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Opium des Volkes

Im Rahmen des Theorie-Cafés wurde am 18.01.02 der Film „Das Leben des Brian“ (Monty Python) gezeigt, wonach eine Sammlung von Fragen zu Religion und deren Kritik verteilt und diskutiert wurden.

Brain, 14.4k Nach dem Film erscheint christlich-religiöses Denken als „System von Wunschillusionen mit Verleugnung der Wirklichkeit“ (S. Freud), es soll aber herausgefunden werden, warum der Mensch den Glauben an Erlösung braucht und will und was damit angestellt wird, was durch die folgende Szene verdeutlicht wird:

Brian: „Ich bin nicht der Messias“
Eine Frau aus der Menschenmenge: „Nur der wahre Messias leugnet seine Göttlichkeit“
Brian: „Na gut, ich bin der Messias“
Menschenmenge: „Er ist es!“

Verschleiert Religion die gesellschaftlichen Verhältnisse und bedarf deshalb der Kritik? Ist Religion als von Menschen geschaffener Lebensglaube und -sinn das Opium für die Gläubigen, und gehört abgeschafft, weil sie den Sinn für die Realität verschleiert, oder ist Religion das Opium des Volks, und spiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse richtig wieder?

Marx schreibt dazu (Hervorhebungen wie Original): „Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.“ (Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung)

Bringt die Religion tatsächlich „... einerseits Zwangseinschränkungen, wie nur eine individuelle Zwangsneurose“ und „enthält sie andererseits ein System von Wunschillusionen mit Verleugnung der Wirklichkeit, wie wir es isoliert nur bei einer Amentia, einer glückseligen halluzinatorischen Verworrenheit, finden“, (S. Freud: Zukunft einer Illusion) oder muss differenziert werden unter den verschiedenen Religionen, um sich Möglichkeiten einer realen, paradiesischen Verwirklichung herauszusuchen? Dafür spricht, dass Religion unmittelbar zum Prozess der Aufklärung des Menschen gehört, welche wiederum religiösen Charakters (das Licht der Aufklärung) ist. Zum einen, indem sich von Mythen und dem Totemismus getrennt, zum anderen indem die Entwicklung der bürgerlichen und protestantischen Gesellschaft durchgesetzt wird (siehe Luther, Arbeitsethos im Sündenfall).

Zuletzt möchte ich an einen Artikel im CEE IEH #82 anschließen (Zurück in die Zukunft – Für eine parteiische Religionskritik), der die These beinhaltet, „emanzipatorisch denkende Menschen“ würden die „Verschiebung der Wünsche und Sehnsüchte hinter den eigenen Tod“ verhindern wollen, um das menschliche Glück auf Erden umzusetzen. Daher sei „kommunistische Kritik säkularisiertes Judentum“. Der Glaube an ein abstraktes, das menschliche Wesen nicht verwirklichende, Prinzip vereine die Menschen und rege sie zu vernünftigem, diesseitsorientiertem Denken an. „Gott, die Natur und Adam bilden eine wirkliche Familie. (...) Die Völker sind geschichtlich in Adam vereint, psychologisch in der Gegenwart Gottes in der Welt, (...) und gedanklich im Wort oder Logos, der Welt des Verstehens“ (Israel et l’humanité). Kann Religionskritik also parteiisch, also nach emanzipatorischen Ideen suchend, sein, um den Glauben an den Messias und die Erlösung auf Erden materialistisch zu erden? Heisst, dass der Glaube an das Gute im Menschen, die Hoffnung auf freies Leben und Denken auf Erden, so wie ihr an eine befreite Gesellschaft glaubt, aus dem Falschen entspringt, und religiösen Charakter trägt.
lilian



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last modified: 28.3.2007