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Deichkind, 10.2k

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Diese (Hip Hop-)Welt ist in Ordnung!

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Trotz des fliessenden Überganges und der Verquickung von Mongo Clikke, Showdown und Eimsbush in Hamburch-City kommen Deichkind nach – nun. Und das gewaltig.
Entgegen der Konsumfreude kommt die Pladde zur Tour oder die Tour zur Pladde („Bitte ziehen Sie durch...“), ganz wie es beliebt, erst Ende Mai an den Start. Und weil die Vermarktung gerade des Hamburger Hip Hop inzwischen so beschissen perfektioniert ist, werden Mitte Mai entprechend weniger dem Konzert beiwohnen als, sagen wir, eine oder zwei Wochen nach Albumveröffentlichung.

Deichkind
Nina MC
Digger

Das routinierte Vermarkten von Produkten, gerade im Hip Hop, setzt auf die Mischung von Szeneprops (also „von unten“ muß es schon sein), einem relativen Bekanntheitsgrad innerhalb der Innercircle-Szene, der den nötigen Respect einfährt, und dem Hypen eines (Hip Hop-)authentischen Projekts. Ausdruck findet dies beispielsweise im Falle Deichkind wie folgt:
Für den 29. Mai ist die Platte für den Endverbraucher angekündigt. Und sie wird auch genau dann in den Läden stehen. Normalerweise kommt parallel, so um ein, zwei, drei, vier Wochen versetzt, eine Tour zu Stande, die das Produkt in einer Art Werbe- oder Nina, 8.5k Präsentationsveranstaltung – manche Ewiggestrige sagen auch noch „Konzert“ dazu – dem potentiellen Käufer anpreist. Dies wird von der Konzertagentur erledigt.
Wiederum zur gleichen Zeit finden sich überall wo möglich Anzeigen (in den Medien, auf Plakaten, Flyern etc.) für das Produkt. Im Zusammenspiel von Label (hier Showdown) und PR-Firma (hier Octopussy) wird auch alles weitere organisiert: die Interviews und Artikel in den Zeitungen, beim Radio und im Fernsehen, die DJs haben ihre Promo-Weißmuster der Platte bereits im Stapel. Eine Vorabsingle mit Hitpotential für die Zielgruppe Nummer eins geht einige Zeit vorher mit Video und Radiobemusterung ins Rennen (hier: „Bon Voyage“, Erscheinugsdatum: 9. Mai.). Das Conne Island sorgt darüberhinaus mit der Werbung für das Konzert (hier: am 12. Mai) für noch mehr Popularität des Produkts. Und so dreht sich die Werbespirale, bis das Produkt möglicherweise hoch in den Charts einsteigt und die Verkaufszahlen den Gewinn aus dem Verkauf des Produktes nach oben schnellen lassen.
Es soll ja Leute geben, die diese ganze Maschinerie der Vermarkterei skeptisch sehen und als beschissene kapitalistische Gesetzmäßigkeit zu gerne abschaffen würden. Sie nennen sich meistens Linke oder Linksradikale. Was jene am meisten stört, ist die Tatsache, dass das alles mit Kultur und Ästhetik letztlich nur noch am Rande zu tun hat, und diese beiden Aspekte darüberhinaus auch noch vom notwendigen Bestehen auf dem Markt intensivst beeinflußt werden.
Deichkind, 14.9k Leute, die so denken wie gerade beschrieben, sind in der Gesellschaft eine kleine Minderheit. Die allermeisten sehen das alles völlig unkompliziert. Meinen sie doch, daß es anders ja gar nicht gehen könnte und jeder müßte sich oder sein Produkt nun mal verkaufen, um Gewinn, oder besser: Geld zum Leben daraus erzielen zu können. Und so geht eben alles seinen kapitalistischen Gang: Deichkind freuen sich berechtigt, dass sie Erfolg haben, die Journalisten freuen sich, daß sie etwas schreiben können, die Conne Island Crew ist glücklich, ein geiles Hip Hop-Konzert veranstaltet zu haben, bei dem am Ende eben auch kein Minus zu Buche schlägt, und die Hip Hop Kids sind überglücklich, dabei gewesen zu sein.
Also punktum: Diese Welt ist in Ordnung! Und ihre Menschen auch!
Deshalb zurück zum wesentlichen: Deichkind erweitern mit ihrem Style ähnlich wie Mr. Schnabel die Hip Hop-Welt, weil sie sich bis auf weiteres allen bisher geöffneten Schubladen entziehen konnten. Mit aller Wahrscheinlichkeit gelingt es ihnen so, eine neue aufmachen zu können, in der dann andere landen werden, wollen, müssen.
Unterwegs sind die Deichkinners mit Nina MC, die bereits auf der EinsZwo-Tour burnte ohne Ende. Auf besagter Deichkind Vorab-Single „Bon Voyage“ ist sie beispielsweise skillsmässig ganz vorne dran abzubuchen.
Last but not least, Digger, „der neueste Streich von Eimsbush Entertainment“, das heute so abgefeiert wird wie in den 80ern bei den Punks die Hamburger Hafenstrasse – mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, dass heute sozusagen nur noch Rebellion im Wasserglas, äh Wasserpfeife an Stelle von Rebellion auf der Straße abgeht...
Nun, jedenfalls sind Digger rough genug, um „die Bombe“, wie sie meinen, am Abend selbst hochgehen zu lassen und nicht erst „morgen“, wie es die Brote einst ankündigten...

Ralf



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last modified: 28.3.2007