home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[108][<<][>>]

Ein Jahr mit Dr. Westerwelle (Es ging vorbei)


    Because I’m scum / And I’m your son
    Robbie „the light“ Williams

    Guido Westerwelle ist doch keine Comicfigur. Den Mann gibt es wirklich.
    Georg Schramm

    Vor Westerwelle zittere ich von morgens bis abends.
    Wolfgang Schäuble

    So etwas geht an den Urschleim der Seele.
    Guido Westerwelle

Wenn die Rede auf einen Gehirn-Dildo namens Guido kommt (Jetzt mal kurz die Augen schließen. Hören Sie es? Summ, summ), dann ist wie neulich ein großes Hallo bei Tisch. Alle Anwesenden kannten mindestens eine Sottise des deutschen Scheitels. Bis der Genosse Wertkritischer Kommunist wieder Ruhe in den Haufen bekam, um in Diskurs-Lautstärke über den neuesten Coup des bis zur Hartleibigkeit habituell-halluzinogenen Heim & Herd-Historikers Guido Knopp zu referieren, dauerte es eine Weile. Unvergessen etwa jene an Massenszenen so reiche Dokumentation „So war es wirklich: Der Führer war’s, der Führer war’s“. Oder jener Mehrteiliger „Hitlers Hodenträger“. Mit vielen bekannten und beliebten Zeitzeugen an Originalschauplätzen. In der wöchentlichen Zusammenrottung irgendeiner Ilona Christiansen habe der Scheitel wieder einmal seine Führerhauptaufgabe deutlich gemacht: Henry Fords Buch „Der ewige Jude“ von 1920 sei eine Fälschung der zaristischen Geheimpolizei. Nun mag die Ochrana vieles gefälscht haben, das ZDF-Morgenmagazin, das Wunder von Bern oder die Resultate in der Endrunde des Zweiten Weltkrieges, aber das genannte Buch war aus historischen Gründen bestimmt nicht dabei. Dass der Scheitel die „Protokolle der Weisen von Zion“, die er wohl auch nicht kennt, gemeint haben könnte, könnte sein. Weniger Aufregung als vielmehr gähnende Spannung, furznasses Entsetzen, Arschrunzeln und Achselschweißfäulnis hingegen kommt auf, wenn der Name Guido Westerwelle fällt. Westerwelle ist eine Unterform der Gattung „Sabine Christiansen“, welche wiederum nur eine Ablegerin von Klaus-„so dumm, dass er nicht mal mehr quietscht“-Wowereit ist. Aber alle kommen aus der selben Spielkistenfraktion der Politikimitation.
Das zur Schau getragene Desinteresse an dem ehemaligen Generalsekretär der Freiheitlichen Partei Deutschlands beruht auf der Unfähigkeit, sich intellektuell-inhaltlich mit einem „Spaßvogel der Politik“ (WamS) in zivilgesellschaftlicher, besser: diskursanalytischer Weise auseinander zu setzen bzw. sich auf neue, völlig unbekannte Wege des Denkens, besser: Fabulierens einzulassen. Einer, der den Mut hat, sich nicht nur zu einer neuen Dimension quantitativer Hässlichkeit bezüglich seiner Anziehsachen und Umgangsformen zu bekennen, sondern auch sich immer wieder aufs Neue zu einer dezidiert sprachunkundigen Artikulationsweise hinab zu begeben. Und so wird er beständig bewusst missverstanden. Um es mit seinen Worten zu sagen: „Sofort wurde ich missverstanden. Das funktioniert in Deutschland wie ein Pawlow’scher Reflex.“ So als das Fernsehpublikum vor der letzten Bundestagswahl seine Tattoo-Schuhsohlen mit der Zahl 18 zu sehen bekommt. Vorverurteiler wussten sofort, dies sei das Synonym für die Buchstabenkombination A(dolf) H(itler). Derlei ist durch Sachlichkeit schnell zu wiederlegen – Westerwelle hätte sich in einem solchen Falle die 88 Prozent einbrennen lassen. Es handelt sich bei der geheimnisumwitterten Zahlenkombination „18“ wohl eher um den IQ des Kanzlerkandidaten. Was am Koffer das Adressschild, ist am „Juristen“ (FR) die Sohlen-18. Aha, sagt sich der ehrliche Finder, da weiß ich gleich, wo ich ihn abgeben muss. Ein letzter Anstoß, sich näher mit dem „Mitbegründer der Jungen Liberalen“ (Spiegel) zu beschäftigen, war der wohl tiefschürfendste, mithin anrührendste Satz des Jahres 2002. „Es muss in Deutschland möglich sein, Israel zu kritisieren“, so Guido-„ich bin stolz auf die Deutschen und ihre Leistungen“-Westerwelle als Stichwortgeber etwa für die ihm rhetorisch wie kopfinhaltsmäßig so ähnliche Menschenrechtlerin Claudia Roth, „ohne dass man von selbsternannten Tabuwächtern in eine bestimmte Ecke gedrängt wird, in die die FDP nicht hingehört.“ Trage diese auszugsweise Chronik eines Jahres dazu bei, dass ein Stück weit Vertrauen wachse.

