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Leserbrief zum Artikel „Nation und Pop. Konzertverbote im Leipziger Conne Island häufen sich“ von DSe in ak 480/2004 (16.01.2004), S. 26

Pop und Panik


Schwachsinn über das Conne Island in analyse & kritik häuft sich


Der ak-Musikredakteur DSe hat in der letzten Ausgabe zum wiederholten Male über die Konzertpolitik des Leipziger Kulturzentrums Conne Island berichtet. Was der Grund für seine Panik-Attacken („Konzertverbote im Conne Island häufen sich“) ist, darüber wollen wir nicht weiter spekulieren.(1)

Als erstes zu den formalen Fehlern des letzten Artikels:
  1. Cee Ieh ist nicht „die offizielle ... Abkürzung“ für das Conne Island, sondern „CEE IEH Newsflyer“ ist der Name einer Zeitschrift, die vom Conne Island herausgegeben wird. Das CEE IEH hat eine autonome, d.h. vom Conne Island unabhängige Redaktion und die Texte geben nicht in jedem Fall die Meinung des Conne Islands wieder.
  2. Es gibt keine „Liste“ unspielbarer Bands für das Conne Island. Insofern kann „Mellow Mark“ auch nicht auf dieser stehen. Richtig ist, dass „Mellow Mark“ für ein antiamerikanisches Lied im CEE IEH kritisiert wurde. (CEE IEH #100)
  3. Cee Ieh erinnert uns nicht an CIA. Wenn es aber für DSe so klingt und er deswegen schreibt, dass es bei uns „durchaus ein Kokettieren mit dem Kürzel des US-Geheimdienstes zu geben“ scheint, dann beweist er nur, dass sich zu seiner Panik noch der Wahn gesellt. Aber er hat sich noch halbwegs im Griff: Dass wir vom CIA finanziert sind, enthüllt er sicherlich erst in einer der nächsten Ausgaben des ak, wenn wir noch weitere „Konzertverbote“ gegen seine Lieblingsbands verhängt haben.(2)
  4. Da wir weder ein Geheimdienst noch eine staatliche Zensurbehörde sind, verhängen wir auch keine Konzertverbote. Jede/r KonzertveranstalterIn bucht Bands, die ihr/im gefallen oder Kohle bringen. Und ist weder den MusikerInnen noch dem Publikum der Rechenschaft verpflichtet. So auch bei uns – und insofern sind wir ein stinknormaler Veranstaltungsort. Was als besonderes beim Conne Island hinzukommt, ist die Tatsache, dass wir neben persönlichen, finanziellen und „ästhetischen“ Interessen politische Gründe bei der Bandauswahl berücksichtigen. Dabei sind wir sehr großzügig und zurückhaltend, agitieren weder Bands noch Publikum. Mit einigen MusikerInnen führen wir Interviews,(3) unsere Statements liegen am Einlass zum Mitnehmen aus, bekannte Nazis kommen nicht rein, bedenkliche Kleidungsstücke müssen abgelegt werden, 50 Cent vom Eintritt dienen der Unterstützung antifaschistischer und antirassistischer Arbeit.(4) Doch manchmal reicht dies nicht aus, weil unsere politischen Bedenken überwiegen. In dem Fall wird auf dem Conne Island-Plenum – und meist sehr kontrovers – diskutiert, wie wir verfahren wollen. Die Diskussionen stützen sich dabei nicht allein auf die Band-Texte, sondern auch auf den (Rezeptions-)Kontext (wie z.B. Herkunftsland, Geschichte und Entwicklung der Band, Musiksparte, erwartetes Publikum). Als Ergebnis kommt dann meist heraus, dass wir der jeweiligen Band unsere Bedenken mitteilen, sie bitten, bestimmte Lieder nicht zu spielen, oder dass wir ein Interview über ihre Texte führen wollen. So war es z.B. bei Fink. Dass Fink keinen Bock hatte, mit uns zu diskutieren, ist ihr gutes Recht. Allerdings haben wir nie gesagt, dass sie nicht bei uns spielen dürfen.(5) Bei Mia sah es anders aus: Die von ihr unterstützte deutschtümelnde Initiative angefangen.de und die dazugehörenden Liedtexte führten zu einer Ausladung (und keinem Konzertverbot: Das geplante Mia-Konzert fand in Leipzig am gleichen Tag in der moritzbastei statt, wo sie leider nicht – wie in Berlin geschehen – mit Obst beworfen wurden) sowie einer ausführlichen Kritik an den Nationalisierungstendenzen im deutschen Pop (CEE IEH #105). Analog war die Verfahrensweise bei der Band Rubberslime (CEE IEH #106).
Nun zum inhaltlichen:

„... Verharmlosung des Nationalsozialismus, Deutschtümelei und Antiamerikanismus – dies sind die Vorwürfe [gegen Fink], mit denen nahezu automatisch auch der Antisemitismus-Verdacht transportiert wird.“ Mal abgesehen davon, dass wir Fink nicht des Antisemitismus verdächtigt haben, so ist doch interessant, dass hier – fast in Walser-Manier – beklagt wird, dass es da immer noch das Totschlagargument des Antisemitismus gäbe. Wir transportieren überhaupt keinen Antisemitismus-Verdacht, sondern konstatieren nur, dass Antiamerikanismus, Nationalismus und Antisemitismus oft (aber nicht zwangsläufig) Hand in Hand gehen. Ob das eine neue Erkenntnis ist, auf die wir stolz sein können? Wohl kaum.

Wir würden über das Ziel, welches DSe wenigstens ansatzweise zu teilen scheint, hinausschießen. Wir halten dagegen, dass z.B. unser Text gegen Mia ein Volltreffer war. Wir waren eine der ersten, die sich inhaltlich mit Mia auseinandergesetzt haben. Die Jungle World druckte den Text nach und führte eine Veranstaltung zum Thema durch, andere Gruppen riefen mit Bezug auf unseren Text zur Störung von Mia-Konzerten bzw. der „Aufklärung“ des Publikums auf, unzählige positive wie negative Reaktionen auf unseren Text bewiesen, dass es richtig, angemessen und notwendig war, Mia auszuladen und zu kritisieren. Die vorgeschlagene Alternative von DSe, doch einfach nur ein „Statement vor dem Konzert“ abzugeben, wird in anderen Fällen auch von uns praktiziert – und ist meist recht wirkungslos.

„Irritierend aber ist, dass das CeeIeh keine Kritik an der US-Politik zuzulassen scheint. Bemerkenswerte Gründe, warum der Angriff der USA auf den Irak abzulehnen war und ist, gibt es für das CeeIeh scheinbar nicht – jedenfalls ist dazu in den zahlreichen Statements nichts zu finden“. Kritik an der US-Politik ist nicht unerwünscht – und zwar als Bestandteil einer Kritik an der kapitalistischen Verfasstheit dieser Welt. Antiamerikanische Ressentiments von Leuten, die ihren Frieden mit Deutschland gemacht haben und alles Böse auf Ölmagnaten, die jüdische Lobby, den vermeintlich dummen Bush projizieren, würden wir gern nicht zulassen wollen – allerdings könnten wir dann gleich dicht machen. Deswegen pissen wir ab und zu die Auswüchse des Antiamerikanismus an. Es gibt keine Statements vom Conne Island-Plenum zum Irak-Krieg selbst – das ist richtig. Die Unterstellung, wir würden womöglich sogar den Krieg gut finden, stimmt nicht. Das Conne Island als solches ist zu heterogen, um sich auf eine gemeinsamen Stellungnahme einigen zu können – zumal wir uns als Plenum nicht primär zu weltpolitischen Themen äußern, sondern mit unseren Statements die Kriterien für unsere Veranstaltungen transparent machen wollen.
Im CEE IEH hingegen gab es das ganze letzte Jahr eine Auseinandersetzung zum Irak-Krieg mit unterschiedlichen Positionierungen, geführt von verschiedenen AutorInnen und politischen Gruppen. Insofern haben wir maßgeblich zur Leipziger Diskussion über den Irak-Krieg beigetragen.
Die oben zitierte Behauptung ist aber schon allein deswegen eine Frechheit, weil selbst in unserer Erklärung zum Antiamerikanismus, auf die sich DSe bezieht, klar und deutlich gesagt wird: „Sicherlich haben die Vereinigten Staaten von Amerika keine weiße Weste, genauso wenig wie George W. Bush ein Waisenknabe ist. ... Wenn amerikanische Bands ihr berechtigtes Anliegen gegen die USA vortragen, ist das keine Berechtigung für deutsche AntiamerikanistInnen, diese Bands als Legitimation für ihre Argumentation zu verwursteln.“ (CEE IEH #99)

