Im selben Atemzug subsumiert er gleichmal

1 300 Vereine, die sich seit der sogenannten Wende in Leipzig gegründet haben, unter den Begriff Soziokultur. Und, er findet es „bewundernswert“, auf was er da „in Leipzig immer wieder trifft: Zähigkeit, Improvisationsbereitschaft und -fähigkeit, auch Bescheidenheit, Bereitschaft zur Selbstausbeutung und Solidarität.“
Nun ist es Tatsache, daß sich viele Vereine, die sich in Leipzig als soziokulturell bezeichnen, für diese Einschätzung auch noch mit einer Art Kniefall bedanken. Das jedoch bedeutet, den Bittstellerstatus als Anhängsel der Hochkultur -oder, wie Girardet meint, die Nicht-Isolation zwischen „großen Häusern“ und der Soziokultur, als perspektivisch festgeschrieben und unveränderbar anzusehen.

Im Gegensatz zur positiven Bezugnahme auf das Spezifikum Ost-Soziokultur, das in der Bestandsaufnahme Soziokultur Sachsen wie folgt dargestellt wird: „Berührungsängste gegenüber herkömmlichen bürgernahen Kulturvereinen oder Freizeitzirkeln kennt die Soziokultur Ost ebensowenig“, halten wir diesen Zustand für eine zu verändernde Situation, mit dem Ziel, die ebenfalls in der Bestandsaufnahme konstatierte „vorübergehende Stellvertreteraufgabe“ in Bezug auf Jugend- und Altenpflege, zu einem Sammelbecken für gesellschaftliche Gruppen mit einem nicht oder schwach ausgeprägten emanzipativen Status zu überführen und unter dem Begriff Soziokultur zu vereinen. Angefangen bei den bestehenden und sich entwickelnden Subkulturen, Schwulen und Lesben, Migranten, Frauen, Alten u.s.f. Ihnen gilt es, durch die Selbstdefinition soziokultureller Zentren als eben Soziale Zentren, die Möglichkeit einer Selbst-artikulation und -findung einzuräumen. Jedoch bedeutet diese Definition den Ausschluß und die Abgrenzung gegenüber Massen- und Hochkultur, die, abstrahiert betrachtet, immer staatstragend ist. Somit ist also festgestellt, daß sich soziokulturelle Zentren nach unserem Verständnis immer im gegenkulturellen Kontext bewegen müssen. Und so ließe sich auch die Frage, die in den „Thesen Soziokultur“ des Leipziger Kulturamtes -ja, man staune- gestellt wurde ( „Liegt die spezifische Alltagskultur nicht verstärkt in der Entwicklung eines positiven Gegenentwurfes?“) positiv beantworten und die im selben Atemzug vorgenommene Festellung: „Förderung wird Prioritäten setzen müssen, die überall dort liegen, wo Innovation konzeptionell verankert ist.“ -damit untermauern.

Auch wenn sich die Ost-Soziokultur auf die Spezifik ihrer Historie beruft, muß sie endlich begreifen, daß die Begriffsbesetzung einer um viele Jahre länger existenten West-Soziokultur von ihr nicht verschoben werden kann. Die administrative Struktur der Bundesrepublik wurde dem Osten übergestülpt und damit auch die Historie und Begrifflichkeit von Soziokultur. An diesem Punkt etwas revolutionieren zu wollen, ist eher lächerlich und hilflos. Und genau dieser Tatsache muß Rechnung getragen werden. Ein ominöses Sammelsurium, wie weiter oben näher kritisiert, führt zu einer Interventionsunfähigkeit und zur Degradierung als kulturelle Randerscheiung.
So suspekt dies auch klingen mag, der Herr Dr.Wilhelm Wummer aus dem Bundesministerium des Innern hat mehr begriffen, als mancher Soziokulturverfechter im Osten: „Der Vater der Soziokultur ist der Protest, ihre Mutter die Utopie.“
Wir wollen euch an dieser Stelle noch einige Essentials zur Perspektive soziokultureller Zentren mit auf den Weg geben. Sie sind der Publikation „Soziokulturelle Zentren- Stadterneuerung von unten“(herausgegeben von der Bundesvereinigung soziokultureller Zentren, 1993) entnommen:

  • Soziokulturelle Zentren geben ein wichtiges gesellschaftliches Signal für einen möglichen „dritten Weg“. Es sind Einrichtungen, die weder städtisch verwaltet (parteipolitisch kontrolliert) noch kommerziell orientiert sind.
  • Sie sind ein „anderer Ort“, ein Ort der Gegensozialisation, insbesondere für Kinder und Jugendliche.
  • Sie fördern und stärken die lokalen Szenen der selbstorganisierten Initiativen und Projekte und sind damit ein Fixpunkt in den örtlichen Bewegungsmilieus.
  • Sie sind Netzwerke und wichtige „Knoten“ in Vernetzungen
  • Sie stehen für eine „andere“ Kulturpolitik und sind (auch) ein Ort für widerspenstige, sich „sperrende“ Kunst.
  • Sie sind ein Forum für den Diskurs über gesellschaftliche Fragen und für die Entwicklung innovativer Problemlösungen, sie sind „Pfadfinder in der neuen Unübersichtlichkeit“
  • Sie sind ein Forum für Opposition gegen die herrschende Politik der Parteien und die von ihnen primär vertretenen Interessen
  • Sie schaffen über die Förderung von „Eigenaktivität“ (der Betroffenen) bessere Voraussetzungen für neue Formen der Partizipation an kommunaler Politik.
  • Sie heben das kulturelle Image der Städte und sind ein positiver Standortfaktor.
Papier aus dem Kreis des Conne Island
Leipzig, den 26.Mai, 1995


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last modified: 28.3.2007