„Die Amerikaner bleiben unsere Freunde“, da haben sie noch mal Glück gehabt, aber, „aber diese militärische Aktion ohne UN-Mandat kann die deutsche Politik nicht billigen.“ Weil Krieg im Irak machen tun ohne uns, das kann nicht gut gehen. Das klingt wie Willy Wimmer. Es ist der 1. April, der Tag der dummen Scherze. Ob Klarabella, die quietschende Radau-Kuh von Pro 7 oder Oliver Reinhardt, der Guido-„Mach mich den Führrrer“-Knopp der Sächsischen Heimat-Zeitung, alle sind unerträglich wie immer. Das intellektuell wie 18%er Spreewaldgurken-Likör anregende „Guidolein“ (JW Mölle) bzw. „Guidoleinchen“ (ich jetzt) macht den Pausenclown in der letzten Station vor der geschlossenen Abteilung, in der Welt. Die fragt: „Hat sich die Union in der Irak-Krise zu früh festgelegt?“ Jetzt kurz, hart und prägnant antworten. Pressen, Guidolein, pressen. „Nicht zu früh, sondern zu einseitig.“ Zu einseitig. Warum nicht am zu einseitigsten? Man steigert sich so durch. Der „Dr. Westerwelle“ (JWM) könnte sicher auch das Wort „verhungert“ zum Superlativ treiben: Verhungert, verhungerter, am verhungertsten. Die letztmögliche Steigerungsform von Möllemann lautet Westerwelle.

(Kleiner Einschub: Auch nicht schlecht will die Antwort auf die Frage erscheinen, was denn nun sein Erfolgsgeheimnis sei. „Immer mal öfter aufstehen, als man hinfällt – nicht nur im Sport.“ Es ist mit Körpern im Raum, der nie versiegenden Energie und anderen Raffinessen der Physik schon recht interessant. Aber dass einer „immer mal“ öfter aufsteht, als er hinfällt, erinnert an einen leider etwas vergessenen Sportskameraden. Rudolf Scharping, so er seinen Plasteschutzhelm nicht auf dem Körperaufsatz trug, fiel jedes Mal mit einer sympathischen Sicherheit vom Rad.)

Doch noch war der FDP-Chef erst im Vorzimmer, im August kommt er in die Klappse. Das Handelsblatt, ein Pflichtpapier für den Anlagebetrüger, nach erfolglosem, dafür aber 1A-megablödem Relaunch, hebt den professionellen Antisemiten-Versteher mit dem „Zitat des Tag“ ins Blatt. „Zu den immer neuen Rentenvorschlägen aus der Regierungskoalition“ raunzt es aus dem Blau-Gelben: „Es ist skandalös, wie jede Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird.“ Gut, der Versuch einer Metapher geht in elf von neun Fälle schief. Dieser hier aber ist so scheiße, dass er nur noch im Handelsblatt seine letzte verdiente Ruhestätte findet. Mitnichten hatte der Mann meinen wollen, was ihm so unsanft aus der Körperöffnung entfahren ist. Nicht wie, sondern dass jede Woche eine neue Sau durch die verschuldete Kommune getrieben wird, behagt dem Kassenverwalter nicht. Ein Hauch, wenn ich mich auch mal im Gleichnishaften versuchen darf, von Augiasstall lag über dem Wort.

