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Stellungnahme des Conne Island zu den antisemitischen Reaktionen auf den Nahost-Konflikt


In Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten kam es in den letzten Monaten in Europa zu einem dramatischen Anstieg antisemitischer Vorfälle. Auch in Deutschland häuften sich in den letzten Wochen antiisraelische und antijüdische Ausbrüche. Unter der Verwendung antisemitischer Rhetorik und Symbolik demonstrierten Palästinenser, deutsche Politiker, Nazis und Linke vereint für die »Solidarität mit dem palästinensischen Volk«. Im Verlaufe dieser Demonstrationen kam es zu zahlreichen Übergriffen. Am Rande einer propalästinensischen Kundgebung wurden auch in Leipzig Menschen, die ihrer Sympathie mit Israel offen Ausdruck verliehen, tätlich angegriffen. In Berlin wurde am 16. März 2002 eine mit Hakenkreuz versehene israelische Flagge verbrannt, während zeitgleich der Ruf »Juden raus!« durch die Straßen hallte. Veranstaltungen, die zur Solidarität mit Israel aufriefen, wurden gewalttätig angegriffen oder mussten vorzeitig abgebrochen werden, da die Sicherheit der TeilnehmerInnen nicht garantiert werden konnte. Bundeskanzler Gerhard Schröder gab jegliche deutsche Selbstbeschränkung auf und dachte laut über eine Beteiligung der Bundeswehr an einer »internationalen Schutztruppe« nach, welche in Israel zu stationieren wäre. Andere deutsche Politiker gingen weiter und sprachen von Israel als einem »Terrorstaat«, der einen »Vernichtungskrieg« gegen die Palästinenser führen würde und legitimierten – wie im Falle des FDP-Politikers Jürgen Möllemann – die palästinensischen Selbstmordattentate auf israelische Zivilisten.
All dies sind alarmierende Beispiele. Für ein linkes Projekt wie das Conne Island verbindet sich damit ein weiterer Gesichtspunkt, rekrutiert sich die antiisraelische Welle doch zu einem Großteil aus sich selbst links verstehenden Kreisen. So ist in den letzten Wochen verstärkt zu beobachten, wie weite Teile der linken Szene teils unter dem Deckmantel des Antizionismus, teils offen an antisemitische und völkische Argumentationen anknüpfen. Gilt allen Linken und Antifaschisten der Ruf »Deutschland den Deutschen!« aus gutem Grund noch immer als rotes Tuch, so ist es für große Teile scheinbar kein Problem, ein »Palästina den Palästinensern!« zu fordern. Dass diese Forderung in die Tat umgesetzt die Auflösung Israels bedeuten würde, scheint für sie vor dem Hintergrund, dass die Israelis die »natürliche Heimat« der Palästinenser besetzt halten würden, irrelevant. Folgt man dieser Logik, geben sich Nazis und Antifaschisten argumentativ die Hand, um mit gleichem Bezug auf Heimat und Volk für das unterdrückte »palästinensische Volk« und gegen die »jüdisch/israelischen Unterdrücker« zu streiten. Dem Staat Israel als partielle Konsequenz deutscher Geschichte und als einzig existierender Rahmen, der jüdischen Menschen Schutz und die Möglichkeit bietet, sich gegen Unterdrückung und Vernichtung zu wehren, wird somit das Existenzrecht abgesprochen. Unserem Verständnis nach verbietet es sich für alle Antifaschisten und Linke auf Grundlage dieser »Blut-und-Boden«-Argumentation Position gegenüber Israel zu beziehen.
Dem Conne Island geht es mit dieser Erklärung nicht – und das ist deutlich zu trennen –, um eine Bewertung des Konfliktes zwischen dem Staat Israel und den Palästinensern. Die Auseinandersetzung darum ist anderswo ausführlicher und besser nachzulesen.(1) Vielmehr bezieht das Conne Island eine klare Position gegen die derzeitigen antisemitischen und völkischen Reaktionen im In- und Ausland, insbesondere in der bundesdeutschen Linken. Daraus ergeben sich für uns konkrete Maßnahmen. Für das Conne Island, welches sich Zeit seines Bestehens in antifaschistischer Tradition sieht, sind derartige Argumentationen und Äußerungen, die in der Konsequenz die Existenz Israels in Frage stellen, untragbar. Ebenso verwehren wir uns gegen jegliche Form der Solidarität mit den Palästinensern auf der Basis völkischer, antizionistischer oder antisemitischer Argumentationen. In Zukunft wird das Conne Island deshalb derartige Äußerungen nicht mehr dulden, egal ob sie in verbaler oder symbolischer Art und Weise vorgetragen werden. Konkret fällt für uns darunter auch das Tragen von »Palästinensertüchern«. Wem die inflationäre Verwendung dieses Kleidungsstücks durch die Nazis noch nicht als Gegenargument ausreicht, dem sei ein weiteres Mal die ursprüngliche Bedeutung dieses offiziellen Symbols des »Kampfes gegen Israel« vor Augen geführt: Von der palästinensischen Führungsriege und deren »arabischen Brüdern« wurde es nach der israelischen Staatsgründung 1948 mit der Parole ausgegeben, es solange zu tragen, »bis die Juden ins Meer getrieben sind«. Dem jahrelangen antifaschistischen Grundsatz des Conne Island folgend, ist es unser Ziel, klare Grenzen zu ziehen und dem Antisemitismus keine Chance zu geben, insbesondere dann, wenn er sich als linke Gesellschaftskritik zu tarnen versucht.

Leipzig, den 29. April 2002
Das Conne-Island-Plenum

Fußnote:
(1) Einen Stand der Diskussionen bieten die aktuellen Ausgaben des CEE IEH-Newsflyers bzw. Veranstaltungen zum Thema, u.a. des Leipziger Bündnis »Es geht um Israel«.


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last modified: 28.3.2007