In einer weiteren Passage wird uns vorgeworfen, dass nach unserer Auffassung „also jede/r ‚Fuck-Bush’-GröhlerIn mindestens antisemitisch [sei] und ... eventuell sogar ein Nazi.“ Das halluziniert sich DSe zusammen, um uns bei seiner LeserInnenschaft, die er für anti-antideutsch hält, zu denunzieren. Behauptet haben wir das nirgendwo. Was uns jedoch erschrocken hat, war die Tatsache, dass große Teile unseres Publikums im Gegensatz zu der sonst an den Tag gelegten Gelassenheit jedes Mal euphorisch in die „Fuck Bush“-Rufe von der Bühne einstimmten und dabei mehr Begeisterung zeigten, als bei den „Zugabe“-Rufen. In dem Wissen, dass „Fuck Schröder“-Rufe von der Bühne auf nur verhaltene Zustimmung, wenn nicht gar Ablehnung stoßen würden, maßen wir uns an, dieses Verhalten als antiamerikanisch zu titulieren. Gleiches gilt auch für die kritisierten Texte der Bands Fink und Rubberslime.(6) Den Nazivorwurf haben wir damit nicht ausgeteilt. Wer also wissen will, was wir in Wirklichkeit geschrieben haben und warum wir bestimmte Bands nicht bei uns spielen lassen wollen, die oder der kann alle Texte unter http://www.conne-island.de nachlesen.

Conne Island Plenum
Leipzig, den 19.01.2004

Fussnoten:
(1) Nur in einer Fußnote wollen wir enthüllen, dass die von DSe betriebene Agentur (www.rock-links.de) auch Fink im Programm führen will und er deswegen persönlich schwer davon betroffen ist, dass das Conne Island der Band wegen dem Lied Bagdad Blues (http://www.rock-links.de/gruppen/fink/b-blues.html) Antiamerikanismus vorgeworfen hat.
(2) Der Leipziger Ermittlungsausschuss hieß übrigens Jahre lang KGB. Wird DSe auch die stalinistischen Verstrickungen der Leipziger Szene auf’s Korn nehmen?
(3) So beklagen die Beginner, dass saubere Sanitäranlagen in linken Jugendzentren als spießig, wenn nicht sogar als „faschistoid“ angesehen werden (CEE IEH #105), und Rocko Schamoni erklärte uns, dass er das Lied „Sei gegen den Staat“ gar nicht so meinte, wie es klingt (CEE IEH #106).
(4) Zur Auseinandersetzung über die sogenannte Antifa-Mark (bis 2001) mit dem Finanzamt siehe kampagne.conne-island.de
(5) Fink schreibt das auch so auf der eigenen Homepage. Das mit dem Konzertverbot hat sich also DSe ausgedacht – oder seine ZuträgerInnen.
(6) Dies wird ausführlicher in unseren jeweiligen Statements erklärt. Kann aber z.B. auch in dem Buch „Nichts gegen Amerika. Linker Antiamerikanismus und seine lange Geschichte“, welches in der ak 479/2003 positiv besprochen wurde, nachgelesen werden.


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last modified: 28.3.2007