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Freedom Fighters!?


Amulet

Nachts halb drei in einer Taverne: „Die Zeiten, in denen ausschließlich Amis die verrücktesten und krassesten Skater der Welt stellten, sind echt vorbei. Ja, und im Punkrock ist ein ähnlicher Trend zu beobachten. Europa hat echt aufgeholt und kann inzwischen auch mit abgedrehten ‘sick people’ (Lob im Jugendslang, also positiv gemeint – meine Deutschlehrerin hätte von Gossenjargon gesprochen) aufwarten.“ Ungefähr so fassten zwei Trunkenbolde (Gruß an dieser Stelle) eine rege Diskussion über ihre Freizeitbeschäftigung zusammen. Diesem Resümee kann ein gewisser Wahrheitsgehalt sicher nicht abgesprochen werden, doch bezugnehmend auf die Analyse des Punk/HC würde ich doch ganz gerne konkretisieren. Es sind die Skandinavier, die den Amis in punkto Musik das Wasser reichen können. Neben unzähligen Burning Heart-Größen gehören sicher auch Amulet zu dem angesprochenen Kaliber. Fünf Norweger, die früher schon „den derzeit angesagten“ Emocore spielten, doch dann „haben wir uns in eine andere, viel härtere Richtung verändert, weil uns der alte Sound irgendwann gelangweilt hat.“ Der aktuelle Longplayer „Freedom Fighters“, sowie das Debüt „The Burning Sphere“ zeugen eindrucksvoll von dieser Entwicklung. Man neigt dazu anzunehmen, Amulet hätten ein Refused-Praktikum hinter sich gebracht und gleichzeitig einen Abschluss der Turbonegro-Highschool in der Tasche. Zufrieden sind Amulet aber immer noch nicht: „Wir versuchen ständig, neue Ausdrucksmöglichkeiten zu finden, was uns auch von den meisten Bands unterscheidet. Wir sind schon wieder von unserem Sound gelangweilt.“ Mit etwas Boshaftigkeit könnte man ihnen hier unterstellen, die allgemeine Erfolgsformel zum Plattenverkauf noch nicht gefunden zu haben, andererseits – was ich für wahrscheinlicher halte – haben wir es mit Perfektionisten zu tun. Selbstkritisch sind sie also und mit ihren HörerInnen gehen sie ähnlich hart ins Gericht: „Man muss sich mal vor Augen halten, dass sich die Kids heutzutage über die verschiedenen Szenen ihre Identität beschaffen. Diese Musikrichtung gehört zu diesen Schuhen und diesen Pants. Das hat teilweise nichts mehr mit Liebe zur Musik zu tun, sondern mit dem Kauf eines ganzen Identitätspakets.“ Gut beobachtet, doch die Reaktion „auf der Bühne trage ich das Outfit eines Pakistaners, um mich von dem Outfit-Scheiß zu distanzieren“ lässt zu wünschen übrig, macht aber deutlich, dass man einen Anspruch an seine Fans formulieren möchte. Plattentitel und -texte sowie einige darin enthaltene Illustrationen, legen außerdem den Verdacht, es mit einer politischen Band zu tun zu haben, nahe. „Nicht direkt, aber indirekt schon irgendwie, weil wir ja auch politische Lieder im Repertoire haben. Unser Album ist auf jeden Fall musikpolitisch motiviert, weil wir versuchen, aus dem klaustrophobischen Underground-Ghetto auszubrechen, wobei wir natürlich einige Regeln und ungeschriebene Gesetze brechen.“ Zum Beispiel das Underground-Gesetz des Freistaates Bayern. „Wir sind halt während des Berufsverkehrs von einer dieser Brücken in den Rhein gesprungen, was einige Passanten wohl als kollektiven Selbstmordversuch interpretiert haben. Die haben dann die Polizei gerufen, die uns dann erst einmal eingesperrt hat. Ich wusste ja nicht, dass das Springen von Brücken verboten ist. Die haben uns in nassen Unterhosen bis in den Club verfolgt – das musst du dir mal vorstellen!“
Somit haben Amulet auch noch den Beweis angetreten, dass Punkrock nach wie vor die schönsten Geschichten zu erzählen weiß. Und auch wenn Hannes & Leila im letzten CEE IEH die Subkultur als Teil der Kulturindustrie erfolgreich enttarnt haben, ist sie mir allemal lieber als eine konservative, sexistische und spießige Massen-, Pop-, Hochkultur. Gleiches gilt für das Verhältnis der Waren Amulet-LP und sagen wir mal Telekom-Aktie.

„I am not the kind to win and win. No, I am not that kind. (i hate myself)“

Biene

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last modified: 28.3.2007