„Es muss in Deutschland ein Bündnis geben, einen Aufstand der Anständigen einschließlich der richtig engagierten Gewerkschaftsmitglieder, weil wir nicht zusehen dürfen, wie dieses Land zur Beute von Funktionären wird.“ Auch in dieser Rede an die Gemeinde einige Monate zuvor hat der Mann ohne Eierschalen wohl gemeint, dass dieses Land nicht zur Beute wird, wenn er wie sagt. Aber will er tatsächlich einen Aufstand der Anständigen? Treiben Funktionäre verhärmte FDP-Vorsitzende und andere anders Nichtdenkende mit Knüppeln durch die Straßen, zünden ihnen gar die Dachfirsten ihrer Erdhütten an? Was ist zu tun? „Was bringt Deutschland aus der Krise?“ (Sabine Christiansen). Und wer sind denn recht eigentlich diese Funktionäre?
Diese substanziellen Fragen zu klären, gibt eine in Frankfurt erscheinende Rundschau, die beweisen will, dass sie die Millionen-Bürgschaft der Koch-Regierung verdient, dem selbstdrehenden Guido-Mobile eine knappe halbe Seite. Was sich in einer von Antifaschisten gegründeten Zeitung wie eine Abschreibübung des „Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit“ vom 20. Januar 1934 liest, ist zwar inhaltlich fast deckungsgleich, nur schlechter formuliert. Hier die wichtigsten Auszüge:
„Die Macht einer der größten Gewerkschaften in Europa ist gebrochen. Sie zerbrach am fortschreitenden Realitätsverlust der Funktionäre an ihrer Spitze und an dem Willen der Ostdeutschen, sich nicht länger funktionärisch bevormunden zu lassen. Diese Funktionäre haben ... einen sinnlosen Streik vom Zaun gebrochen ... Die Macht der Funktionärsspitze der IG Metall ... Diese Macht haben diese Funktionäre missbraucht ... den Streik nicht vom Zaun gebrochen, um eine Verbesserung der Lebensumstände zu bewirken ... Gewerkschaftsspitze ... fortschreitenden Bedeutungsverlust der Organisationsmacht der IG Metall ... Streik gegen die Interessen der Mitglieder; ein Streik für die persönlichen Machtinteressen der Streikführung ... und damit die Macht ihrer Funktionärsspitze ... Funktionärsspitze ... Gewerkschaftsspitze. Dies war ein Streik gegen das Land. Niemand wollte mehr an den Popanz 35-Stunden-Woche glauben ... Schaden für Deutschland ... Luxus-Streik ... Funktionäre ... haben dabei übersehen, dass ihre Mitglieder derzeit keinen Gedanken an Luxus verschwenden können ... Gewerkschaftsfunktionäre ... ‘die da oben’ in den Gewerkschaftszentralen ... die Gewerkschaftsfunktionäre das Restvertrauen, das für die noch vorhanden gewesen sein mag, verspielt. Jetzt ist der Blick frei für die Partnerschaft, die vielfach in deutschen Unternehmen zwischen Mitarbeitern und Betriebsleitung gepflegt wird. Dieses muss ausgebaut und vertieft werden ... Die Angst der Menschen um ihren Arbeitsplatz hat sie nicht irrational werden lassen ... in den Betrieben (und mit den Betriebsleitungen), in denen die verwurzelt sind, zu deren Wohlergehen sie durch ihre Arbeit beitragen und in denen ein Vertrauensverhältnis zwischen Beschäftigten und Arbeitsgebern besteht, das nur Funktionäre nicht wahrhaben wollen ... Der Streik hat gegen das Gemeinwohl verstoßen ... Kampf um die Entmachtung der Gewerkschaftsfunktionäre fortgesetzt werden. Das heißt für mich, dass deren Zugriff auf die Betriebe eingedämmt werden muss ... Funktionären ... Wo die IG Metall geschwächt wird, entsteht Freiraum für eine neue, nicht länger fremdbestimmte Definition des Verhältnisses von Mitarbeitern zu ihren Arbeitgebern. Ich freue mich auf diese unabhängigen, starken und partnerschaftlich denkenden Betriebsräte ... Der VW-Arbeiter in Dresden weiß nun einmal durch seinen letzten Wochenendausflug nach Tschechien, dass Globalisierung nichts ist, was erst in Indien stattfindet, sondern bereits 40 Kilometer von Zuhause entfernt beginnt ... Ich will Gewerkschaften, die stark sind, weil sie die Realität und das Gemeinwohl kennen und schützen. Das ist die beste Arbeitnehmerpolitik.“
Solange aber Abzocker wie Florida-Rolf auf Kosten des ehrlichen Arbeitsmannes „auf Mallorca am Pool oder in Florida schmarotzen“, geht gar nichts, erklärt Westerwelle einige Wochen später. Metaphernstark ist auch hier seine ökonomische Analyse. „Sozialhilfe unter Palmen ist doch nur die Spitze des Eisbergs.“ Aber gegen diese „Trittbrettfahrer des Sozialsystems“ hilft die Aussonderung. „Jeder Sozialhilfe-Empfänger muss, soweit er nicht krank oder pflegebedürftig ist, zur Umschulung, Weiterbildung oder gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Wer dazu nicht bereit ist, bekommt keine Sozialhilfe mehr. Nur so lässt sich die Spreu vom Weizen trennen.“ Und das lebenswerte vom anderen Leben scheiden. So schön das wäre, bleibt es nur ein Traum, denn „die deutsche Politik trägt mittlerweile Züge der Dekadenz.“ Bei aller sympathy for the devil, aber was lässt den Förderer der Conny Piepmatz, einer eingetragenen Krawallhutschachtel aus Sachsen-Anhalt, derlei eklatant wagemutige Formulierungen auf die papierne Unterlage sülzen?
„Ich habe nichts gegen Gewerkschaften“, räumt Westerwelle im Mai öffentlich in einer Grundsatzrede einen seiner großen Nachteile ein. „Aber ich möchte die Entmachtung von Gewerkschaftsfunktionären, die die Interessen der Arbeitnehmer längst verraten haben.“ Wer hat sie verraten? Insbesondere diese, diese, „diese Frau“, er meint die DGB-Funktionärin Ursula Engelen-Käfer, „ist für mich die Inkarnation des Klassenkampfes des 19. Jahrhunderts. Und solche Leute gehören entmachtet.“ Wieder eine Arbeitslose mehr. Ob das gut ist für Deutschland? Wie schaffen wir denn nun Arbeitsplätze? „Wir brauchen Neuwahlen, brauchen einen Neuanfang – das ist das Beschäftigungsprogramm für Deutschland.“ Was mit dieser Bundesregierung kaum zu machen sein dürfte, denn „diese Regierung führt uns in die ungeplante Planwirtschaft.“

Wo so viel ungebremster ökonomischer Sachverstand des pekinesischen Prachtparteien-Parvenü für unser Land waltet, kann die Zukunft nur noch dufte aussehen, was sich durch einen Blick in die Parteikasse bestätigt. Schatzmeister Rexrodt legt dar, dass trotz des Absinkens des Nettovermögens von 17,3 Millionen € auf aktuell 8,4 Millionen Miese, allein im letzten Jahr ein „Rekordverlust von 5,7 Millionen“ (dpa) bzw. „ein Defizit von 5,6 Millionen Euro“ (ddp), und der unsozialistischen Zahlungsmoral, 1,7 Prozent der Mitglieder zahlen keinen und ein Drittel nur den Mindestbeitrag von 6 € im Monat, durchaus nicht alles verloren ist. Zumindest nicht überall. Im Vogtland gab zumindest eine Gruppierung ihre Auflösung in Folge der Finanzschwäche, die auf mangelnder Zahlungsmoral gründet, bekannt.
In seiner Sprachkraft und -fülle erinnert der „Politiker“ (FAS) und mithin seine Blau-Gelben etwa an das Frühwerk von Wolf Biermann. So an jenes Lied, in dem die Partei immer mal wieder einen „Fuuuuuuß“ (Biermann) sich abhacken tat. Diese Kompetenz-Kongruenz zwischen Wolle und „Guido Westerwelle“ (Spiegel) mag der Hamburger Illustrierten der Anlass für die Idee gewesen sein, seinen Lesern den privaten FDP-Mann zum ausgehenden Schreckensjahr näher zu bringen. „Guido Westerwelle setzt sich in einen Sessel, der vor dem Kamin steht, hinter ihm hängt ein Gemälde von Norbert Bisky. ‘Interessieren Sie sich für Kunst?’, fragt er.“ Allerdings, antwortet der Spiegel-Mann leider nicht, aber mit ihrem seit Jahren andauernden Norbert Bisky- und Tim Eitel-Kunstgetue gehen Sie mir aber so was von auf die Nüsse. Bisky, dieser inhaltsfreie Kopist. Hat man eines seiner Bilder gesehen, hat man alle gesehen. Eine Kopie einer Kopie einer Kopie eines Patchworks. Fein abgeschmeckt mit einem Hauch faschistoiden Kitsches...

Da all das der Mann aus Hamburg nicht sagt, aber auch nichts fragt, stell ich mal die aus der FAS entwendete Abschiedsfrage: Ihre gegenwärtige körperliche Verfassung? „Leicht angegrippt.“ Danke, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.

Gunnar Schubert

Und in zwölf Monaten an dieser Stelle: In den Fängen eines Judenbengels. Wie mich der Mossad-Provokateur Werner Pirker einmal ganz schön nasweiste.

home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[108][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007